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Oder:

„Pantelejew sagte im Schlafraum zu Jeonin: 'Gib mir einen Stiefel, ich will den Erzieher damit verprügeln.'“

Oder:

„Ein Zögling warf einen Stiefel nach dem Erzieher. Die Schüler der dritten und vierten Abteilung billigten diese Tat einmütig.“ Die Überfülle der Eintragungen in die „Chronik“ gab dem Pädagogischen Rat, besonders Vikniksor selbst, schwer zu denken. Es mußte ein Mittel gefunden werden, um die Zöglinge vom Randalieren abzulenken und ihnen zu helfen, endlich aus der fünften Gruppe herauszukommen.

Vikniksor zerbrach sich den Kopf.

„Jungen!“ erklärte er eines Tages beim Abendessen. „Bisher hat es bei uns nur negative Eintragungen gegeben. Jetzt wollen wir auch positive einführen. Jede eurer guten Taten wird in die 'Chronik' eingeschrieben werden. Plus und Minus ist gleich Null. Eine gute Eintragung macht eine schlechte ungültig.“ Die Schkider jubelten, aber nur kurze Zeit.

Schnell stellte sich heraus, daß „gute Tat“ ein verschwommener Begriff war.

Am gleichen Tage setzte sich nämlich Kaufmann, der das Geographiebuch ein halbes Jahr lang nicht mehr zur Hand genommen hatte, hin und paukte achtzehn Seiten des „Europäischen Rußlands“ ein. Er erhielt aber keine positive Eintragung, weil festgestellt wurde, daß es zwar lobenswert ist, seine Aufgaben zu machen, aber nicht außergewöhnlich — man muß lernen, ohne auf Eintragungen zu spekulieren. Alle ließen den Kopf hängen, und Kaufmann, der sich seine Dummheit nicht verzeihen konnte, verdrosch vor Wut das Krokodil. Da fand Vikniksor einen Ausweg.

„Als gute Tat“, sagte er, „wird jede freiwillige Arbeit für die Gemeinschaft angerechnet, also scheuern, fegen, Holz hacken und ähnliches.“ Nun stürzten sich die Schkider auf Schrubber, Sägen und Scheuertücher, um positive Eintragungen einzuheimsen. Häufig schrieben die Erzieher die Eintragungen ohne Nachprüfung in die „Chronik“. Das brachte den listigen, erfindungsreichen Jankel auf eine Idee.

Er ging zum Krokodil.

„Schreiben Sie mich bitte in die 'Chronik'“, sagte er. „Ich habe die Toilette aufgewischt.“

Stracks ging Aiwasowski in die Kanzlei und schrieb: „Tschornych wischte freiwillig die Toilette auf.“

Das gefiel Jankel. Nach einer halben Stunde ging er wieder zum Krokodil.

„Ich hab' den oberen Saal gefegt — schreiben Sie das auf.“ Krokodil warf dem Zögling einen ungläubigen Blick zu, ging aber trotzdem, um diese Tat aufzuschreiben. Jankel, dessen Konto mit einem Dutzend negativer Eintragungen belastet war, wurde frech: „Den unteren Saal hab' ich auch gefegt“, rief er dem Davongehenden nach. „Schreiben Sie das extra auf.“

Aber es gelang Jankel nicht, seine Erfindung zu monopolisieren. Bald setzte die ganze Schkid Krokodil zu. Jeden Tag mußte er fünf bis zehn positive Eintragungen machen.

Die Schkid hatte sich aus der fünften Gruppe herausgearbeitet und war schon auf dem besten Wege zur ersten, als Vikniksor den Mißbrauch, der mit Krokodil getrieben wurde, bemerkte und dem letzteren verbot, positive Eintragungen zu machen. In dieser Zeit tauchten die ersten „Ablaßscheine“ auf. Krokodil war auf der letzten Stufe der Erniedrigung angelangt. Wenn er verdroschen wurde, bettelte und flehte er, man möge ihn nicht prügeln, und entschuldigte sich sogar.

„Ich bitte um Verzeihung“, sagte er zu dem Zögling, der ihm in einer Anwandlung von Humor auf den Fuß getreten hatte. Er hielt sich zurück und machte nur im äußersten Notfall negative Eintragungen. Da kam Japs auf folgenden Gedanken.

„Wir wissen“, sagte er, „daß Vikniksor Sie veranlaßt, uns Tadel einzuschreiben. Sonst hätten Sie Angst, den Propheten zu spielen.“

„Ja, du hast recht, ich bin dazu gezwungen“, pflichtete Aiwasowski bei.

„Und darum“, fuhr Japs fort, „schlage ich vor, daß Sie uns für jede negative Eintragung eine Bescheinigung, einen Ablaßschein, ausstellen, dessen Inhaber Sie jederzeit verprügeln darf, ohne daß Sie Widerstand leisten.“

Kaufmann stand bei dieser Unterhaltung daneben. Daher wagte Krokodil nicht zu mucksen und willigte widerspruchslos ein. Und wenn er nun einen Tadel eintrug, unterschrieb er jedesmal dem betreffenden Zögling folgende Bescheinigung:

Ablaßschein

Der Inhaber dieses Scheines hat das Recht, mich an jedem Tage und zu jeder Stunde zu verprügeln, wenn ich keinen Unterricht gebe und nicht im Lehrerzimmer bin.

S. P. Aiwasowski

Text und Form des „Ablaßscheines“ stammten von Japs. Er war auch der erste, der so einen Schein bekam. Doch er verprügelte Krokodil nicht, sondern hob den Schein auf.

Aiwasowski kam in die Klasse.

„Ich habe ein Anliegen an Sie“, erklärte Japs.

„Was für eines?“ fragte Krokodil und setzte sich auf seinen Platz.

Japs ging zu ihm hin, holte ein Päckchen Scheine aus der Tasche, zählte es nach und legte es auf den Tisch. „Achtundzwanzig Stück, Sir“, stellte er fest.

„Was ist das?“ stammelte Krokodil erblassend.

„Ablaßscheine, geliebter Freund, Ablaßscheine“, erwiderte Japs. „Na, nun stell mir mal deinen Rücken zur Verfügung.“

Es gab einen heillosen Tumult in der Klasse. Alle wollten ihre Ablaßscheine einlösen. Die Jungen drängten sich um den Tisch des kläglichen Propheten, und Kaufmann war gerade dabei, ihn zu verprügeln, als eine donnernde Stimme rief: „Genug!“

Die Jungen wandten sich um. Vikniksor stand an der Tür. Er hatte dem Schauspiel schon länger als eine Minute verblüfft zugesehen. „Genug“, wiederholte er. „Geht auf eure Plätze.“ Er warf einen Blick auf Krokodil, der sich den Rock zurechtzog. „Ich muß einen Augenblick mit Ihnen reden…“

Aiwasowski stand auf und verließ hinter Vikniksor die Klasse. Die Jungen sahen ihn niemals wieder.

SCHULD UND SÜHNE

Frühling auf dem Dach * Die Vandalen * Heinrich Heine * Reingefallen * Ohne Bleibe Mettachudyn als Detektiv * Der Goldzahn * Marx oder die Stiefel.

Sonnenstrahlen tanzten über die Wände. Die Geräusche der Straße drangen durch das offene Fenster herein und erregten die jungen Gemüter. Es war einfach unmöglich, in den vier Wänden zu sitzen. Sascha Pylnikow und Ljonka gingen auf den Hof. Dort spielten die Schlammanier Ball. Die rotblonde Elanljum saß auf einem Balken und las einen deutschen Roman.

Auf dem Hof war es schön, aber die Blutsbrüder wollten dem Lärm entfliehen, irgendwo in der Sonne liegen und sich ein bißchen unterhalten.

„Komm, wir klettern aufs Dach“, schlug Sascha vor. Sie stiegen über die dunkle, brüchige Treppe auf das Dach des halbzerstörten Seitenflügels. Als sie aus dem finsteren Dachboden auftauchten, mußten sie unter dem grellen Licht die Augen zusammenkneifen.

„Das ist prima“, flüsterte Sascha.

Auf dem Dach war der Schnee eben erst geschmolzen. Nur auf den überdachten Stellen, wo die Sonne nicht hinreichte, lagen noch kleine graue Fladen. Das rostige Dachblech glühte noch nicht. Es war angenehm warm — wie Samt.

Die Freunde legten sich auf die schräge Fläche, stützten die Füße gegen die Dachrinne und schoben die Hände unter den Kopf. Ljonka steckte sich eine Zigarette an. Ein Weilchen lagen sie unbeweglich und schweigend da. Sie lächelten behaglich und blinzelten wie junge Katzen in die Sonne.

„Fein“, murmelte Sascha verträumt. „Wunderbar. So könnte ich immer liegen.“ „Nee“, widersprach Ljonka. „Immer nicht. An so einem Tag möchte man was anstellen, sich austoben…“

Er richtete sich plötzlich auf, beugte sich über Sascha und klatschte ihm mit der flachen Hand auf den Bauch. Sascha kreischte, bog sich wie eine Weidengerte, packte Ljonkas Hals und zog ihn zu sich herunter.

Sie waren gleichaltrig und auch gleich stark, so daß der Kampf zehn Minuten lang unentschieden blieb. Endlich siegte Sascha. Er tanzte um Ljonka herum, der auf den Schultern lag.