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Dann sagte er ärgerlich:»Sie nehmen sich zu viel heraus! Sie kannten meine Befehle, und doch haben Sie völlig nach eigenem Ermessen gehandelt!«Dabei war er aufgestanden und in der Kajüte auf und ab gegangen.»Es wäre durchaus möglich gewesen, daß die Franzosen ein doppeltes Spiel trieben. Diese angeblich glühende Loyalität für ihren toten König konnte ebensogut ein taktisches Manöver sein, um unsere Operationen zu verzögern.»

Bolitho hatte an Charlois gedacht und an seine verzweifelte Entschlossenheit, ihn zu warnen.»Charlois hat sein Leben dafür gelassen, Sir. Ich handelte, wie ich es für richtig hielt, um eine militärische Katastrophe mit großen Verlusten an Menschen und Material zu verhindern.»

Mißtrauisch blickte Pomfret ihn an.»Aber Sie sind als erster in den Hafen eingelaufen, Bolitho vor mir und dem Geschwader! Das kam Ihnen wohl sehr gelegen?»

Bolitho entgegnete:»Ich konnte nicht rechtzeitig Verbindung mit Ihnen aufnehmen, Sir. Ich mußte so handeln.»

«Es gibt einen Punkt, an dem Hartnäckigkeit zur Dummheit wird!«Pomfret hatte sich dann nicht weiter über die Angelegenheit ausgelassen, denn in diesem Augenblick war Kapitän Dash eingetreten und hatte gemeldet, daß die Soldaten zur Ausschiffung bereit seien.

Bolitho war zu müde, zu schwach und zu krank gewesen, um sich über Pomfrets kleinliche Wut lange zu ärgern. Später, in der Erinnerung, kam es ihm so vor, als hätte der Admiral ihn tatsächlich im Verdacht gehabt, er hätte den Überfall auf die Saphir nur geplant und ausgeführt, um Ansehen, Lob und Anerkennung für sich selbst zu erringen, auch auf die Gefahr hin, sein Schiff und jeden Mann an Bord zu verlieren.

So also war diese erste Unterredung verlaufen. Jetzt sagte Bolitho zu Herrick:»Der Admiral wünscht mit den Offizieren seines Stabes ein Glas Wein zu trinken. Wir wollen lieber sehen, daß wir pünktlich sind.»

Wortlos wanderten sie durch eine enge, kopfsteingepflasterte Gasse, deren Häuser sich einander zuneigten, als wollten sie sich berühren.

Endlich fragte Herrick:»Wie lange wird es dauern, bis der Feind einen Gegenangriff auf den Hafen unternimmt, Sir?»

«Wer kann das sagen? Aber Cobban hat seine Späher ringsum aufgestellt, und zweifellos wird Sir Edmund weiter Küstenpatrouillen fahren lassen, um die Straße nach Norden zu überwachen. «Das sollte möglichst beiläufig klingen, doch konnte er seine Enttäuschung darüber, wie sich die Dinge in St. Clar entwickelten, nicht ganz verbergen. Die Anordnungen und Befehle, die Pomfret als Ortskommandant erließ, warfen einen dunklen Schatten. Diese abendliche Ausgangssperre zum Beispiel. Die Bürger hatten Schiffe und Soldaten begrüßt, als seien es ihre eigenen, hatten den grinsenden Rotröcken Blumen zugeworfen, als wollten sie zeigen, wie sehr sie an diese Unternehmung glaubten. Schließlich waren sie nicht ganz unbeteiligt daran, auch sie würden die Kosten dafür zu tragen haben — unter Umständen mit Leib und Leben.

Und die helle Begeisterung an Bord der Hyperion war sehr schnell vergangen, als Pomfret lediglich den kurzen Befehl gab, Truppen und Vorräte so schnell wie möglich auszuladen. Hätte er nur ein Wort der Anerkennung gesagt! Die Hyperion hatte fünfzehn Tote und Vermißte verloren, und zehn weitere waren schwer verwundet. Im Verhältnis zu den Verlusten, die entstanden wären, wenn sie die Saphir nicht versenkt hätten, schien das zwar geringfügig. Aber innerhalb der Schiffsbesatzung war es ein ganz persönlicher, tiefgreifender Verlust.

Pomfret hatte es sehr eilig gehabt, seine Flagge an Land zu hissen. Als Bolitho und Herrick über den schattenverhangenen Marktplatz gingen, sahen sie, daß der Admiral sein neues Hauptquartier mit größter Sorgfalt ausgesucht hatte. Es war das Haus eines reichen Weinkaufmanns, ein hübsches, großzügiges Bauwerk mit Säulenportal, von hohen Mauern umgeben. Seesoldaten mit über der Brust gekreuzten Riemen standen stramm, nervös blickende Bediente erwarteten an den hohen Doppeltüren die von den Schiffen und aus der Garnison eintreffenden Offiziere und nahmen ihnen Kopfbedeckungen und Mäntel ab.

Besorgt sah Herrick zu, wie Bolitho seinen verbundenen Arm möglichst bequem unter dem Uniformrock zurechtrückte; wieder fiel ihm auf, wie scharf die Linien um Bolithos Mund geworden waren, wie ihm der Schweiß unter der rebellischen Locke auf die Stirn trat.»Sie hätten mich allein gehen lassen sollen«, sagte er schließlich.»Sie sind noch nicht wieder hergestellt, Sir. Noch lange nicht!»

Bolitho verzog das Gesicht.»Und mir dieses schöne Haus entgehen lassen? Kommt gar nicht in Frage!»

Herrick sah sich um: die Gobelins an den Wänden, die glitzernden, wundervoll zum Raum passenden Kronleuchter.»Sir Edmund ist anscheinend der Ansicht, daß ihm ein gewisser Luxus zusteht, Sir. «Herrick sagte das mit unverhüllter Bitterkeit. Warum ist er so wütend auf Pomfret? überlegte Bolitho. Wegen der alten Geschichten oder der neuen Ungerechtigkeit, die sich der Admiral — jedenfalls nach Herricks Ansicht — mit seinem Kapitän leistete?

«Sie werden eines Tages noch über Ihre Zunge stolpern, Thomas«, entgegnete er mit flüchtigem Lächeln.

Ein Lakai mit Perücke riß die Tür auf und rief, nachdem ein britischer Unteroffizier ihm etwas ins Ohr gemurmelt hatte, lauthals: «Capitaine de vaisseau M'sieur Boli…«Der Unteroffizier starrte ihn wütend an und bellte dann selbst mit einer Stimme, die eher für seine Scharfschützen im Masttopp geeignet war:»Kommandant Richard Bolitho von Seiner Britannischen Majestät Linienschiff Hyperion!»

Lächelnd trat Bolitho in den langgestreckten, holzgetäfelten Saal voller Menschen, anscheinend ausschließlich Heeres- und Marineoffiziere. Alle Gesichter wandten sich ihm zu, und das laute Durcheinander der Gespräche verstummte. Als erster fing Bellamy von der Chanticleer an, in die Hände zu klatschen, und während Bolitho etwas verwirrt stehenblieb, ging das Händeklatschen in Hurrarufe über; der Lärm erfaßte das ganze Haus und drang in den stillen Garten, wo die Wachtposten die Hälse reckten, um der Ovation zu lauschen.

Unsicher schritt Bolitho an den Männern vorbei, die ihn da mit fröhlichem Jubel empfingen. Er verstand kaum, was sie ihm zuriefen, und merkte auch nur vage, daß Herrick treulich an seiner Seite blieb, um mit seinem Körper den verwundeten Arm vor allzu begeisterten Offizieren zu schützen.

Pomfret erwartete sie am hinteren Ende des Saales, prächtig in Gala, den Kopf zur Seite geneigt, die Lippen zusammengepreßt — ob amüsiert oder ärgerlich, das war nicht ohne weiteres zu unterscheiden. Er wartete, bis ein Lakai Bolitho ein Glas Wein gereicht hatte; dann hob er, Stille gebietend, die Hand und sagte:»Wir haben bereits auf Seine Majestät getrunken. Und jetzt: Auf unseren Sieg! Und Tod den Franzosen!»

Bolitho nippte an seinem Wein. Der Lärm und die Hektik ringsum verwirrten ihn. Er fand den Trinkspruch banal und unter den Umständen wenig angebracht. Doch als er sich rasch im Raum umblickte, sah er zu seiner Überraschung keinen einzigen französischen Offizier und auch keinen der Honoratioren von St. Clar.

Pomfret sprach ihn jetzt an:»Das war ein rührender Empfang, Bolitho! Die Heimkehr des Helden, wenn ich so sagen darf. «Sein Gesicht war fleckig vor Hitze, und seine Augen glänzten übermäßig.

Leise fragte Bolitho:»Ist denn keiner der maßgebenden Franzosen gekommen, Sir?»

Kalt blickte Pomfret ihm ins Gesicht.»Ich habe keinen eingeladen.»

In Bolitho stieg der Zorn hoch, und seine Wunde fing an zu pulsieren.»Aber Sir, es war doch eine Gemeinschaftsaktion. Die Bürger wollten genau wie wir die Revolutionsregierung stürzen! Darin gleichen wir uns doch.»

«Wir gleichen uns?«Pomfret blickte ihn mit milder Überlegenheit an.»In den Augen des Allmächtigen vielleicht. Aber in meinen Augen sind sie Franzosen, und denen ist nicht zu trauen! Das sagte ich Ihnen schon früher. Ich habe hier das Kommando und lasse mir von diesen verdammten Bauern nicht dreinreden!»