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„Meinetwegen, her damit!“ stieß Ljonka hervor, steckte das Geld in die Tasche und ging mit Sascha aus dem Laden. „Verdammter Schieber!“ brummte er draußen.

Anschließend trotteten sie auf den Trödelmarkt, wo sie Saschas englische Stiefel für zehn „Eier“ an den ersten besten Altwarenhändler verkauften.

Für den Rückweg zur Schkid benutzten sie die Straßenbahn: Die Ereignisse der letzten vierundzwanzig Stunden hatten sie müde gemacht, und außerdem konnten sie sich diesen Luxus jetzt erlauben. Zuversichtlich gingen sie zu Vikniksor ins Arbeitszimmer. „Da seid ihr ja schon wieder!“ rief der Direktor. „Was wollt ihr?“

„Das Geld für Ihre Fensterscheiben bringen!“ Ljonka legte dem Direktor fünfzehn Millionen Rubel — das waren etwa zwei Goldrubel — auf den Tisch.

Vikniksor blickte auf das Geld, setzte sich dann an den Schreibtisch und schrieb eine Quittung aus.

„Hier, nehmt den Wisch!“ sagte er finster. Dann fügte er etwas freundlicher hinzu: „Kommt in einem Monat wieder.“

Die Blutsbrüder gingen aus dem Zimmer.

„Und wohin jetzt?“ fragte Sascha leise.

„Nach Hause“, antwortete Ljonka. „Wo sollen wir sonst hin.“ Sie gingen in die Klasse, verabschiedeten sich von den Kameraden und trennten sich dann — der eine trabte in die Mestschanskajer Straße, der andere zur Wassilewski-Insel.

JUNKOM

Drei Schatten * Der Totenschädel im Dunkeln * Illegale Sitzung Das Irrlicht Meßachudyn schlägt Alarm Razzia * „Junkom“ * Jungkommunarden als Detektive * Wir gegen sie * Der „Grüne Ring“.

„Pssst! Leise!“

„Keinen Ton.“

Lautlos glitten drei Schatten die Vordertreppe hinunter und blieben einen Augenblick lauschend stehen. In der Schkid war es still. Die Jungen schliefen, und nur manchmal raschelten Ratten unter den Dielen.

„Los! Wir werden schon erwartet“, flüsterte es.

Die drei geheimnisvollen Gestalten gingen weiter die Treppe hinab. Vorsichtig hielten sie sich am Geländer fest, um jedes Geräusch zu vermeiden.

Von der vorderen Ausgangstür, die zur Straße führte, aber immer fest verschlossen blieb, fiel ein blasser Lichtschein herein. Die geheimnisvollen Gestalten verhielten den Schritt, wohl um sich zu beraten, und schlichen dann ebenso lautlos wie zuvor zum Kellereingang unter der Treppe. Undurchdringliche stumme Finsternis verschlang sie. Die seltsamen Wanderer tasteten sich an den Treppenvorsprüngen immer weiter vom Licht fort. Hinter ihnen verblaßte der fahle Schein der Eingangstür, und die Spiegelscheiben verwandelten sich in kaum' erkennbare glanzlose Flecken. Plötzlich prallte der erste Schatten entsetzt zurück. „Seht!“

Von der Wand starrte ihnen ein fürchterliches, blaß phosphoreszierendes Plakat entgegen:

SCHKID. Die republik der strolche i_043.png

Die Unheimlichkeit der Inschrift wurde durch die nicht minder unheimliche Zeichnung eines Totenschädels mit zwei gekreuzten Knochen noch verstärkt.

Die Wanderer preßten sich an die gegenüberliegende Wand; doch da lachte der mutigste von ihnen auf. „Das ist ja die Hochspannungsleitung! Keine Bange!“ Fast gleichzeitig klang eine dumpfe Stimme aus der Finsternis: „Parole?“

„Vier abseits!“ antwortete der erste Schatten.

„Eure sind nicht dabei. Passieren!“ kam es aus der Dunkelheit zurück, und vor den geheimnisvollen Wanderern öffnete sich die Tür zu einem schwach erleuchteten Raum.

Es war Meftachudyns Holzschuppen, in dem er das Brennholz verwahrte, bevor es zu den Öfen gebracht wurde. Auch jetzt war noch etwas Holz an den Wänden aufgestapelt. Hinter einem kleineren Holzstapel kauerten drei dunkle Gestalten, von denen die Ankömmlinge mit lauten Rufen begrüßt wurden. „Hurra! Da seid ihr ja. Sascha! Falke!“

„Happen — du auch?“

„Natürlich, ich bin doch kein Strohkopf! Ich möchte auch in eurer Organisation arbeiten.“

Sechs Jungen setzten sich auf die Holzhaufen und erstarrten in schweigender Erwartung. Die Tür war geschlossen worden. Außer den Ankömmlingen waren es Jankel, Japs und Ljonka, der nach dem schmachvollen Hinauswurf wegen der zerschlagenen Fensterscheiben erst vor kurzem in die Schkid zurückgekehrt war. Japs stand auf und hob die Hand. „Achtung!“ begann er. „Heute eröffnen wir die zweite Sitzung unserer illegalen Komsomolorganisation. Da wir zwei neue Mitglieder unter uns haben, nämlich Happen und Falke, will ich ihnen in kurzen Worten unser Programm und die Gründe, die uns zur Geheimhaltung der Angelegenheit veranlassen, erläutern.“ Er räusperte sich. „Also, Genossen, ihr wißt, daß unsere Schkid ein Heim für Schwererziehbare, das heißt beinahe ein Gefängnis ist; deshalb dürfen wir keine Komsomolzelle gründen. Aber bei uns gibt es einige, die sich auf ihren Eintritt in den Komsomol nach dem Verlassen der Schkid vorbereiten wollen. Dazu, nämlich zum Studium der Gesellschaftswissenschaft und der Grundlagen des Marxismus, haben wir diesen illegalen Zirkel gegründet. Leider haben wir keinen so erfahrenen und aktiven Leiter, wie es Schaffner war, der uns, wie ihr wißt, vor drei Monaten verlassen hat, um auf dem Land zu arbeiten. Ihr wißt ebenfalls, daß wir Vikniksor häufig gebeten haben, uns einen anderen Lehrer für Gesellschaftswissenschaft zu besorgen, aber bisher hat er sich bekanntlich den Teufel drum gekümmert. Uns blieb nur übrig, allein zu lernen. Wir haben keine Ahnung, wie sich Vikniksor dazu stellt, und außerdem wollten wir die Sache nicht durch lange Redereien hinauszögern. Deshalb haben wir uns entschlossen, diesen illegalen Zirkel zu bilden. Vorläufig beschäftigen wir uns mit Spezialfragen. Augenblicklich nehmen wir die Geschichte der revolutionären Jugendbewegung durch. Das Weitere wird sich finden.“

Japs verstummte und sah die Umsitzenden an. Dann wischte er sich den Schweiß vom Gesicht und ging zu seiner Lektion über. Als Bestunterrichteter und — belesener hatte er das Amt des Lektors übernommen. Er bereitete sich sehr gewissenhaft und sorgfältig auf jede Lektion vor.

„Wir fahren also fort. Voriges Mal haben wir die Entstehung des Jugendverbandes behandelt und sind bis zu der bürgerlichen Vereinigung 'Arbeit und Licht' gekommen. Jetzt beschäftigen wir uns mit der Entstehung und allmählichen Entwicklung der Union der Arbeiterjugend…“

Das Auditorium lauschte. Fünf Jungen mit glattrasierten Köpfen starrten den Lektor in atemloser Aufmerksamkeit an und sogen jedes Wort in sich hinein. Die Glühbirne zwinkerte kurzsichtig hinter ihrer Spinnwebschicht hervor und warf einen schwachen Schein auf die „illegale Organisation“ und die zerschrammten Wände.

Die nächste Zusammenkunft war auf zwölf Uhr nachts festgesetzt worden — die Lieblingszeit aller Verschwörer.

Die Schkid hatte einen ermüdenden Sommertag hinter sich. Allzuviel Wirbel, allzuviel Unterricht und außerdem das Bedürfnis, baden zu gehen und Klötzchen oder Fußball zu spielen. Infolgedessen waren abends alle erschöpft. Die Jungen in den Schlafräumen schlummerten augenblicklich ein, aber kaum hatte der diensthabende Erzieher die Tür hinter sich geschlossen, da liefen wieder geheimnisvolle Schatten durch das alte Haus.

Jankel hatte Nachtdienst. Er ließ die „Verschwörer“ aus dem Haus und ging hinterher.

Diesmal fand die Zusammenkunft in der Ruine des Seitenflügels statt.

In der Kammer unter der Treppe, wo sich Ljonka und Sascha erst vor kurzem einmal versteckt hatten, flammten Kerzenstummel auf. Dorthin eilten die Schatten. „Parole?“ „Euer Geld!“ „Wird unser sein! Passieren“, erklang die Stimme der unsichtbaren Wache.

Heute war ein neues Mitglied zur Organisation gekommenSpatz. Nun bestand der Zirkel schon aus sieben Mann. „Hoffentlich gehn wir nicht verschütt! Zu viele Betten sind leer“, meinte Jankel. Aber seine Befürchtungen verstummten unter dem allgemeinen Widerspruch.