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Die Spatzen tschilpen auf dem Pflaster,
die Straße lacht trotz allem Dreck,
und an der Ecke steht ein Posten,
wischt sich die Regentropfen weg.
Der Himmel dampft wie Tabakschwaden,
und aus dem Tor stinkt es nach Müll.
Der Posten nimmt den Helm vom Kopfe,
weil er sein Haar glattstreichen will.
Vor dem Cafe stehn ein paar Schieber
und bieten Zigaretten an. Vom Eingang
kommen Wodkadüfte, davor hält eine Droschke an.
Doch tschilpen Spatzen auf dem Pflaster,
verkünden, daß es Frühling wird;
die schmutziggrauen Straßen schlafen,
sie stinken weiter unbeirrt.

Das Gedicht zeigte er den Kameraden und Alnikpop. Es gefiel allen, und Jankel nahm es zur Veröffentlichung in einer seiner Zeitschriften an.

Sascha verbrachte den Morgen im Museum und stellte dort eine Tabelle der einzelnen Baustile zusammen. Die ionischen und korinthischen Säulen, die Pilaster und Apsiden versetzten ihn in Entzücken. Er und Ljonka hatten an diesem Morgen die Wäscherei und die eingeschlagenen Fensterscheiben vollständig vergessen. Aber beim Mittagessen entlud sich das Gewitter. Genauer gesagt, grollte der erste Donner schon eine halbe Stunde vor dem Essen. In der Schkid verbreitete sich nämlich das Gerücht, unbekannte Täter hätten in der Wäscherei sämtliche Scheiben zertrümmert. In diesem Augenblick begannen zwei Herzen heftig zu klopfen, zwei Paar Augen sahen sich an und blickten wieder fort. Beim Mittagessen, nach dem Namensaufruf — die Diensthabenden stellten gerade die dampfenden Schüsseln mit Hirsebrei auf die Tische —, kam Vikniksor in den Eßraum.

Er trat hastig ein, warf einen flüchtigen Blick auf die Reihen der Schüler, die sich bei seinem Erscheinen erhoben hatten, und sagte: „Setzt euch!“ Dann tippte er sich nervös mit dem Finger an die Schläfe, ging durch den Raum und blieb an einem Tisch stehen.

„Irgendwelche Strolche haben sämtliche Scheiben in der Wäscherei eingeschlagen“, sagte er, nach seiner Gewohnheit die einzelnen Worte dehnend.

Fragend blickten die Augen der Esser von der erkaltenden Hirsegrütze auf.

„Sämtliche Scheiben in den fünf Fenstern“, wiederholte Vikniksor. „Das ist Vandalismus, Jungen, das ist eine Degenerationserscheinung. Ich muß die Namen der Schurken, die das gemacht haben, herausfinden.“

Ljonka sah zu Sascha hinüber. Der Blutsbruder war rot geworden und hatte die Augen niedergeschlagen.

„Es ist Vandalismus“, fuhr Vikniksor fort, „Fensterscheiben einzuschlagen, wenn wir nicht einmal die Mittel besitzen, um die Scheiben, die von selbst entzweigingen, wiedereinzusetzen.“ In fiebernder Ungeduld wartete Sascha auf die Beendigung des Mittagessens. Dann rief er Ljonka beiseite: „Komm, ich muß mit dir reden.“

Sie gingen in die obere Toilette. Dort war niemand. Sascha lehnte sich an die Wand.

„Das kann ich nicht aushallen“, stieß er hervor. „Wir waren wirklich Viecher.“

Ljonka biß sich auf die Lippen.

„Wir gehen jetzt hin und gestehen es ein“, schlug er vor. Sascha kämpfte einen Augenblick mit sich. Dann pustete er, rieb sich die Wange, nahm Ljonka an der Hand und sagte: „Los!“ Vikniksor ging gerade die Treppen hinauf. Als er bei ihnen vorbeikam, wandte sich Ljonka um. „Viktor Nikolajewitsch.“ Vikniksor sah den Jungen an. „Ja?“

Ljonka blickte weg.

„Ich und Jelchowski haben die Fensterscheiben in der Wäscherei eingeschlagen.“

Schweigen. Vikniksor war über die Schnelligkeit des Geständnisses verdutzt.

„Ausgezeichnet“, sagte er nach kurzer Überlegung. „Ihr könnt beide nach Hause gehen.“ Der Blitz schlug ein.

Sascha taumelte ans Fenster, schlug die Hände vors Gesicht und duckte sich.

„Viktor Nikolajewitsch!“ jammerte er. „Das kann ich nicht. Meine Mutter ist krank… ich kann nicht hingehen.“

Mit zusammengebissenen Zähnen und verkrampften Fäusten stand Ljonka neben Sascha.

„Verzeihen Sie, Viktor Nikolajewitsch“, setzte er an. „Nein, da gibt es keine Entschuldigung. Schert euch aus der Schule. In einem Monat können eure Mütter herkommen. Bedankt euch bei mir, daß ich euch nicht in die Besserungsanstalt schicke.“

Er drehte sich auf dem Absatz um und ging in seine Wohnung. Ljonka sah ihm nach. Dann klopfte er Sascha auf die Schulter. „Komm, Rührmichnichtan.“

„Ich kann nicht nach Hause“, sagte Sascha.

„Für mich ist es auch nicht gerade ein Genuß“, brummte Ljonka finster.

Sie saßen im Hof, auf demselben Holzhaufen, wo sie sich gestern mit Elanljum unterhalten hatten.

Es wurde Abend. Graue Wolken zogen um die Wette über den Himmel und zerstäubten in kleine Regentropfen.

Sascha hockte wie eine Frau da — die Knie zusammengepreßt und die Wange in die Hand gestützt. Er hatte ein kleines, graues Bündel auf den Knien.

Es enthielt zwei Taschentücher, ein Aphorismenbuch und den ersten Band des „Kapitals“ von Karl Marx.

Sascha preßte das Bündel an sich, hob den Kopf und seufzte. „Was stöhnst du?“ brummte Ljonka. „Damit änderst du nichts. Wir wollen uns lieber überlegen, was wir jetzt machen. Nach Hause gehen wir doch nicht?“

„Nein“, seufzte Sascha.

„Na, dann müssen wir uns den Kopf zerbrechen, wo wir 'ne Bleibe finden.“

„Ja.“ Sascha nickte. Die Blutsbrüder überlegten.

„Ich hab's!“ erklärte Ljonka. „Im Seitenflügel ist 'ne Kammer unter der Treppe, da krauchen wir rein.“

Sie standen auf und zogen los. Tatsächlich waren in der Treppe, die sie gestern benutzt hatten, um aufs Dach zu kommen, mehrere Stufen eingebrochen. Auf diese Weise hatte sich ein Spalt gebildet, durch den die Freunde nun in einen dunklen, engen Verschlag kletterten. Ljonka riß ein Streichholz an. Das kleine gelbe Feuer schwelte und flackerte in der feuchten Luft. Die Jungen sahen sich um und erschauerten. Die Backsteinwände waren glitschig vor Nässe. Braune Moosfetzen hingen daran. Auf dem Fußboden lagen alte, schmutzige, zerrissene Matratzen. Die Füße versanken in der grauen, vor Nässe klebrigen Wergfüllung.

„Relativ komfortabel“, versuchte Ljonka zu spotten, aber seine Stimme klang dumpf und gequält.

„Widerlich, in solchem Dreck zu schlafen!“ Sascha runzelte die Stirn und trat gegen einen Werghaufen.

„Was soll'n wir machen? Laß nur, Mann, daran gewöhnst du dich.“ Ljonka hatte in seinem Leben schon in ekelhafteren Höhlen übernachten müssen. Er ging jetzt dem Freund mit gutem Beispiel voran, unterdrückte seinen Abscheu und ließ sich auf dem feuchten, ungemütlichen Lager nieder. Sascha legte sich neben ihn.

Sie unterhielten sich noch ein wenig. Es waren traurige Gespräche, die alle auf die Ausweglosigkeit ihrer Situation hinausliefen. Dann schliefen sie ein. Nach sechs Stunden wurden sie von grellem Licht und einer groben Stimme geweckt. Sie schreckten hoch und sprangen auf. Durch das Loch in der Ecke ragten ein Kopf und eine Hand mit Laterne. „Aufstehn, aufstehn! Puh, da liegen…“ Es war Meftachudyn.

Die Blutsbrüder wurden hellwach und gähnten niedergeschlagen. „Hast du denn kein Mitleid?“ fragte Ljonka. „Mitleid haben, geht aber nicht. Viktor Nikolajewitsch sagen: Durchsuch ganzes Haus, wenn finden, dann rausholen.“ „Halunke!“ brummte Ljonka. „Und überhaupt, schlafen hier unmöglich.“

„Warum?“ fragte Sascha.

„Weil Tiktive kommen.“

„Wer?“ forschte Sascha erstaunt.

„Tiktive… mit Knüppel und Gewehr.“

„Er meint wahrscheinlich Detektive“, stellte Ljonka fest. „Er will uns angst machen.“ Er sah zu dem Wächter auf. „Nein, Meftachudyn, wir gehn nicht weg. Wir wissen nicht, wohin.“ Meftachudyn schnaufte, dann verschwanden der Kopf und die Hand mit der Laterne, und die Stiefel des Tataren trampelten die Treppe hinab.