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Der Bugmann stieß ein scharfes Zischen aus.»Da ist sie, Cap' n!»

Er deutete mit dem Bootshaken voraus. Seine gebeugten Schultern hoben sich scharf wie eine Galionsfigur gegen das dunkle Wasser ab.»Die Sperre, Sir.»

«Stopp, Jungs!«befahl Bolitho.»Bootshaken klar!«Etwa zwei Sekunden lang öffnete Allday die Blende seiner Laterne und richtete sie nach achtern. Die umwickelten Riemen der Gig hoben sich tropfend und verstummten. Lautlos glitten die beiden Boote an die behelfsmäßige Sperre heran, und die Männer im Bug setzten die Haken sorgfältig ein. Die Sperre bestand aus einem dicken Kabel, das sich in schwarzem Halbkreis in der Finsternis verlor. In rege l-mäßigen Abständen wurde es von großen Fässern an der Wasseroberfläche gehalten; obwohl in aller Eile zusammengebaut, reichte diese Sperre doch völlig aus, um ein Schiff am Einlaufen zu hindern.

Bolitho kletterte über die eingezogenen Riemen nach vorn und stützte sich auf die Schultern der keuchenden Matrosen. Das Kabel hatte sich vollgesaugt und war mit schleimigen Algen behangen, und er konnte sehen, daß es sich zu beiden Seiten unter dem Druck der Strömung ausbuchtete. So hatte er es auch erhofft und erwartet. Der andauernde heftige Regen, selten genug in diesen Breiten, hatte den kleinen Fluß auf den doppelten Wasserstand anschwellen lassen, so daß er sich nun brausend von den Bergen in die wartende See ergoß.

Überrascht schaute Bolitho hoch — der Regen hatte aufgehört. Selbst die Wolken kamen ihm dünner, nicht mehr so drohend vor, und sekundenlang überfiel ihn Panik. Dann schlug die ferne Kirchturmuhr einmal. Es war also entweder ein oder halb zwei Uhr; der Klang gab ihm die Ruhe wieder, und ohne etwas zu sagen, kletterte er zurück. Es blieb noch viel Zeit, seine Männer mußten sich ausruhen. Leutnant Fowler beugte sich aus der Gig und flüsterte gepreßt:»Kommen wir hinüber, Sir?»

Bolitho nickte.»Wir zuerst. Sie folgen, sobald wir klar sind. Das Kabel hängt zwischen den Bojen tief durch, es wird nicht schwierig.»

Dann erstarrte er, denn ein Matrose keuchte:»Sir — Boot in Steuerbord voraus!»

Sie saßen stocksteif. Die Matrosen hielten die Boote voneinander ab, um die Geräusche zu dämpfen. Erst unbestimmt und fern, dann deutlicher und näher hörten sie das Spritzen und Knirschen von Riemen.

«Wachboot«, flüsterte Bolitho. Wegen der kabbeligen Wellen war es unmöglich, das Boot selbst auszumachen, aber der regelmäßige Schlag der Riemen, der flache weiße Gischtschnurrbart um den Bug waren genug. Bolitho hörte einen Mann leise pfeifen und, völlig unerwartet und dadurch doppelt erschreckend, ein lautes zufriedenes Gähnen.

«Sie patrouillieren an der Sperre, Sir«, flüsterte Piper. Er zitterte heftig, ob aus Angst oder Kälte, blieb Bolitho unklar.

Er hörte, wie das Boot vor ihnen mit spritzenden Riemen vorbeizog; bei jedem Schlag wurde das Geräusch unbestimmter. Natürlich hielt der französische Bootssteurer bei dieser Strömung reichlich Abstand von der Sperre, auch würde die Besatzung ohne ausdrücklichen Befehl nicht allzu scharf Ausschau halten, wenn die ganze Sperre noch intakt war. Schließlich konnte kein Schiff darüber hinweg, und da sie an beiden Enden bewacht war, mußte man es sofort merken, falls sie zerschnitten wurde.

Bolitho entspannte sich ein wenig, als das Wachboot in der Finsternis verschwand. Es würde vermutlich am anderen Ende eine Weile pausieren, ehe es wieder zurückruderte, bei einigem Glück eine Viertelstunde lang. Und inzwischen. Er wandte sich um und befahl kurz:»Also dann, Jungs! Hinüber!»

Quietschend und scheuernd, von flachen Riemenschlägen getrieben, rutschten die beiden Boote über das durchhängende Kabel und glitten in den Hafen hinein. Ein direkt hinter ihnen liegendes Faß sprang im Wasser hoch, und Bolitho erwartete fast einen plötzlichen Anruf oder ein Lichtsignal, daß sie entdeckt waren. Doch nichts geschah, und mit frischer Energie legten sich die Männer wieder im die Riemen. Als es vom Kirchturm zwei Uhr schlug, kämpften sie sich mitten im enger werdenden Fahrwasser voran. Mit jeder mühseligen Minute wurde der Gegenstrom stärker.

Selbst in der Finsternis konnte man die weißgekalkten Häuser zu beiden Seiten des Hafens ausmachen. Sie standen terrassenförmig am Hang; die unteren Fenster der hinteren Reihe blickten jeweils über die Dächer der vorderen. Genau wie ein Fischerhafen zu Hause in Cornwall, dachte Bolitho. Leicht konnte er sich die steilen engen Gassen vorstellen, welche die Terrassen miteinander verbanden, die zum Trocknen aufgehängten Netze, den Geruch nach Fisch und Teer.

Heiser sagte Allday:»Da ist sie, Captain. Die Saphir.».

Der Rumpf des Zweideckers war nur ein dunklerer Schatten, aber vor den helleren Häusern hoben sich seine Masten und Rahen wie schwarzes Spinngewebe ab. Allday legte ganz leicht Ruder; gefolgt von der Gig, glitten sie weiter in die Fahrwassermitte und von dem schlafenden Schiff weg.

Der scharfe Geruch nach verkohltem Holz und verbrannter Farbe, den der Wind herantrug, erinnerte Bolitho an das Gefecht. Hier und da konnte er an Bord eine Blendlaterne ausmachen, auch den sanften Schimmer des Oberlichts auf der Back. Doch kein Anruf ließ sich hören, kein plötzlicher alarmierender Schrei.

Die eroberte Schaluppe Fairfax lag zwei Kabellängen hinter dem Franzosen in flacherem Wasser. Sie schwojte unruhig in der Strömung, den schlanken Bug landeinwärts gerichtet. Bolitho musterte sie genau, während die beiden Boote vorüberglitten. Sein erstes Kommando war eine Schaluppe gewesen, und auf einmal verspürte er Mitgefühl für die kleine Fairfax. Ein Schiff in Feindeshand stimmt einen stets irgendwie traurig, dachte er. Ohne ihre gewohnte Besatzung, ohne Schiffsführung in der Muttersprache, mit neuem Namen und nach den Bedürfnissen des Siegers umgerüstet, blieb sie trotz allem doch dasselbe Schiff.

«Die Brücke, Sir!«flüsterte Piper. Es war nicht viel mehr zu sehen als ein grauer Buckel, aber Bolitho wußte, daß sie das Ende des Hafens erreicht hatten; und wie zur Bestätigung seiner Berechnungen schlug die Kirchturmuhr dreimal. Beim Aufblicken sah er, daß jetzt durch Risse in den Wolken hier und da ein Stern blinkte. Also war der Sturm vorbei.

Unvermittelt kam der Augenblick der Entscheidung. Seine Männer konnten nicht mehr rudern; unter der Brücke rauschte die Strömung wie ein Wildwasser, und für die müden, schwitzenden Ruderer gab es deshalb keine Rastchance.

Rasch blickte er sich im Boot um.»So, Jungs. Wir lassen uns jetzt also wie besprochen vom Strom treiben. Wir nehmen die Großrüsten; Mr. Fowler entert über die Back auf. «Leise zog er seinen Degen und deutete über Bord.»Abfallen, Allday! Bleiben

Sie klar von der Gig — wir wollen Mr. Fowler nicht in die Quere kommen, er hat genug zu tun.»

Allday drückte die Pinne herum, die Riemen wurden leise eingezogen, und das Boot nahm direkten Kurs auf die schlanke Schaluppe. Alle hielten den Atem an, als das Wasser an der Außenhaut, das Kratzen von gezogenem Stahl erschreckend laut klangen. Selbst das Bilgewasser unter den Bodenbrettern schwappte so vernehmlich, daß mancher Mann erschrocken zusammenfuhr.

Plötzlich dräute die Fairfax über ihnen. Fast schienen die Masten mit den angeschlagenen Segeln an die Sterne zu rühren. Dann, als Allday die Pinne noch stärker umlegte und die Jolle schwerfällig auf die Rüsten zuschwang, zerriß eine Stimme direkt über ihnen die

Stille.

«Qui v a lä?»

Schwarz hoben sich Kopf und Schultern des Mannes vom festgemachten Großsegel ab. Mit einer zügigen Bewegung riß Bolitho Midshipman Seton hoch und zischte:»Los, Junge! Antworte ihm!»

Seton fühlte sich noch schlapp von der Seekrankheit, und in der plötzlichen Stille klang seine Stimme gebrochen und schwankend. »Le patrouilleur.«Er würgte, als Bolitho ihn nochmals rüttelte. »L'oficier de garde!»

Bolitho fühlte sich krampfhaft grinsen und flüsterte:»Gut gemacht!«Von oben her war ein Gemurmel zu hören, das nun, da alles in Ordnung schien, eher ärgerlich als besorgt klang.