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Wellen sich in eine chaotische Brandung verwandelten, mit der sich die Hyperion noch würde auseinandersetzen müssen.

«Bei Gott, Sir!«rief Herrick.»Er hat recht. «Mit halb zugekniffenen Augen spähte er in den Wind, Gesicht und Brust trieften so stark, als sei er eben aus dem Wasser gehievt worden.

Bolitho wartete ab, bis sich das Schiff wieder hob; dann sah er etwas Schwarzes sich von den weißschäumenden Wellen abheben, und sekundenlang tauchte darüber das Dreieck eines braunen Segels auf.»Ein Fischer, Sir!«schrie Caswell.»Er kentert hier draußen, wenn er nicht in ruhigeres Wasser kreuzt!»

«Vier Meilen bis zum nächsten Land, Mr. Caswell«, erwiderte Bolitho.»Wenn er ruhigeres Wasser wollte, wäre er nicht so weit hinausgefahren.»

«Ein Licht!«meldete der Ausguck aufgeregt.»Er zeigt ein Licht.»

Bolitho lehnte sich an einen Neunpfünder.»Beidrehen, Mr. Herrick!«Er sah des Leutnants erstaunte Miene und erklärte ungeduldig:»Das Fahrzeug treibt mit Wind und Strömung ab. Es in einem Boot einzuholen, wäre hoffnungslos. «Er blickte zu den steinharten Segeln auf.»Wir lassen ihn auf uns zutreiben. Teilen Sie ein paar Leute ein, die ihn längsholen sollen. Ein paar Minuten, um die Besatzung dieses Bootes an Bord zu holen, und dann lassen Sie es driften!»

Herrick öffnete den Mund, schloß ihn aber gleich wieder und sagte nur:»Aye, aye, Sir. «Er hangelte sich zur Achterdeckreling hinüber und brüllte:»Mr. Tomlin! Wir holen das Boot längsseit! Draggen klar!«Seine Stimme ging fast unter im Zischen des überkommenden Wassers und dem Crescendo des Sturms in der Takelage.»Klar zum Beidrehen! An die Brassen!»

Mit einem Kreischen wie reißende Seide fiel das Vorbramsegel in sich zusammen und explodierte in wild flatternde Tuchstreifen. Aber die Hyperion ging dennoch majestätisch stampfend in den Wind. Das Manöver erhöhte noch den Lärm an Bord. Deckoffiziere und Steuermannsmaaten mußten noch lauter schreien, damit ihre Befehle verstanden wurden.

Das kleine Boot war schon fast vollgeschlagen, und als es schwerfällig auf die Bordwand zutrieb, sah Bolitho die Seen über das Dollbord schlagen und ungehindert die geduckten Gestalten am

Ruder umspülen. Die Hyperion erzitterte kaum, als es gegen die Bordwand krachte. Matrosen fluchten und schrien gegen den Wind an; bei einem zweiten Anprall knickte der Mast des Bootes wie ein Streichholz, der Sturm riß das nasse Segel weg und wehte es wie ein entfesseltes Gespenst über das Deck der Hyperion.

«Schnell!«schrie Herrick.»Es treibt ab!«Zwei bezopfte Matrosen hingen bereits an Leinen außenbords und mühten sich, das Boot zu erreichen. Es brach jetzt rasch auseinander; sein Bug geriet, wie Bolitho vom Achterdeck aus sah, unter die Wölbung des Schiffsrumpfes, und über zwanzig Mann hatten zu tun, um es an den Draggen längsseits zu halten. Lieutenant Inch kämpfte sich zum Fallreep vor und rief durch die hohlen Hände:»Sir! Wir haben Sie: ein Mann und ein Junge!«Er stolperte, als das Schiff schwer überholte. Die Masten vibrierten, als wollten sie ausbrechen.

Bolitho winkte.»Loswerfen! Gehen Sie wieder auf Kurs, Mr. Herrick!«Er blinzelte Salzschaum aus den Augen. Die Toppgasten enterten auf, um die noch stehenden Segel zu sichern. Bei der bloßen Vorstellung, mit dort oben zu arbeiten, schwindelte ihn.

Mit einem Knall wie ein Pistolenschuß brach eine steife Draggenleine und schleuderte die gegenhaltenden Matrosen in einem wüsten Haufen auf die Planken. Aber der Bootsmann bekam den zweiten Draggen klar, und mit einem hohlen Ton, einem Seufzer ähnlich, kenterte das Boot und verschwand im Gischt.

Doch die Matrosen hatten die beiden Insassen dem Meer entrissen und hielten sie fest. Der eine hing schlaff in der Schlinge; der zweite, kleinere, schien sich zu wehren.

«Schaffen Sie die beiden nach achtern, Mr. Tomlin!«befahl Bo-litho. Hinter sich hörte er das Rad unter der vereinten Kraft der beiden Rudergänger knarren, und dann ertönte Gossetts Stimme:»Wir sind auf Kurs, Sir! Nord zu West, voll und bei!»

«Das war knapp, Sir«, sagte Herrick und schüttelte sich wie ein nasser Hund.»Hätte nie gedacht, daß ich mal erleben würde, wie ein Linienschiff so tut, als wäre es ein Amüsierkahn!»

Bolitho antwortete nicht. Er schaute der schlaffen Gestalt entgegen, die Tomlins Matrosen heranbrachten, und selbst in diesem Halbdunkel konnte er die durchweichte Uniform, den großen Schnurrbart erkennen, den die Nässe schief an die Wange des Mannes klebte, als gehöre er dort überhaupt nicht hin.

Herrick sah Bolitho zusammenzucken.»Wer ist das, Sir?«fragte er.

Leise erwiderte Bolitho:»Lieutenant Charlois. Der Mann, der die Verhandlungen eingeleitet hat. «Errief:»Den Arzt zu mir! Und bringt den Mann in meine Kajüte!»

Die Matrosen nahmen den Leblosen wieder hoch, und Bolitho wandte sich dem Jungen zu. Er war etwa so alt wie Seton, doch breitschultrig und ebenso schwarzhaarig wie Bolitho selbst.»Was ist geschehen?«fragte er ihn.»Sprichst du englisch, Junge?»

Der Junge murmelte etwas und spuckte dann verächtlich aus. Kalt sagte Tomlin:»Benimm dich, Bengel!«Er verpaßte ihm eine rasche Ohrfeige; doch dann riß er entsetzt die Augen auf, denn der Junge sank zu seinen Füßen hin.»Allmächtiger!»

«Bringen Sie ihn unter Deck, Bootsmann«, sagte Bolitho,»und sorgen Sie dafür, daß er trocken und warm wird. Ich spreche nachher mit ihm. Jetzt muß ich zu Charlois.»

Breitbeinig schritt Inch das schräge Deck hinan und sah gerade noch den Schiffsarzt hinter Bolitho herhasten.»Also wirklich, Mr. Herrick«, sagte er,»das ist mir ein Rätsel!»

Herrick biß sich auf die Lippen und beobachtete die Segel.»Eins ist sicher, Mr. Inch: daß der Mann hier draußen fast ertrunken ist, hat seinen Grund — aber bestimmt keinen guten!»

Bolitho stand in der Tür seiner Schlafkajüte und sah zu, wie Rowlstone, sich mit einer Hand an der schwankenden Koje festhaltend, die Untersuchung des bewußtlosen Charlois abschloß. Allday und ein Sanitätsmaat hielten Laternen hoch.

Der Schiffsarzt reckte die schmalen Schultern und sagte endlich:»Tut mir leid, Sir. «Er zuckte die Achseln.»Hat eine Kugel im linken Lungenflügel. Nichts mehr zu machen, fürchte ich.»

Bolitho trat herzu und sah auf das breite Gesicht des Franzosen und die nur flach atmende Brust nieder.

«Hätte ich ihn früher bekommen«, sagte Rowlstone bedeutsam,»wäre er möglicherweise zu retten gewesen. Aber die Wunde ist schon ziemlich alt. Drei Tage vielleicht. Sehen Sie den schwarzen Rand um den Einschuß? Schlimm.»

Bolitho brauchte nicht erst hinzusehen, er konnte es riechen.»Wundbrand?«fragte er leise.

Rowlstone nickte.»Mir unverständlich, daß er überhaupt noch lebt.»

«Nun — sorgen Sie dafür, daß es ihm so leicht wie möglich wird. «Er wollte sich schon abwenden und gehen; da sah er, daß Charlois' Augenlider zuckten und sich hoben. Sekundenlang starrten diese Augen nur blicklos und verständnislos, als gehörten sie gar nicht zu dem Mann, dessen Gesicht im Lampenlicht talgweiß glänzte.

«Sind Sie das, capitaine!«Die schmerzverzerrten Lippen bewegten sich fast unmerklich; Bolitho mußte sich bücken, um die Worte zu verstehen, und sein Magen rebellierte bei dem fauligen Gestank der Wunde.

Charlois schloß die Augen wieder.»Gott sei Lob und Dank!«»Ich bin es«, sagte Bolitho.»Aber warum haben Sie St. Clar verlassen?»

Es war schmerzlich anzusehen, wie der Mann gegen seinen Tod ankämpfte, um noch einmal klar zu denken. Doch er mußte Bolitho wissen lassen, was los war.

«Mein Sohn?«fragte Charlois schwach.»Ist er in Sicherheit?»

Bolitho nickte.»Wohlbehalten und gesund. Ein tapferer Junge, hat bei diesem Wetter die Pinne bis zuletzt nicht losgelassen.»

Charlois versuchte zu nicken.»Braver Kerl… Aber nun haßt er mich. Verabscheut mich als Verräter Frankreichs!«Eine Träne rann ihm aus dem Augenwinkel, doch er sprach weiter.»Er begleitete mich nur, weil er es für seine Sohnespflicht hielt — nur deswegen!»