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„Es ist also beschlossen, Jungens — alle Gäste bekommen zu essen.

Was, das wird eine Sonderkommission entscheiden. Wir müssen einen Teil eurer Lebensmittelzuteilung zur Bewirtung verwenden, aber wir wollen uns bemühen, daß ihr dabei keinen Schaden erleidet. Ihr seid also samt und sonders mit der Abgabe eurer Portionen einverstanden?“

„Jawohl!“

„Einverstanden!“

„Die Gäste müssen bewirtet werden!“

Wieder stöhnte, brüllte, kreischte der Eßraum durcheinander, daß die Wände wackelten.

Es war in den Tagen vor den Feiern zur Großen Oktoberrevolution. Die Republik Schkid hatte beschlossen, das Fest mit großem Pomp zu begehen und zu diesem Zweck ein Theaterstück aufzuführen. Im Gegensatz zu anderen Schulen sollten die Gäste — die Eltern und Bekannten — mit einem üppigen Abendessen bewirtet werden. Deshalb brüllte die Republik so leidenschaftlich, als sie sich zur Erörterung dieser wichtigen Frage im Eßraum versammelt hatte.

„Wir geben unsere Portionen ab! Na klar!“ wurde von allen Seiten geschrien — so einträchtig und aufrichtig, daß Vikniksor ohne Widerspruch einwilligte.

Die Festvorbereitungen elektrisierten die Schkid. Noch war im Eßraum der Versammlungslärm nicht verklungen, als sich schon im Weißen Saal die Teilnehmer an der Aufführung, die am nächsten Tage stattfinden sollte, versammelten.

Eine letzte Probe war unbedingt notwendig, denn das Stück klappte überhaupt noch nicht. „Die belagerte Stadt“ sollte gespielt werden — ein bühnenwirksames Schauspiel mit vielen Teilnehmern. Natürlich war es gekürzt und stark bearbeitet worden. Aus sieben Akten hatte man drei gemacht, die auch nur mit Mühe in die von Vikniksor genehmigten vierzig Minuten gepreßt werden konnten. „Verdammt! Sascha! Du bist doch 'ne Spionin, 'ne Frau. Du wirst ein Kleid anhaben. Lauf doch nicht rum wie ein Stromer, mit den Händen in den Hosentaschen!“ Chefregisseur Japs riß die Geduld. Sascha fing seine Rolle noch mal an. Er piepste mit leiser Frauenstimme, fuchtelte ganz sinnlos mit den langen roten Armen, und Japs gab die Hoffnung allmählich auf.

„Sascha, du bist ein Idiot“, knurrte er und sank kraftlos auf den nächsten Schemel. Das kränkte Sascha ernsthaft. Er hörte auf zu piepsen und grölte: „Gen zum Teufel! Spiel doch selbst, wenn du magst!“ Japs blieb nichts anderes übrig, als sich zu entschuldigen, denn wenn Sascha die Rolle hinschmiß, platzte die ganze Aufführung. Die unterbrochene Probe ging weiter. „He, noch mal die erste Szene! Die Verschwörung der Weißen.“ Neue Schauspieler rannten auf die Bühne und ließen sich dort nieder. Hinter den Kulissen hantierte Ljonka herum. Er war der Inspizient. Zu seinen Pflichten gehörten die Beleuchtungseffekte. Wie man jedoch mit drei lächerlichen Glühbirnen Effekte erzielen soll — das ist eine komplizierte Frage. Erstmal zog Ljonka Drähte über die Bühne. Die Schauspieler stolperten darüber und fluchten. „Was für ein Affe hat hier Drähte gelegt?“

„Nimm sie weg!“

„Das ist ja der reinste Drahtverhau!“ Japs beruhigte die Schauspieler.

„Die Drähte müssen gezogen werden, Jungens, anders geht es nicht.“ Er warf dem über einen Kabelhaufen gebeugten Ljonka einen kameradschaftlichen Blick zu. Er freute sich über ihn. Jankel und Ljonka, die Blutsbrüder, waren wieder Jungkommunarden. Ins ZK wurden sie zwar noch nicht gewählt, aber sie sahen ihre Schuld ein. „Wir haben uns verkehrt benommen, Jungens, wir waren richtige Radaubrüder.“ Diese Worte fielen offen auf einer ZK-Sitzung. Japs vergaß sie nicht, ebensowenig wie die Tatsache, daß auch er einen Fehler zugeben mußte: In der Frage der Mitgliedschaft wurde ein Kompromiß geschlossen — von nun an sollte jeder in den „Junkom“ aufgenommen werden, für den sich mindestens ein ZK-Mitglied verbürgte.

„Jankel! Worin soll ich eigentlich auftreten? Du mußt mir ein Kostüm verschaffen, und zwar unbedingt eines mit ganz weiten Pumphosen!“ donnert Kaufmann auf Jankel ein. Er spielt in dem Stück sich selbst, das heißt einen Kulakenkaufmann, und hält sich deshalb für berechtigt, gebührende Aufmerksamkeit zu verlangen.

„Klar, wird besorgt!“ erwidert Jankel mit betörender Liebenswürdigkeit. Er zerbricht sich gerade verzweifelt den Kopf, wo er die Dekorationen hernehmen soll. Morgen ist die Aufführung, und er hat bisher weder Kostüme noch Dekorationen.

Er ist Spielleiter. Wo soll er nur Gewehre, Revolver, Hüte und ein Telefon auftreiben — Gegenstände, die ja nicht gerade zum Schkider Hausgebrauch gehören? Er muß sie aber haben! Nachdem er die Schauspieler, die ihm von allen Seiten zusetzen, erfolgreich abgewimmelt hat, rennt er nach oben und klopft an Elanljums Tür. „Herein!“

„Verzeihung, Ella Andrejewna, aber haben Sie vielleicht einen Damenhut? Dann brauchen wir für die Aufführung noch einen Dolch, und da hängt doch bei Ihnen ein japanisches Bajonett an der Wand…“ Elanljum gibt ihm den Dolch und auch das Bajonett. Sie liebt die Jungen und möchte ihnen helfen. Sie treibt sogar einen runden Hut mit Blumengarnierung auf. Von Elanljum trabt Jankel zu Vikniksor.

„Viktor Nikolajewitsch, wir haben keine Dekorationen und Requisiten. Viktor Nikolajewitsch, bitte, dürfte ich vielleicht zehn amerikanische Decken aus der Kleiderkammer holen, ja?“ Vikniksor schwankt. Er befürchtet, daß die Decken gestohlen werden. Aber dann entschließt er sich doch. „Genehmigt. Aber…“

„Aber?“

„Aber du bist mir dafür verantwortlich, Tschornych! Nichts darf verlorengehen.“

Jankel ist im Augenblick alles gleichgültig außer seiner Verpflichtung, Dekorationen zu ergattern.

„Gut, Viktor Nikolajewitsch, selbstverständlich übernehme ich die Verantwortung.“

Unter allgemeinem Tritimphgeschrei schleppt er zehn Minuten später einen Riesenballen Decken keuchend in den Saal — Vorhang, Kulissen, Dekorationen.

„Leute, aber der Saal selbst! Den müssen wir doch schmücken!“ jammert Mamachen kläglich. Die anderen horchen auf. „Ja, allerdings.“

In sorgenvoller Überlegung runzeln sich die Stirnen. „Tannenzweige würden genügen.“

„Ja, Tannenschmuck war nicht übel.“

„Hurra, ich weiß was!“ schreit Brotkanten. „Schieß los.“ „Na?“

„Tannenzweige gibt es.“

„Wo?“

Das gesamte Schauspielerkollektiv einschließlich Spielleiter und Regisseur starrt Brotkanten erwartungsvoll an. „Wo denn?“

„Gibt es!“ Frohlockend hebt Brotkanten den Finger. „Bei uns auf dem Wolkow-Friedhof.“

„Dummkopf!“

„Idiot!“ rufen empörte Stimmen, aber Brotkanten läßt sich nicht beirren.

„Warum schimpft ihr? Wenn einer mit mir hinfährt, bringen wir Tannenzweige, soviel ihr wollt.“

„Gräber beklauen?“

„Da ist doch nichts dabei! Die Toten nehmen's nicht übel.“

„Das geht doch nicht.“

„Warum denn nicht?“

„Ich fahr' mit!“ schreit Biber.

„Ich auch!“ Dse wird von der Begeisterung angesteckt. Alle drei bitten den Erzieher um Urlaub für eine wichtige Besorgung und ziehen wie zu einer Heldentat davon. Die Zurückgebliebenen versuchen weiter zu probieren, aber die Probe hat keinen rechten Schwung. Aller Gedanken sind auf dem Wolkow-Friedhof. Wenn die Jungen bloß nicht erwischt werden!

Lange müssen sie warten. Happen klimpert auf der Mandoline. Er soll im Konzertteil des Abends auftreten und muß noch üben, aber es wird nichts. Darum läßt er seine Programmnummer sein und begleitet sich zu dem monotonen Singsang:

Die Katz, die hat vier Beine
und hinten einen langen Schwanz.
Doch rühr nicht an die Kleine,
sonst gibt es einen tollen Tanz.

Inzwischen streifen die drei Helden tatendurstig über den stillen Friedhof. Nur selten kommt jemand vorbei. Das Wetter lädt nicht gerade zu einem Spaziergang zwischen den Gräbern ein. Über Kreuze und Grüfte pfeift der Herbstwind. Mühsam reißt er die durchnäßten Blätter von der Erde, als wollte er sie auf die Bäume zurückschleudern und es wieder Sommer werden lassen.