Zu Haslam sagte er: „Na schön. Haben Sie sonst noch etwas zu berichten?“

„Na ja, Sir“, antwortete Haslam zögernd. „Wahrscheinlich hat das nichts zu besagen, aber wir haben ebenfalls Kopfschmerzen.“

Während Fletcher und Conway über die Kopfschmerzen der beiden Offiziere der Rhabwar nachdachten, herrschte ein langes Schweigen. Chen und Haslam waren die ganze Zeit über außerhalb des Schiffs geblieben, hatten die Außenhaut nur selten berührt und auch dann bloß mit den magnetischen Stiefeln und Handschuhen. Und die besaßen ein dickes, weiches und isolierendes Futter, das mechanische Schwingungen absorbierte. Außerdem pflanzt sich in einem Vakuum kein Schall fort.

Conway fiel keine einzige Erklärung für die Kopfschmerzen der beiden Männer ein, aber der Captain war erfolgreicher.

„Dodds“, wandte sich Fletcher plötzlich an den auf der Rhabwar zurückgelassenen Offizier. „Führen Sie noch einmal eine Sensorüberprüfung der vom Schiff ausgehenden Strahlung durch. Vielleicht existiert sie erst, seitdem ich die Knöpfe gedrückt hab. Suchen Sie auch nach möglicherweise schädlicher Strahlung vom nahen Sternhaufen.“

Conway nickte anerkennend, was Fletcher allerdings nicht bemerkte.

Selbst flach auf dem Rücken liegend, mit hämmernden Kopfschmerzen, die das Denken fast unmöglich machten, und mit einem Arm, der unsichtbar in einem völlig unbekannten Steuerpult steckte und durch eine unbedachte Berührung alles vom Ausschalten des Lichts bis zu einem außerplanmäßigen Sprung in den Hyperraum auslösen konnte, leistete der Captain ausgezeichnete Arbeit. Aber laut Dodds zeigten die Meßwerte der Sensoren keine Spur von schädlicher Strahlung, weder von dem Alienschiff noch von dem Sternhaufen ausgehend. Conway und Fletcher dachten immer noch über diese Tatsache nach, als das Schweigen durch die schüchterne Stimme Priliclas unterbrochen wurde.

„Freund Conway“, meldete sich der Empath, „ich hab mit dieser Mitteilung gewartet, bis ich mir meiner Empfindungen absolut sicher war, aber jetzt kann es keinen Zweifel mehr geben. Der Zustand beider Überlebender verbessert sich zusehends.“

„Danke, Prilicla“, erwiderte Conway. „Das verschafft uns mehr Zeit, über eine Rettungsmöglichkeit nachzudenken.“ An Fletcher gewandt fügte er hinzu: „Aber warum diese plötzliche Besserung?“

Der Captain blickte in den Käfiggang und auf die wild stampfenden und fuchtelnden Metallwucherungen und antwortete: „Könnte das irgend etwas damit zu tun haben?“

„Keine Ahnung“, entgegnete Conway, wobei er wegen der gestiegenen Chancen für eine erfolgreiche Rettung erleichtert lächelte. „Aber allein dieses Geräusch kann sicherlich sogar Tote wieder zum Leben erwecken.“

Fletcher sah ihn mißbilligend an, da er ganz offensichtlich außerstande war, sowohl an der Bemerkung als auch an den Umständen irgend etwas komisch zu finden. Äußerst ernsthaft entgegnete er: „Ich hab sämtliche erreichbare flache Kippschalter zweimal überprüft. Diese Schalterform ist die einzige, die sich für die kurzen Fühler der blinden Aliens eignet, denn als Greiforgan können die Fühler nicht genügend Druck und Hebelkraft ausüben. Aber ich hab etwas gefunden, das sich wie ein mehrere Zentimeter langer Hebel mit einem auf der Spitze stehenden Kegel als Griff anfühlt. Der Kegel ist hohl, wahrscheinlich paßt die Stachel- oder Hornspitze der blinden Aliens genau hinein. Der Hebel steht im Fünfundvierzig-Grad-Winkel zum Befestigungspunkt — das ist der obere Anschlag. Ich bin fest entschlossen, ihn nach unten zu legen.

Vorher sollten wir aber lieber die Helme schließen, falls etwas Unheilvolles passiert“, fügte Fletcher noch hinzu. Dann klappte er das Helmvisier herunter und zog den vorhin zum Tasten abgestreiften Handschuh wieder an. Dann griff er ohne zu zögern in die Öffnung.

Offenbar wußte er genau, wohin er mit der Hand greifen mußte.

Urplötzlich erstarb im Käfiggang jegliche mechanische Tätigkeit. Es herrschte so vollkommene Stille, daß Conway schon beim Geräusch eines an der Außenhülle schabenden Fußmagneten zusammenfuhr. Als Fletcher wieder aufstand und das Visier öffnete, lächelte er.

„Die Überlebenden befinden sich am anderen Ende dieses Gangs, Doktor“, berichtete er und fügte noch hinzu: „Falls wir bis dorthin kommen können.“

Doch es stellte sich als vollkommen unmöglich heraus, sich durch das Dickicht aus vorspringenden Metallstangen und — stäben hindurchzuwinden.

Selbst als es der Captain ohne Raumanzug versuchte, bestand der einzige Erfolg in einer Unmenge Schnittwunden und Hautabschürfungen. Enttäuscht zog Fletcher wieder den Anzug an und ging mit dem Schneidbrenner gegen die Metallstäbe vor. Aber das Metall war äußerst widerstandsfähig, und bei jeder einzelnen Metallstange waren zum Abtrennen mehrere Sekunden höchster Brennerleistung erforderlich. Es seien so viele Stangen, daß er sich wie beim Jäten eines Metallgartens vorkäme, bemerkte Fletcher verärgert, wobei er immer einen ›Stengel‹ nach dem anderen entfernte. Er hatte noch nicht einmal zwei Meter des Käfiggangs freigelegt, als sie wegen der großen Hitzeentwicklung zum Rückzug zur Luftschleuse gezwungen waren.

„Das bringt nichts“, stellte Fletcher fest. „Wir können uns zwar bis zu den Überlebenden durchschweißen, aber nur in kurzen Etappen, zwischen denen wir zur Ableitung der überschüssigen Hitze durch die Schiffskonstruktion und die anschließende Abstrahlung ins All lange Pausen einlegen müssen. Außerdem besteht die Gefahr, daß durch die Hitze möglicherweise die Isolierungen einiger Energiesteuerungsschaltkreise schmelzen, und das hätte unabsehbare Folgen.“

Er schlug mit der Faust so heftig gegen die Wand neben sich, daß es fast einem Wutausbruch gleichkam, und fuhr fort: „Den Nährboden aus den Lagerräumen zu schaffen wäre ebenfalls eine langwierige Arbeit, da man die Erde eimerweise von den Lagerräumen in den Gang, zur Schleuse und nach draußen bringen müßte. Und wir haben noch nicht einmal eine Vorstellung davon, welche Konstruktionsprobleme danach in den Lagerräumen entstehen. Ich glaube langsam, die einzige Möglichkeit ist das Hineinschweißen von außen. Aber da tauchen dann natürlich wieder neue Schwierigkeiten auf…“

Beim Schweißen durch den Doppelrumpf des Schiffs zu den Überlebenden würde nämlich ebenfalls eine Menge Hitze entstehen, besonders im Innern der transportablen Luftschleuse, die sie zur Verhütung eines versehentlich ausgelösten Druckverlusts im Schiff einsetzen müßten.

Auch bei dieser Vorgehensweise müßten wiederum lange Pausen zum Abzug der Hitze eingelegt werden, obwohl die Abkühlungsphase kürzer sein würde, da man ja bereits auf der Außenhaut wäre. Es gab aber außerdem das Problem des Zerschneidens der mechanischen Gestänge zwischen den in den Gang ragenden Stangen und Kolben. Denn dadurch würde im Schiff selbst große Hitze entstehen, die auf die Überlebenden nachteilige Auswirkungen haben könnte. Der einzige Vorteil dieser Vorgehensweise bestand in der Vermeidung des Risikos, von den Metallstangen zu Tode gestampft zu werden, wenn sich das System durch die Schweißarbeiten von selbst anschaltete… „… und übrigens, Doktor“, fügte Fletcher hinzu, wobei er seinen Vortragston abgelegt hatte, „meine Kopfschmerzen lassen langsam nach.“

Conway teilte ihm gerade mit, daß auch seine Kopfschmerzen allmählich verschwinden würden, als Prilicla das Gespräch unterbrach. „Freund Fletcher“, sagte er, „ich hab die emotionale Ausstrahlung der Überlebenden beobachtet, seit Sie den Mechanismus im Käfiggang abgeschaltet haben. Der Zustand der Überlebenden hat sich seitdem wieder ständig verschlechtert, und jetzt befinden sie sich in ähnlicher Verfassung wie bei unserer Ankunft, vielleicht hat sich ihr Zustand sogar noch mehr verschlechtert. Wir könnten sie leicht verlieren.“

„Das… das ergibt doch keinen Sinn!“ fluchte Fletcher und blickte Conway ratlos an.

Conway konnte sich lebhaft vorstellen, wie sehr Prilicla wegen Fletchers Wutausbruch und der damit einhergehenden emotionalen Ausstrahlung in seinem Raumanzug jetzt zittern mußte. Er konnte sich allerdings kaum einen Begriff von der Überwindung machen, die es den kleinen Empathen gekostet haben mußte, so zu sprechen, wie er es getan hatte, da Prilicla bei einer Meinungsverschiedenheit mit einem anderen Lebewesen intensive Schmerzen empfand.