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«Nehmen Sie die Gig«, sagte Bolitho,»und machen Sie sie achtern fest. Wir müssen die Jolle zur Küste schicken, fürchte ich.»

«Sie war schon vorher überladen«, sagte Fowler.»Wenn jetzt noch Ihre Abteilung dazukommt.»

Allday rannte heran.»Bloß noch drei Mann, Sir. Einer ist tot, den lasse ich liegen.»

Das zweite Boot klatschte längsseit ins Meer, und die Matrosen der Hyperion begannen, die Verwundeten über die Reling zu heben. Gefesselt, verängstigt, von mehreren Bewaffneten bewacht, stand die französische Ankerwache am Großmast, und ihr toter Kamerad lag noch an der Schanz als Warnung für jeden, der etwa an Widerstand dachte.

Die Männer arbeiteten rasch und leise, doch mit der Zeit wurde die Spannung unerträglich. Bolitho versuchte, nicht zum Himmel aufzusehen, denn der war jedesmal heller.»Mr. Seton«, sagte er,»machen Sie diesen Franzosen klar, daß sie in den Booten mausestill zu sein haben! Ein Laut, und ich spicke sie mit Schrapnell, ehe sie eine halbe Kabellänge weg sind!»

«Aye, aye, Sir«, nickte Seton, schwankend vor Erschöpfung und Schrecken.»T-tut mir leid, daß es nicht l-leiser ging, Sir.»

Bolitho legte ihm die Hand auf die Schulter.»Sie haben das sehr gut gemacht, mein Junge! Ich bin stolz auf Sie.»

Allday trat zur Seite, als Seton an ihm vorüberrannte, und meinte gelassen:»Der ist gar nicht so übel, Captain.»

«So sagten Sie schon. «Die Kirchturmuhr schlug vier, und Bo-litho schob den Hut zurück.»Es wird spät, Allday. Wie viele noch?»

Der Bootsführer blickte übers Deck.»Nur noch die beiden da an der Schanz. Ich schaff' sie hinunter. «Doch als er herzutrat, geriet einer der beiden Hilflosen ins Rollen und stieß einen schrillen Schmerzensschrei aus, so plötzlich und unerwartet, daß alle erstarrten. Doch dann warf sich Allday über ihn, preßte die Hände auf den Mund des armen Kerls, und der Schrei riß ab, als sei eine Tür zugeschlagen worden.

«Tot, Captain«, sagte Allday leise und stand auf. Bolitho beobachtete die vor Anker liegende Saphir. Auf ihrem Achterdeck waren einige schattenhafte Gestalten erschienen. Laternen bewegten sich.»Spielt keine Rolle mehr, Allday«, entgegnete er.»Er hat sie geweckt.»

Alle versteinerten, als von drüben der schneidende Ton einer Trompete über das schwarze Wasser schallte; und gleich darauf wirbelte eine Trommel. Überall im Hafen wurden Fenster hell. Hunde bellten, Seevögel schrien verschlafen.

Als Bolitho sich umwandte, sah er, daß seine Leute zu ihm aufsahen; seine Verzweiflung wich einer verzehrenden, bitteren Wut. Diese Männer hatten ihm vertraut, hatten seinen Befehlen ohne zu fragen gehorcht, auch angesichts des überwältigenden Risikos. Nun standen sie da und warteten, während man dort, jenseits des Wassers auf dem französischen Schiff zu den Waffen griff. Aus dem Augenwinkel sah er, wie einer aus seiner Bootsmannschaft sich bekreuzigte; ein anderer lehnte an der Reling und starrte zum Land hinüber, als sähe er es zum letztenmal. Irgend etwas hakte in Bo-litho aus; und als er sprach, erkannte er seine Stimme selbst kaum wieder:»Stoßen Sie die Boote ab, Allday!«Und zu Fowler:»Fertig zum Kabelkappen; und sagen Sie Piper, er soll die Gig übernehmen!«Doch Fowler starrte ihn nur wortlos an; da packte Bolitho ihn beim Handgelenk.»Wir sind nicht von so weit gekommen, um jetzt so schnell aufzugeben. «Er wandte sich an die stumm dastehenden Matrosen:»Na, Jungs — kämpfen oder schwimmen wir?»

Wie auf Signal schien die Betäubung zu weichen; sie rannten zur Back, und jemand rief:»Los, Leute! Wir braten diese Hunde, ehe sie uns vollspucken!»

Ein dumpfes Krachen, und eine schlecht gezielte Kugel hüpfte fünfzig Yards vor dem Bug übers Wasser. Jemand auf der Saphir hatte offenbar ein Buggeschütz bemannt; aber da beide Schiffe in Wind und Strom heftig schwojten, blieb das eine leere Geste.

Der letzte der französischen Ankerwache sprang über die Reling, das Boot warf die Leinen los, und Fowler schrie:»Vorn alles klar,

Sir!»

«Kappen!«brüllte Bolitho.

Mit einem Knall brach das steife Ankertau und schnellte peitschengleich über den Bug. Das kleine Schiff trieb sofort ab, krängte steil in seiner plötzlichen Freiheit.

«Anzünden, Captain?«schrie Allday.

Doch Bolitho spähte über den Bug zu dem anderen Schiff hinüber. Er konnte heisere Kommandos hören, das Rumpeln der aufgehenden Stückpforten, das beredte Knarren und Quietschen ausfahrender Lafetten.

«Noch nicht!»

Wahrscheinlich dachte der Kommandant der Saphir, daß es sich um einen Überfall handelte, mit dem die Engländer die Fairfax befreien wollten. Was es auch später kosten mochte, er mußte sie möglichst lange in diesem Glauben halten.

Allday schluckte und griff nach seinem Entermesser. Der Wind drückte die Schaluppe weiter in die Strommitte, und Bolitho sah die Doppelreihe der feindlichen Geschützpforten. Einige standen schon offen, andere öffneten sich jetzt, denn immer mehr Männer gehorchten dem fordernden Ton der Trompete und eilten auf Gefechtsstationen.

Der ganze Hafen war jetzt hell, als hätte ein einziger Blitz alle Lampen angezündet. Der erste Salve krachte und hallte zwischen den Berghängen wider. Hohe Wassersäulen stiegen rechts und links empor; Bolitho sah etwas Helles, Deformiertes an der Bordwand der Sloop entlangreiben; Schreie brachen unvermittelt ab, als das zerschmetterte Boot kenterte und sank. Eine Kugel mußte es getroffen und entzweigeschlagen haben, gerade als die freigelassenen Franzosen versuchten, ihre Verwundeten an Land zu rudern.

Noch mehr Geschütze brüllten auf, und der Widerschein ihrer langen, orangeroten Feuerzungen auf dem Wasser sah aus wie eine zweite Batterie. Bolitho fühlte, wie sich der Schiffsrumpf unter ihm hob, und hörte das splitternde Krachen aufgerissener Planken, als die schweren Kugeln durch das untere Deck pflügten, als wollten sie der Schaluppe das Herz aus dem Leibe reißen.

Ein Mann schrie:»Der Großtopp kommt von oben! In Deckung!»

Wild fuhr alles auseinander, als die gesplitterte Stenge mit ihrer Rah auf das Achterdeck niederdonnerte und die gerissenen Leinen wie mit Klauen nach den Männern hieben und einen sogar über Bord rissen.

Wieder eine Reihe von Blitzen, diesmal aber näher und besser gezielt. Die Fairfax schüttelte sich wie im Krampf, Planken und Decksbalken bogen sich aufwärts — es war, als verfluche das Schiff die Männer, die es tatenlos zugrunde gehen ließen.

Bolitho krallte sich an der Reling fest; eine Kugel durchschlug die Steuerbordschanz und zerfetzte zwei Matrosen, die eben einen Verwundeten wegschleiften. Er war dankbar für die Finsternis, obwohl sie die formlose, zuckende Menschenmasse weder ganz verhüllen, noch das gräßliche Schreien und Winseln ersticken konnte.

Er wappnete sein Bewußtsein dagegen und brüllte:»Legt Feuer!»

Geduckt schleuderte ein Matrose eine Laterne in den Stapel aus Tuch und Holz, und sekundenlang sah Bolitho im Gesicht des Mannes, der hier seinem Zorn freien Lauf ließ, eine unbeschreibliche Maske des Hasses und der Rachsucht.

Die Entfernung zwischen den beiden Schiffen betrug nur noch knapp siebzig Yards, und zunächst dachte Bolitho, es sei schon zu spät. Er konnte auf dem Decksgang der Saphir bereits Männer sehen, die zu der Stelle rannten, wo die beiden Schiffe einander berühren würden. Er konnte ihr triumphierendes Geschrei hören — wie das Kläffen eines wilden Rudels kurz vor dem Reißen der Beute.

Flammen huschten über das Deck wie Funken einer Lunte, und als sie den ölgetränkten Stapel erreichten, schien die ganze Schaluppe in Flammen aufzugehen, so daß die Männer zurücktaumelten und die Augen mit den Händen schützten, fasziniert und erschüttert von dem, was sie da angerichtet hatten. Wieder schlug eine Salve ein; unter Deck hörte Bolitho Wasser gurgeln und Schotts einreißen — die See wollte ihren Sieg vollenden.

Der Wind trieb den Rauch von der Back nach achtern, und Bo-litho hustete heftig. Er rieb sich die Tränen aus den Augen. Vormast und Vorbramrah flammten auf wie ein riesiges brennendes Kruzifix. Das Feuer verbreitete sich mit phantastischer Schnelligkeit. An Bord der Saphir verwandelte sich der Jubel bereits in Schreckensrufe. Jemand zog die Reißleine eines Schwenkgeschützes; Schrot hagelte an Bolithos Gesicht vorbei und schlug gegenüber ins Deck. Ein Matrose wurde von den Füßen gerissen; noch in der Luft brach sein Schrei ab, und er fiel als zuckendes Bündel an Deck zurück, wo sein Todeskampf eine Blutspur auf die Planken zeichnete.