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„Genossen, wir behandeln heute den dritten Kongreß, der eine neue Wende zum friedlichen Aufbau bedeutet.“

Die Jungen drängten sich um die flackernden Kerzen und lauschten aufmerksam.

Es war eine milde, etwas windige Nacht.

Meftachudyn saß in seiner Pförtnerwohnung und sagte das russische Alphabet auf. Zuweilen stockte er und sah in seiner Fibel nach. Schließlich stand er auf, reckte sich, gähnte und warf einen Blick auf Bett und Wände.

„Schlafenszeit“, sagte er laut vor sich hin und trat auf den Hof, um seinen letzten Rundgang zu machen. Leise pfiff ein warmer Wind durch den Torweg. Er schien Meftachudyns rauhe, borstige Wangen zu küssen und zu streicheln. Der Tatare lächelte beglückt. „So ein Wetterchen!“ brummte er zufrieden. „Fein, fein!“ In dieser behaglichen Stimmung ging er leise über den Hof, prüfte die Türen nach und summte ein heimatliches Liedchen vor sich hin:

Ai dshanai
Kalassai.
Sekta, sekta
Menela-a-ai.

Plötzlich verstummte er und starrte aus erschrockenen Augen auf die Ruine. Von dort klangen dumpfe Stimmen. Der Tatare ging zu der halbverfallenen Tür.

„He! Banditen!“ Er fuhr zurück.

Die Stimmen, die aus dem feuchten Raum kamen, schienen ihm fremd, grob, ja furchteinflößend zu sein. Außerdem drang ein flackernder Lichtschein aus den Ritzen in der Tür. Meftachudyn überlegte einen Augenblick, wich dann lautlos von der Tür zurück und hastete zur Schule. Eilig rannte er die Hintertreppe hinauf zu Vikniksor. Kurz darauf ging der Direktor mit Alnikpop, der Nachtdienst hatte, die Hintertreppe hinunter.

„Ich hinsehen“, erzählte Meftachudyn, der sie begleitete, aufgeregt, „da-Licht. Ich hören bal-bal-bal. He, ich denken, da Tiktive, Banditen. Meftachudyn sich nicht täuschen lassen. Ich zu Ihnen laufen ganz schnell.“

Vorsichtig schlichen die Lehrer und der Pförtner zu dem zerstörten Haus. Vikniksor trat als erster ein, ging mehrere Stufen hinauf, blickte in den feuchten Korridor und prallte verblüfft zurück. Zuerst sah er nur Japs' aufgeregtes Gesicht, von gelbem Kerzenlicht beschienen. Dann erblickte er auch die übrigen. Er horchte. „Eine Hauptaufgabe des vierten Kongresses des Jugendverbandes war die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der halbwüchsigen Arbeiter. In den Fabriken wurde die Jugend als minderqualifizierte Arbeitskraft massenweise entlassen. Die Jungarbeiter mußten deshalb qualifiziert werden. Darauf richtete der vierte Kongreß des Komsomol sein Hauptaugenmerk.“

Japs' monotone Stimme wurde plötzlich durch den groben Ruf aus der Finsternis unterbrochen: „Was macht ihr hier?“

Sieben Köpfe wandten sich um, sieben Paar Augen bohrten sich in die Dunkelheit, aus der Vikniksors ärgerliches Gesicht auftauchte. Blitzartig erfaßte einer die Situation. „Verschwindet!“ schrie er.

Ein Zirkelteilnehmer stürzte zum Loch in der Treppe, prallte aber zurück. Meftachudyns Tatarengesicht grinste ihm entgegen. „Reingefallen, Banditen!“

Verwirrt blieben die Jungen stehen. Sie wußten nicht, wie sie entwischen sollten.

„Was macht ihr hier?“ wiederholte Vikniksor ärgerlich. „Nichts… es ist so warm draußen… na, und da haben wir noch hier gesessen“, stammelte Japs verlegen und zupfte an seinem zerflederten Lehrbuch für Gesellschaftswissenschaft.

Vikniksor bemerkte das Buch, nahm es dem verwirrten Lektor aus der Hand und blätterte nachdenklich darin. „Geht schlafen!“ sagte er dann kurz.

Mit gesenktem Haupt schlichen die Illegalen hintereinander an Alnikpop vorbei, der vorwurfsvoll den Kopf schüttelte. „Ach, ihr Hühner! Ihr Gänse!“ brummte er.

Am nächsten Tage erfuhr Vikniksor alles, und zwar auf dem einfachsten Wege: Er ging in die Klasse und fragte freundlich. Eigentlich hatten die Jungen auch gar nichts zu verbergen. Nur der Schreck und die ungewöhnlichen Umstände hatten sie in der vergangenen Nacht kopfscheu gemacht. Jetzt erzählten sie alles ruhig und lachten sogar gemeinsam mit dem Direktor über ihre „illegale Arbeit“. Hinterher lief Vikniksor mit nachdenklichem Gesicht umher. Abends teilte er der Klasse überraschend mit:

„Ich denke gar nicht daran, gegen eure Arbeit zu protestieren. Im Gegenteil, ich will euch in jeder Weise entgegenkommen. Ihr habt nicht das Recht, eine Zelle des Komsomol zu bilden, aber ihr könnt einen eigenen Zirkel, eine Zelle von örtlichem Charakter, organisieren und dort, ohne Mitglied des Komsomol zu sein, aber gleichberechtigt mit dem ganzen Verband, euer Studium durchführen. Ja, noch mehr als das — euch, als den Fortgeschrittensten, kommt es zu, die ganze Schule auf den Weg einer kommunistischen Erziehung zu führen. Organisiert euch, denkt euch einen Namen für euren Zirkel aus und macht euch an die Arbeit. Einen Raum werdet ihr bekommen. Ich stelle euch das Museum zur Verfügung. Übrigens könntet ihr gleichzeitig die Verwaltung des Museums übernehmen — die Ausstellungsstücke sammeln, sie einordnen und so weiter…“ Das Schkider Museum war vor langer Zeit ziemlich unbemerkt entstanden — nach der Zeitungsepidemie, an der damals die ganze Schkid erkrankt war. Die Zeitungen hatten auch die ersten Ausstellungsstücke gebildet. Später waren besonders gute Schülerarbeiten hinzugekommen. Außerdem wurde dort Anschauungsmaterial für den Unterricht aufbewahrt. Allmählich hatte sich allerhand angesammelt. Nachdem Vikniksor fortgegangen war, beriefen die Jungen noch am gleichen Abend eine außerordentliche Versammlung ein. Japs trat vor.

„Leute“, rief er, „unser Kollektiv, unsere Zelle, hat dieselben Aufgaben wie in der Illegalität, aber jetzt sind neue hinzugekommen, nämlich die Werbung neuer Mitglieder und die Erweiterung der Arbeit gemäß den Schulverhältnissen. Außerdem müssen wir uns einen Namen für die Zelle ausdenken.“

„Roter Stern!“

„Kommunarde!“

„Junge Kommunarden!“

„Richtig! Jungkommunarden. Abgekürzt 'Junkom'.“

„Ja, Junkom.“

„Finde ich auch!“

Die Meinungen waren geteilt. Es wurde abgestimmt. Die Mehrzahl entschied sich für „Junkom“. Anschließend wurden Japs, Jankel und Ljonka in das Redaktionskollegium eines organisationseigenen Presseorgans gewählt.

Schon am nächsten Morgen erschien die erste Nummer der Wandzeitung „Junkom“ mit einem Leitartikel, der die Gründung der neuen Organisation deklarierte und sich weitschweifig über viele Fragen verbreitete. Er schloß mit dem in Druckbuchstaben geschriebenen Aufruf zum Eintritt in den „Junkom“. Aber den Jungkommunarden wurde der Anfang schwer. Noch bevor sie sich in der Schule Autorität verschafft hatten, mußten sie einen Punkt ihres Programms verwirklichen. Sie hatten darin unter anderem erklärt, sie würden den Diebstahl in der Schule bekämpfen.

Kleine Diebereien kamen in der Schkid ziemlich häufig vor — oft verschwanden Handtücher oder Kissenbezüge.

Doch nun fehlten Stiefel. Als die Schkider eines Morgens wie gewöhnlich nach dem Klingelzeichen aus dem Bett sprangen, machte Andronow, ein Junge aus der zweiten Klasse, eine betrübliche Entdeckung. „Jungen, jemand hat mir meine Stiefel geklaut“, jammerte er und zappelte mit den nackten Füßen. Der Schlafraum kam in Aufruhr. „Du lügst!“

„Hast sie selbst beiseite geschafft!“

Beim Frühstück redete Vikniksor den Jungen drohend ins Gewissen. Dann wandte er sich plötzlich an die Großen.

„Das ist die Feuertaufe des 'Junkom'. Jetzt müßt ihr beweisen, daß die Jungkommunarden klassenbewußte, fortschrittliche Schüler sind. Ich werde nicht nach dem Verbrecher fahnden. Ihr sollt ihn suchen und allein verurteilen. Ich will nur die gestohlenen Stiefel sehen zum Zeichen, daß ihr eure Pflicht getan habt.“

Die Jungkommunarden verloren anfangs die Fassung, beratschlagten dann aber und willigten in Vikniksors Vorschlag ein. Wohl oder übel müssen Diebstähle bekämpft werden.