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Dann ging die ganze abgerissene, betrunkene Bande barfuß spazieren. Lachend, schreiend, fluchend taumelten sie die Straße hinunter. Der Gewissenlose trottete mit gesenktem Kopf dahin und sang auf Kutschers Bitte:

„Wenn du nicht das Saufen läßt,
nimmt dich jeder Bulle fest!“ —
„Kind, das ist mir einerlei,
denn ich kauf mich immer frei!“

An der Kalinkin-Brücke stand ein Auto, ein klappriger, hochbeiniger Ford, der aussah wie ein Bürgersöhnchen mit kurzen Hosen und nackten Knien.

„Ein Motor!“ grölte Kutscher. „Ein Motor! In meinem ganzen Leben bin ich noch nicht mit'm Motor gefahren!“ Er schwankte auf den Chauffeur zu. „Wieviel kostet es bis zum Newski?“ Der Chauffeur — er mochte Lette oder Deutscher sein — sah die barfüßigen, struppigen Jungen erstaunt und entsetzt an. „Verschwindet, ihr Tagediebe!“ schrie er zurück. „Wieviel?“ brüllte Kutscher wütend und riß einen Packen Geldscheine aus der Tasche.

Der Chauffeur sah sich hastig nach allen Seiten um. Dann machte er die Wagentür auf. „Steigt ein! Hundert 'Eier'.“

„Rein, Leute!“ grölte Kutscher unbedenklich.

Barfuß kletterten sie in den Wagen und ließen sich auf den Ledersitzen nieder. Die kurze Fahrt ging an der Fontanka entlang. Auf dem Newski-Prospekt machte der Chauffeur die Tür auf. „Raus!“

Die Jungen kletterten aus dem Auto und schlenderten über denNewski. Dort aßen sie Eis mit fade schmeckenden Waffeln und Äpfel, rauchten teure „Zephir“-Zigaretten und pöbelten die Passanten an. Anschließend ging die Horde ins Kino. Ein Gruselfilm wurde gespielt — „Die geheimnisvolle Hand“ oder „Der blutige Ring“. Die Strolche starrten auf die Leinwand, knackten Sonnenblumenkerne, lutschten Bonbons und rülpsten nach dem vielen Branntwein und Bier.

Erst nach Mitternacht kehrten sie in die Schule zurück. Der verschlafene Meftachudyn öffnete ihnen das Tor. „Banditen! Wir euch Kopf abreißen! Wartet, wenn Viktor Nikolajewitsch zurück sein!“ schimpfte er.

Und der Erzieher vom Nachtdienst schrieb in die „Chronik“: „Starolinski, Offenbach, Koslow, Bessowestin, Pantelejew, Tschornych und Ustinowitsch kamen spät in der Nacht zurück. Die Zöglinge Dolgoruki und Gromonoszew erschienen überhaupt nicht.“ Kutscher und Zigeuner übernachteten nämlich in einer verrufenen Straße…

SCHKID. Die republik der strolche i_045.png

Wieviel kostet es bis zum Newski?

Mit gesenktem Kopf standen Jankel und Ljonka da. Sie konnten den anderen nicht in die Augen sehen. Die Mitglieder des ZK saßen gelassen am Tisch und durchbohrten die Schuldigen mit ihren Blicken. Der Fall wurde diskutiert:

„Sie haben von allein gestanden. Man muß Gnade walten lassen.“

„Tatsache. Wir geben ihnen eine Rüge, aber nicht öffentlich.“ Dann wurden die beiden aufgefordert: „Seht uns in die Augen.“ Jankel und Ljonka blickten zu Japs auf.

„Japs, Ehrenwort… Wir waren Schweine!“

Kutscher zerrann das Geld zwischen den Fingern. Es war nur scheinbar schwierig, dreihundert Millionen durchzubringen — in Wirklichkeit hatte er an einem Tag schon die Hälfte verschleudert, und wenige Tage später saß er — Peng! — auf-dem trockenen. Und sich nach Schokolade, Kino, westfälischem Schinken und Autofahrten nun mit Machorka und einer Pfundration Brot zu begnügen, war nicht gerade einfach. Deshalb baldowerte Kutscher eine neue Sache aus — und setzte sie in die Tat um.

In einer dunklen Nacht machte dieselbe Bande einen Einbruch in das Konsumlager auf dem Hof. Die Strolche drückten die Türfüllung ein, kletterten hindurch, holten eine Kiste „Osman“-Zigaretten heraus und setzten die Türfüllung wieder ein. Die Prasserei begann von neuem.

Überall — in den Korridoren, den Klassen und Schlafräumen der Schule — lagen Zigarettenstummel mit Goldmundstück. Sämtliche Schkider rauchten „Osman“-Zigaretten, denn wenn Kutscher so viel Geld besaß, war er großzügig.

Kostalmed und Alnikpop, die besten Erzieher, befanden sich gerade in Urlaub. Elanljum verlor vollständig die Fassung, die Leitung glitt ihr aus den Händen. Sie brachte es nicht mehr fertig, in diesem Sodom und Gomorrha Disziplin zu halten… Die Diebstähle nahmen unaufhaltsam zu. Handtücher, Decken, Stiefel verschwanden.

Der „Junkom“ versuchte, sich zur Wehr zu setzen, doch schon beim ersten Versuch verprügelten Kutschers Kumpane den kleinen, schwarzen Kostja Finkelstein; Ljonka und Jankel bekamen ebenfalls eine Tracht Prügel. Sie sollten es nicht wagen, die Sache mit dem Kaffee und der „Geheimnisvollen Hand“ zu erzählen. Eines Tages kam der Nackte zu Ljonka. Die beiden Jungen hatten sich angefreundet; der Nackte liebte Ljonka und war aufrichtig zu ihm. „Ich hab' Angst, Ljonka“, sagte er. „Unsere Bande plant einen Einbruch in die Fabrik 'Skorochod'. Dabei muß der Wächter beseitigt werden. Und ich soll ihn umbringen, bei Gott!“ Der ehemalige Gymnasiast war blaß vor Erregung. „Ja, ich! Und eines Tages kommt dann Vikniksor in den Eßraum und fragt: 'Wer hat ihn ermordet?' Das würde ich nicht aushalten. Einen hysterischen Anfall würde ich kriegen und schreien.“ Der Nackte verzog das Gesicht wie ein Kätzchen und brach in bittere Tränen aus.

„Reg dich nicht auf“, tröstete Ljonka. „Du hast es ja noch nicht getan. Es bleibt dir bestimmt erspart.“

Und eines Tages sagte er: „Tritt doch in den 'Junkom' ein.“ Der Nackte traute seinen Ohren nicht. „Werden die mich denn aufnehmen?“

„Wir wollen es versuchen.“

Auf die nächste Versammlung des „Junkom“ nahm Ljonka den Nackten mit.

„Hier ist Starolinski“, sagte er. „Er will in den, Junkom' eintreten. Er hat zwar allerhand auf dem Kerbholz, aber er bereut es. Außerdem sind wir kein Komsomol, sondern eine Organisation für Schwererziehbare mit entsprechend geringeren Anforderungen.“ Der Nackte wurde als Kandidat aufgenommen. Er bekam eine entsprechend lange Probezeit und wurde verpflichtet, mit Kutscher zu brechen.

Kutscher focht das wenig an. Er „drehte“ ein „Ding“ nach dem anderen. Als aus dem Konsum nichts mehr zu holen war, stahl er die Glasscheiben aus einer Apotheke und brach die eingebauten Bleirohre aus den Toiletten der Schule. Eines Nachts verschwanden in der Schkid sämtliche Glühbirnen.

Die ganze Schkid wurde von der Seuche angesteckt. Der Pokrowsker Trödelmarkt und die Schwarzhändlerinnen zitterten vor den frechen Raubüberfällen der Strolche. In jener Zeit sang das Gesindel am Obwodny-Kanal folgendes Lied:

Von der Schkid, da kommt er her,
klaut uns alle Läden leer.
Jedes Marktweib flucht wie toll,
daß die Schkid der Teufel hol!
Nur Banditen gibt es da!
Lamza, driza a-za-za!

In diesen Tagen schien die Schule, die doch schon ein so gewaltiges Stück Weges hinter sich gebracht hatte, wieder in ihr Anfangsstadium zurückzufallen.

DIE ERSTE ENTLASSUNG

In einer stürmischen Nacht * Wieder in Petrograd * Elanljum erstattet Bericht * Unter der abgeschirmten Lampe * Das Scherbengericht * Freudlose Entlassung * Und wieder rattern die Räder.

Wie ein Wolf heulte der nächtliche Sturm hinter dem Fenster. Die Räder ratterten über die Schienenverbände, schwach flackerte die Lampe an der Tür. Im Nebenabteil sang jemand unaufhörlich:

Stürme heulten ohn' Erbarmen
durch die Winternacht,
als die Mutter — weh mir Armen —
mich zur Welt gebracht…