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Endlich brach der lang ersehnte Tag an.

Nach dem Unterricht bekamen die Jungen ihre Festtagskleidung und wurden veranlaßt, sich blitzsauber zu waschen. Dann stellten sie sich paarweise auf und marschierten unter Leitung der Erzieher in den Garten.

Dort trafen sie gleichzeitig mit dem Hauptstrom der Gäste ein. Die Reihen drohten sich aufzulösen, aber Vikniksors Befehl lautete, die Jungen nicht vorzeitig laufen zu lassen, und die Propheten paßten wie die Schießhunde auf.

Das Fest begann mit der üblichen Filmvorstellung im Kino. Zuerst wurde ein Filmdrama vorgeführt, dann eine Komödie und ein Naturfilm, und als das Licht wieder anging, merkten die Jungen, daß fünf „Liebhaber“ verschwunden waren. Sie wurden jedoch sehr schnell im Garten wiedergefunden. Allesamt gingen sie dort stolz erhobenen Hauptes mit ihren Freundinnen spazieren. Es sah wie ein Wettbewerb aus: Wessen Freundin war die beste? Dse obsiegte. Der brünette Grusinier hatte ein Mädchen, bei dessen Anblick die Schkider vor Begeisterung Mund und Nase aufsperrten:

„Das ist ein Mädel!“

„So was laß ich mir gefallen! Signorita Margarita!“ Das kleine Mädchen mit dem blonden Pagenkopf war offensichtlich sehr einverstanden mit seinem feurigen dunklen Kavalier und merkte gar nichts von seiner Hinterlist — er führte sie dauernd an den Kameraden vorüber und erzählte ihr dabei unermüdlich lustige Geschichten, so daß ihr Mündchen fortwährend lächelte und ihre blauen Augen vor Freude und Verliebtheit strahlten. Wahrhaftig, sie war die hübscheste von allen Schkider Freundinnen. Bezaubert von ihrer Schönheit, ärgerte sich Jankel unwillkürlich über seine Eroberung — ein stupsnasiges dickes Mädel, das pausenlos Sonnenblumenkerne knapperte. „Was ist das bloß für'n Trampel!“ wütete Jankel im stillen. Er spürte, daß die anderen spöttisch zu ihm hinüberblickten. Schließlich konnte er das Spießrutenlaufen nicht länger aushalten, zerrte seine Liebste hinter ein paar Bäume und blieb dort erleichtert aufatmend stehen. Aber sie wollte unbedingt zu den Vergnügungsstätten zurück, um zu tanzen.

„Warum sind wir hierher gegangen, Grischka, Liebling?“ schmollte sie mit einem koketten Lächeln, das ihr Gesicht in einen Pfannkuchen verwandelte. „Komm zurück. Gleich beginnt der Tanz.“ Grischka-Liebling knirschte mit den Zähnen.

„Weißt du, Herzchen“, stieß er in plötzlichem Entschluß hervor, „geh einstweilen allein, ja? Ich bleib' noch ein bißchen hier… ich komme dann nach.“

„Nein, du willst mir nur weglaufen, aber ich lasse dich nicht!“ schmachtete die Verkäuferin und schmiegte sich an den unglücklichen Jankel. Er versuchte sie wegzuschieben, aber sie lachte nur und drückte ihn noch fester an sich. Da platzte ihm endgültig der Kragen, er riß sich los und schrie verzweifelt: „Geh zum Teufel, dumme Gans! Laß mich in Ruhe!“

Das Mädchen schrie vor Überraschung auf. Jankel rannte Hals über Kopf davon und verbrachte dann den ganzen Abend damit, seine Kameraden anzuflehen, sie möchten ihn vor den Verfolgungen seiner Geliebten schützen.

Inzwischen hatte der Tanz begonnen. Ein sanfter Walzer klang über den Tanzplatz, und die ersten Paare drehten sich im Kreise. Beispiele stecken an. Das Fest verschaffte fast allen Schkidern die Gelegenheit, sich eine „Dame“ zu suchen, und folglich gab es von nun an etwa zwanzig neue „Liebhaber“.

SCHKID. Die republik der strolche i_039.png

Wessen Freundin war die beste?

Die „Liebhaber“ waren leicht zu erkennen. Sie verhielten sich gesittet, sie randalierten nicht, befanden sich alle in der ersten oder zweiten Gruppe und prangten in einer außergewöhnlichen Sauberkeit.

Für gewöhnlich konnten die Erzieher die Jungen nur mühsam dazu bringen, daß sie sich wuschen. Jetzt taten sie es mit umständlicher Sorgfalt. Außerdem wimmelte die Schkid plötzlich von schnurgerade gezogenen Scheiteln, die alle Augenblicke eifrig auf ihren tadellosen Sitz geprüft wurden.

Die gleiche Sorgfalt trat in der Kleidung zutage. Die Republik Schkid war verliebt.

Allerdings ging es nicht ohne tragische Zwischenfälle ab. Biber wurde eines Tages wegen seiner Freundin verprügelt, denn diese Freundin besaß schon einen ebenso eifersüchtigen wie kräftigen Anbeter, der es nicht versäumte, sich nachdrücklich in Erinnerung zu bringen, und sich Biber am Obwodny-Kanal vorstellte.

Hinterher ging Biber eine ganze Woche lang nicht auf die Straße, denn er litt plötzlich an Verfolgungswahn.

Zigeuner machte ebenfalls Schweres durch, denn sein Mädchen ging gern ins Kino, und weil er kein Geld hatte, mußte er sich den Mund fusselig reden, um sie davon zu überzeugen, daß das Kino eine gemeine, niedrige Einrichtung sei.

Auch Dse litt aus Liebe. Um seiner Geliebten willen verkaufte er seinen einzigen Schatz — einen Zirkelkasten. Für das erhaltene Geld führte er seine blauäugige, rosige Schöne (sie stammte aus einem benachbarten Kinderheim) dann drei Tage hintereinander aus. Schnell und unbemerkt verrannen die Frühlingstage. Besorgt betrachtete Vikniksor die geschniegelten Jungen und meinte: „Die Kinder wachsen heran. Fast sind sie schon heiratsfähig. Wir müssen sie bald entlassen, sonst wächst ihnen im Kinderheim noch der Bart.“ äber ihren Liebesträumen vergaßen die Schkider die Gefahren und Launen des Schicksals. Doch eines Tages zogen Verwirrung und Entsetzen in ihre wehrlosen Herzen ein. „Es ist Zeit, die Haare abzuscheren“, erklärte Vikniksor. „Der Sommer kommt, und die Zotteln, mit denen ihr herumlauft, sind schrecklich anzusehen. Ihr bringt nur Ungeziefer ins Haus!“ Einfache Worte, aber von der gleichen panischen Wirkung wie die Rufe: „Es brennt!“ oder „Die Sintflut kommt!“ Das Haar abrasieren!

„Wie soll ich als Kahlkopf vor meine Marusja hintreten!“ Vor lauter Liebesdingen hatten die Jungen das Haarschneiden vergessen, obgleich sie wußten, daß diese Prozedur, wie in allen anderen Kinderheimen, regelmäßig vorgenommen werden mußte. Eines Tages wurde nach dem Abendessen verkündet, daß morgen der Friseur käme.

Die Großen waren jedoch entschlossen, ihren Kopfschmuck zu verteidigen. Sie beriefen eine Geheimversammlung ein und sandten eine Delegation zu Vikniksor mit der Bitte, der dritten und vierten Abteilung zu erlauben, daß sie das Haar behielten. Vikniksor ließ sich erweichen und gab die Erlaubnis, aber nur der vierten Abteilung und unter der Bedingung, daß die Jungen ihr Haar immer ordentlich kämmten. Am nächsten Tage bekamen sie Kämme, die sich bei näherer Betrachtung als Holzzinken herausstellten und die Kopfhaut zerkratzten. Trotz alledem wurden sie freudig in Empfang genommen. „Endlich sind wir erwachsen!“

Aber bald verursachten die unglückseligen Haare neuen Kummer. Wenn die Schkider im Unterricht über einer schwierigen Aufgabe schwitzten, fuhren sie sich aus alter Gewohnheit manchmal mit allen fünf Fingern durch das Haar, und dadurch verwandelte sich die gepflegte Frisur in struppige Zotteln. Das veranlaßte den betreffenden Propheten zu einem Tadel wegen Ungekämmtheit. Die Großen sahen sich also zwischen zwei Feuern: Haarschneiden bedeutete den Verlust der Freundin, Haarschmuck — eine Unmenge von Tadeln. Aber auch hier trifft das russische Sprichwort zu, daß der Nackte nicht um Einfälle verlegen ist. Dse lieferte der Republik eine Erfindung, die einen ideal sitzenden Scheitel garantierte. Er führte sie eines Morgens im Waschraum vor.

„Es ist ein äußerst einfaches, leichtes Mittel“, erklärte Dse seinen vielen aufmerksamen Zuhörern. Er trat zum Waschtisch und demonstrierte die Erfindung mit dem Gehabe eines Zauberkünstlers anschaulich an seinem eigenen Kopf.

„Also, ich feuchte mir das gekämmte Haar mit gewöhnlichem, ungekochtem Wasser ohne jede Beimengung an.“ Er drehte den Hahn auf und hielt den Kopf unter den Wasserstrahl. „Dann ziehe ich mit dem Kamm einen Scheitel“, fuhr er fort und tat es, „und nun kommt die Hauptsache. Der Scheitel ist fertig, aber die Frisur muß noch Halt bekommen. Dazu nehmen wir ein gewöhnliches Stück trockene Seife und fahren damit vom Scheitel weg über das Haar, um die Frisur nicht zu zerstören. Nach fünf Minuten ist die Seife trocken, und der Scheitel hält eisern fest.“