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Leise fragte Allday:»Ist der Arm besser, Captain?«Dann sah er Bolithos steif zurückgedrückte Schultern und schob die Lippen vor. Da kann sich der eine oder andere noch auf was gefaßt machen, dachte er. Während er Kurs auf den Pier nahm, achtete er sorgfältig auf ein Zeichen, eine winzige Veränderung in Bolithos grimmigen Zügen. Er konnte sich nicht erinnern, ihn jemals so gesehen zu haben; und tiefgreifende Veränderungen paßten nicht zu Alldays Phlegma. Irgendwie schien ihm Bolitho unter einer merkwürdigen Spannung zu leiden, unter einer nervösen Erwartung, die ihm sonst völlig fremd war. Aber vor sich selbst konnte er ihn nicht schützen, und die Tragweite dieser Entdeckung machte ihm große Sorgen.

Zu seiner Überraschung und seinem Ärger wurde Bolitho am Pier von einem jungen Infanterieoffizier begrüßt. In Erwiderung der strammen Ehrenbezeugung tippte er an den Hut.»Fähnrich Cow-per, Sir, vom 91. Infanterieregiment«, stellte sich der junge Mann vor. Er schluckte heftig, weil Bolitho ihn nur stumm und ohne zu lächeln anblickte, und fuhr unsicher fort:»Ich habe ein Pferd mitgebracht, Sir; ich — ich dachte, das wäre bequemer für Sie.»

Bolitho nickte.»Sehr aufmerksam von Ihnen. «Er hatte eigentlich zu Fuß auf die Festung gehen wollen, damit er Zeit zum Nachdenken bekam und um sich zu überlegen, was er sagen wollte.

Der Fähnrich bemerkte sein Zögern und sagte hilfsbereit:»Wenn Sie nicht reiten können, Sir, führe ich das Tier am Zügel.»

Bolitho musterte ihn kühl.»Ich mag ja Seeoffizier sein, Mr. Cowper, aber außerdem stamme ich aus Cornwall. Pferde sind in meiner Heimat nicht ganz unbekannt.»

Mit aller Würde, die er aufbringen konnte, schwang er sich auf das schläfrige Tier. Seine Bootsmannschaft und die Ordonnanz des Fähnrichs sahen ehrfürchtig und bewundernd zu.

Langsam trotteten sie den Sandweg hinan, und bei jedem Stolpern des Pferdes zuckte der Schmerz erneut durch Bolithos Arm. Er zwang sich dazu, die Umgebung zu studieren, wenn auch nur, um sich von seinen trüben Gedanken abzulenken. Der Weg war bis auf einen müden Wachtposten völlig menschenleer. Von den Schäden, die die Karronade und Ashbys siegestrunkene Seesoldaten angerichtet hatten, war nichts mehr zu sehen. Hinter der Wegbiegung erblickte er die Festung und die geraden Reihen der Armeezelte.

«Ich nehme an, Sie freuen sich darauf, wieder zu Ihren Kameraden in St. Clar zu stoßen?«fragte er.

Der junge Fähnrich wandte sich leicht im Sattel um und blickte ihn überrascht an.»Ich weiß nicht recht, wie es weitergehen soll,

Sir.»

Bolitho starrte die Festung an.»Hoffentlich ist Ihr Kommandeur besser informiert.»

Ungerührt von Bolithos Sarkasmus grinste Cowper.»Aber, Sir, der Kommandeur bin ich.»

Bolitho parierte sein Pferd und musterte den Fähnrich.» Was sind

Sie?»

Cowpers Grinsen verschwand, und er rückte unter Bolithos wütendem Starren ungemütlich im Sattel hin und her.»Also, das heißt, ich bin der einzige Offizier hier.»

Bolitho deutete auf die Zelte.»Und Sie allein befehligen all diese Männer? Um Gottes willen, was reden Sie da?»

Der junge Mann breitete die Hände aus.»Also — es sind ja nur noch zwanzig Mann und ein Sergeant. Die Zelte sind bloße Attrappen für den Fall, daß eine französische Fregatte rekognoszieren kommt.»

Bolitho fühlte das Pferd unter sich schwanken, während er Cow-pers wahnwitzige Erklärung zu verdauen suchte.»Keine Verstärkung für St. Clar? Überhaupt nichts?»

«Gar nichts, Sir. Ich habe vor zwei Tagen Instruktionen von Lord Hood bekommen. Aus Toulon. «Er bewegte die Zügel, denn Bo-litho hatte sein Pferd wieder angetrieben.»Meine Befehle lauten, die Stellung hier bis auf weiteres zu halten. Außerdem das Lager so weit wie möglich auszudehnen und zu erweitern. «Er sprach so rasch, als hätte er Angst vor dem, was Bolitho dazu sagen würde.»Wir haben jedes Stück Leinwand zurechtgeschnitten, das wir auftreiben konnten. Alte Segel, Hängematten, alles. Meine Leute gehen nur herum, zünden Lagerfeuer an und haben ein Auge auf die Sträflinge. «Seine schmalen Schultern sanken etwas zusammen.»Es macht einen richtig nervös.»

Bolitho schaute ihn mit plötzlichem Mitgefühl an. Ein Junge, mehr nicht. Er konnte noch nicht lange genug im Dienst sein, um viel Kampferfahrung zu besitzen, und doch hatte man ihm eine Aufgabe zugemutet, bei der ältere als er vor der Zeit graue Haare bekommen würden.

«Also steht es in Toulon nicht gut?«fragte er.

Cowper nickte.»Sieht so aus, Sir. Lord Hood hatte zwei Regimenter mit, aber sie können nicht viel mehr tun, als die Stadt zu besetzen und die Forts in der Umgebung zu halten. Anscheinend sind viele Franzosen, die man für treue Royalisten hielt, zu den Revolutionären übergegangen.»

«Und für St. Clar sind keine Truppen übrig. «Bolitho sprach seine Gedanken laut aus.»Aber zweifellos hat Lord Hood die Situation in der Hand.»

«Das steht zu hoffen, Sir«, sagte Cowper, aber es klang wenig überzeugt.

Stumm passierten sie die Holzbrücke über den tiefen Graben mit den gefährlich aussehenden spitzen Pfählen und ritten durch die offenen Tore in die Festung ein. Nur ein einsamer Soldat schritt an der Brustwehr auf und ab; ein zweiter rannte herbei, um die Pferde zu übernehmen. Außer ihm war der einzig sichtbare Mensch ein halbnackter, an ein Lafettenrad gebundener Mann, dem die Haut vom Sonnenbrand in Fetzen ging und der sich mit offenem Mund mitleiderregend in der glühenden Sonne wand.»Wegen Wachvergehens, Sir«, erläuterte Cowper bedrückt.»Mein Sergeant sagt, das wäre die einzig richtige Strafe. «Er wandte sich ab.»Disziplin muß wohl mit solchen Mitteln erzwungen werden.»

«Bestrafung im Felde ist gut und richtig, wenn Sie eine ganze Armee hinter sich haben, Mr. Cowper«, entgegnete Bolitho.»Aber Sie sollten Ihrem Sergeanten lieber klarmachen, daß im Ernstfall ein schlechter Soldat immer noch besser ist als ein toter.»

Cowper nickte entschlossen.»Danke, Sir. Das sage ich ihm bestimmt.»

War man erst einmal in dem runden Turm, so fühlte sich die Luft nach der Gluthitze im Hof kühl, beinahe eisig an. Als Bolitho hinter dem Fähnrich die Stufen emporstieg, mußte er an damals zurückdenken, als der enge Raum voller Musketenqualm gewesen war und von den Schreien und Flüchen Verwundeter und Sterbender gebebt hatte.

Das Quartier, in dem Jahr für Jahr ein Festungskommandant nach dem anderen gehaust hatte, war düster und charakterlos. Der Hauptraum, der auf die Landspitze hinausblickte, war der Form des Turmes entsprechend gerundet, und seine schmalen, tiefeingeschnittenen Fenster leuchteten wie frohe Bilder aus einer anderen Welt. Hier lagen ein paar Binsenmatten auf dem Fußboden, und er sah auch einige der einfachen, aber wohlgeformten Möbel, die der Schiffszimmermann der Hyperion gebaut hatte.

Eine kleine Seitentür öffnete sich, und das Mädchen, gefolgt von ihrem Bruder und Midshipman Piper, trat ins Zimmer.»Captain Bolitho möchte Sie besuchen, Ma'am«, sagte Cowper mit einem drohenden Blick auf die Midshipmen.»Wenn Sie mich begleiten wollen, meine Herren, zeige ich Ihnen gern die — äh — ganze Festung.»

«Entschuldigen Sie, Sir, daß ich nicht an der Pier war, als Sie kamen, Sir«, stotterte Seton.

Etwas unbestimmt entgegnete Bolitho:»Ich habe auch nicht damit gerechnet. «Er blickte dem Mädchen nach, das an ein Fenster trat. Cheney trug ein lockeres weißes Kleid, und das volle kastanienbraune Haar hing ihr offen über die Schultern.

Als die anderen aus dem Zimmer gingen, sagte sie:»Sie sind mir willkommen, Captain. «Ihre Augen richteten sich auf seinen leeren

Ärmel.»Ich hörte von meinem Bruder, was geschehen ist. Es muß schrecklich gewesen sein.»

«Er hat sich gut gehalten, Miss Seton«, sagte Bolitho gepreßt.»Seine eigene Verwundung wäre auch für einen alten Seemann schlimm genug gewesen.»

Doch schien sie das gar nicht zu hören.»Als ich ihn mit seinem verbundenen Arm sah, glaubte ich, daß ich Sie hasse. Er ist doch noch ein Knabe und für so ein Leben überhaupt nicht geeignet. «Ihre Augen schimmerten im Licht der Sonne so grün wie das Wasser unten.»Diese Reaktion ist für eine Schwester wohl ganz natürlich. Aber als ich ihn reden hörte, wurde mir klar, daß er sich verändert hat. Mein Gott, und wie er sich verändert hat!«Sie blickte ihm voll ins Gesicht.»Er spricht überhaupt nur von Ihnen. Wußten Sie das?»