Prilicla zitterte heftig. „Wenn der vernunftbegabte Überlebende telepathischen Kontakt mit uns herzustellen versucht, dann bemüht er sich mit äußerster Anstrengung darum, mein Freund“, sagte er. „Er ist völlig verzweifelt.“

„Das kann ich verstehen, wenn ein FSOJ in seiner Nähe ist, dessen Zustand sich rasch verbessert“, bemerkte Fletcher. „Aber was sollen wir denn tun, Doktor?“

Conway bemühte sich verzweifelt, seinem schmerzenden Kopf eine Antwort abzuringen, bevor den überlebenden Alien das gleiche Schicksal wie seine Besatzungskollegen ereilen würde. „Wenn wir bloß konzentriert an irgendeine Gemeinsamkeit zwischen uns und dem Alien denken könnten“, sagte er. „Wir könnten selbst versuchen, an die blinden Aliens zu denken.“ Er wies mit der Hand auf die Seziertische. „Nur haben wir wahrscheinlich nicht genügend Kontrolle über die Gedanken, um sie uns lebendig und als Ganzes vorzustellen. Es ist für den Überlebenden nämlich nicht gerade eine Beruhigung, wenn wir sie uns — und sei es noch so kurz — als sezierte Leichen vorstellen. Am besten, wir betrachten den FSOJ und denken an ihn. Da es sich um ein Nutztier handelt, sollte es den Alien nicht stören, wenn wir den FSOJ in kleine Stückchen zerschnitten sehen, spüren, empfinden oder was auch immer.

Ich möchte, daß Sie sich alle in Gedanken auf den FSOJ konzentrieren“, fuhr er fort und blickte sie der Reihe nach an. „Konzentrieren Sie sich stark, und bemühen Sie sich gleichzeitig, ein Gefühl der Hilfsbereitschaft zu vermitteln. Dabei kann möglicherweise ein wenig körperliches Unbehagen auftreten, was aber auf keinen Fall schädliche Nachwirkungen haben wird.

So, denken sie jetzt an den FSOJ, und zwar angestrengt…!“

Sie starrten schweigend auf den zum Teil zerstückelten FSOJ und dachten an ihn. Prilicla zitterte heftig, und mit dem die Gefühle widerspiegelnden Fell von Naydrad gingen wahrhaft seltsame Dinge vor.

Murchisons Gesicht war kreideweiß, die Lippen hatte sie fest zusammengepreßt, Fletcher schwitzte vor Anstrengung.

„Ein wenig körperliches Unbehagen, hat er gesagt“, murmelte der Captain.

„Für einen Arzt kann körperliches Unbehagen alles bedeuten, Captain — vom verstauchten Fuß bis zum Gebratenwerden in siedendem Öl“, entgegnete Murchison mit nur kurzzeitig geöffneten Zähnen.

„Hört endlich auf zu reden!“ fuhr Conway die beiden an. „Konzentriert euch!“

Sein Kopf fühlte sich an, als könne er das schmerzende Gehirn nicht länger fassen, und im Schädel spürte er einen immer heftigeren Juckreiz — eine Empfindung, die er nur einmal vorher in seinem Leben gehabt hatte.

Als der Captain gequält aufstöhnte und sich einen Finger aufs Ohr drückte, warf Conway ihm einen kurzen Blick zu. Und auf einmal hatten sie Kontakt. Es war eine schwache, nicht ausgesprochene, aus dem Nichts kommende Mitteilung, die aber trotzdem als leise zu vernehmende Wörter, die sowohl eine Aussage als auch eine Frage formulierten, in ihren Gehirnen vorhanden war.

„Sie denken an meinen Beschützer.“

Jeder blickte den anderen an und fragte sich offensichtlich, ob sie alle die gleichen Worte gehört, gespürt und empfunden hatten. Fletcher stieß den Atem wie einen explosionsartigen Seufzer der Erleichterung aus und fragte: „Ein… ein Beschützer?“

„Mit solchen natürlichen Waffen“, entgegnete Murchison, wobei sie auf die mit Hornspitzen versehenen Tentakel und den Knochenpanzer des FSOJ deutete, „verfügt er für so eine Aufgabe auf jeden Fall über die passende Ausrüstung.“

„Ich verstehe nicht, warum die blinden Aliens Beschützer brauchen, wo sie doch für den Bau von Raumschiffen in technologischer Hinsicht fortgeschritten genug sind“, wunderte sich Naydrad.

„Vielleicht haben sie auf dem Heimatplaneten natürliche Feinde, mit denen sie nicht fertig werden…“, setzte Fletcher zu einer Erklärung an.

„Später, später“, unterbrach ihn Conway in scharfem Ton und beendete damit den Beginn einer Diskussion, die zwar interessant, aber zeitraubend zu werden versprach. „Wir können das später besprechen, wenn wir mehr Informationen besitzen. Jetzt müssen wir erst einmal zum Alienschiff zurück.

Diese Entfernung ist nämlich für den gedanklichen Kontakt mit Nichttelepathen wie uns bestimmt die äußerste Reichweite, und deshalb müssen wir so nah wie möglich an den Alien heran. Und diesmal werden wir ihn retten…“

Mit Ausnahme des Captains blieb das nichtmedizinische Personal an Bord der Rhabwar. Denn man hielt Haslam, Chen oder Dodds für keine besondere Hilfe, jedenfalls so lange nicht, bis man sie zum Aufschweißen des Alienschiffs benötigte. Außerdem könnten drei zusätzliche, nicht vollständig über den Stand der Dinge aufgeklärte Gehirne durch konfuse Gedankengänge dem überlebenden Telepathen die Kommunikation mit den anderen nur erschweren. Obwohl diese nach Conways Dafürhalten auch nicht viel weniger verwirrt waren als die Besatzungsmitglieder.

Falls die Telepathie nicht funktionieren sollte, postierte sich Prilicla zur Überwachung der emotionalen Ausstrahlung wiederum nah am Rumpf.

Fletcher führte einen Hochleistungsschneidbrenner mit sich, um — wenn nötig — schnellstens den Druck aus dem Alienschiff abzulassen und den vermeintlichen Beschützer zu töten, und Naydrad bezog mit der Drucktragbahre außen vor der Luftschleuse Stellung. Denn trotz der allgemein vorherrschenden Überzeugung, der blinde Alien könne einen Druckverlust weit ungefährdeter als der FSOJ durchstehen, würden Conway und Murchison ihn für den Fall einer notwendigen medizinischen Behandlung in der Drucktragbahre aus dem Schiff bergen müssen.

Ihre Köpfe fühlten sich immer noch so an, als ob jemand einen neurochirurgischen Radikaleingriff vornähme, ohne die segensreiche Erfindung der Narkose anzuwenden. Seit der nur wenige Sekunden dauernden Kommunikation an Bord der Rhabwar hatte sich außer eigenen Gedanken und den unerträglichen, juckenden Kopfschmerzen nichts in ihren Gehirnen abgespielt, und das änderte sich auch nicht, als Murchison, Fletcher und Conway die Luftschleuse betraten. Der gleich nach dem Öffnen der Innenluke einsetzende Lärm des wie ein Alienschlagzeug stampfenden und quietschenden Mechanismus im Käfiggang trug auch nicht gerade zur Milderung der Kopfschmerzen bei.

„Versucht diesmal, an den Alien zu denken“, bat Conway, als sie durch den geraden Teil des Korridors ins Schiff vordrangen. „Denkt daran, ihm zu helfen. Fragt ihn, wer und was er ist, denn wenn wir dem Überlebenden helfen wollen, müssen wir über diese Spezies soviel wie möglich in Erfahrung bringen.“

Sogar beim Sprechen spürte Conway, daß irgend etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Er hatte zunehmend das starke Gefühl, es würde etwas Furchtbares passieren, wenn er nicht stehenblieb und sorgfältig nachdachte. Aber durch die immer heftigeren, juckenden Kopfschmerzen war es schwierig, überhaupt noch an etwas zu denken.

Meinen Beschützer hatte der Telepath auf dem Schiff den FSOJ genannt. Sie denken an meinen Beschützer. Irgend etwas hatte er übersehen. Aber was…?

„Freund Conway“, sagte Prilicla plötzlich. „Beide Überlebende kommen durch den Käfiggang auf Sie zu. Die beiden kommen sehr schnell voran.“

Murchison, Fletcher und Conway blickten den Käfiggang mit dem klappernden und kreischenden Wald aus umherfuchtelnden Metallkeulen entlang. Der Captain machte den Schneidbrenner bereit und fragte: „Prilicla, können Sie sagen, ob der FSOJ dem Alien folgt?“

„Tut mir leid, Freund Fletcher“, antwortete Prilicla. „Die beiden sind dicht zusammen. Das eine Wesen strahlt Wut und Schmerz aus, und das zweite empfindet äußerste Besorgnis, Enttäuschung und die mit höchster Konzentration verbundene Emotion.“

„Das ist ja furchtbar!“ schrie Fletcher über den plötzlich zunehmenden Lärm des Mechanismus im Gang hinweg. „Wir müssen den FSOJ töten, um den Alien zu retten. Ich werde den Gang zum All hin öffnen…“

„Nein, warten Sie!“ rief Conway in eindringlichem Ton. „Wir haben das Ganze noch nicht genügend durchdacht. Über die FSOJs, die Beschützer, wissen wir noch überhaupt nichts. Denken wir nach. Konzentrieren wir uns zusammen. Wir müssen uns fragen: Wer sind diese Beschützer? Wen beschützen sie und warum? Was macht sie für die Aliens so wertvoll? Der Überlebende hat uns schon mal geantwortet und antwortet uns vielleicht noch einmal. Konzentrieren wir uns also mit aller Anstrengung!“