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Al-Khalifa setzte den Emir, der noch immer seine Augenbinde trug, auf den Passagiersitz des Hubschraubers, dann verriegelte er von außen die Tür. Auf der Innenseite hatte er den Türgriff entfernt, so dass der Emir keine Chance hatte, aus der Maschine zu flüchten. Dann umrundete Al-Khalifa den Hubschrauber, schlängelte sich in den Pilotensessel und steckte den Schlüssel ins Zündschloss. Während er abwartete, dass die Zündkerzen aufheizten, betrachtete er seinen Gefangenen.

»Wissen Sie, wer ich bin?«, fragte er.

Der Emir, immer noch die Binde vor den Augen und den Mund zugeklebt, nickte bejahend.

»Gut«, sagte Al-Khalifa, »dann haben wir eine kleine Reise vor uns.«

Er drehte den Zündschlüssel und wartete, bis die Turbinen, die die Rotoren antrieben, genügend Auftrieb erzeugten. Dann zog er den zentralen Steuerknüppel nach hinten und ließ den Kawasaki aufsteigen. Sobald der Hubschrauber gut drei Meter über dem Schnee schwebte, schob er den Steuerknüppel nach vorne. Der Kawasaki folgte diesem Befehl gehorsam, stieg ein Stück höher und schwang sich dann über das Meer hinaus. Während er den Helikopter im Niedrigflug hielt, so dass er mit den steilen Wänden des Fjords verschmolz, warf Al-Khalifa einen letzten Blick in Richtung Reykjavik.

»Hier enden die Spuren«, stellte Cliff Hornsby fest und blickte aus der offenen Tür des Geländewagens hinunter auf den Schnee.

Monica Crabtree sah durchs Seitenfenster hinaus.

»Dort«, sagte sie und streckte eine Hand aus. »Offensichtlich ein künstlich angelegter Weg.«

Hornsby betrachtete skeptisch die schmale Spur. »Der Schnee ist viel zu weich. Wir bleiben bloß darin stecken.«

Nachdem sie die Oregon gerufen und ihre weiteren Pläne skizziert hatten, setzten Hornsby und Monica Crabtree die Verfolgung der Spur zu Fuß fort. Gleichzeitig wurde George Adams von der Oregon mit dem Robinson-Hubschrauber der Corporation losgeschickt. Hornsby und Monica Crabtree fanden das BMW-Motorrad etwa zehn Minuten später. Als Adams über ihnen erschien, hatten sie sich bereits zusammengereimt, was geschehen sein musste. Sie meldeten sich per Sprechfunk bei ihm.

»Wir haben eine Stelle gefunden, wo der lose Schnee wahrscheinlich von einem Rotor weggeblasen wurde«, berichtete Hornsby.

»Ich halte Ausschau nach einem weiteren Hubschrauber«, gab Adams daraufhin durch.

Er entfernte sich so weit von Reykjavik, wie der Inhalt seines Treibstofftanks es erlaubte, einen anderen Helikopter entdeckte er aber nicht. Der Emir war verschwunden, als hätte ihn die Hand eines Riesen vom Antlitz der Erde gewischt.

14

Juan Cabrillo lenkte die Schneekatze durch die Dunkelheit, während die Lampen auf ihrem Dach einen schmalen Weg durch dieses Meer aus Weiß schnitten. Fünf Stunden und achtzig Kilometer nördlich von Kulusuk gewöhnte er sich allmählich an seine Situation. Die Geräusche, die die Pistenraupe von sich gab, waren ihm anfangs chaotisch vorgekommen, und er hatte sie nicht voneinander unterscheiden können. Doch nun entwickelten sie eine eigene Identität. Er konnte das Pulsieren des Motors spüren, hörte das Rumpeln der Ketten und das Ächzen des Fahrgestells. Und er orientierte sich an diesen Geräuschen, um sein Vordringen zu berechnen. Sie verrieten ihm, ebenso wie die Vibrationen, wenn die Schneekatze bergauf fuhr. Das Rumpeln oder Quietschen der Ketten deutete auf die Art von Oberfläche hin, auf der der Raupenschlepper jeweils gerade unterwegs war.

Nach und nach verschmolz Cabrillo mit seinem Fahrzeug.

Zwanzig Minuten zuvor hatte er die Pistenraupe zum ersten Mal auf den massiven Eispanzer gelenkt, der den größten Teil Grönlands bedeckte. Nun, indem er sich an Campbells Landkarten und detaillierte Hinweise hielt, bugsierte er die Thiokol Spryte durch eine ganze Reihe mit Eis angefüllter Senken. Wenn alles nach Plan ging, würde er den Mount Forel etwa um die isländische Frühstückszeit erreichen. Dann konnte er sich den Meteoriten holen, ihn in seine Schneekatze laden, nach Kulusuk zurückfahren und sich dort mitsamt der Kugel vom Hubschrauber der Oregon abholen lassen. In ein paar Tagen hätten sie ihr Honorar auf dem Konto, und alles wäre vorbei und erledigt.

Zumindest war es so geplant — kurze Anfahrt, Auftrag ausführen und ab nach Hause.

Cabrillo spürte, wie das vordere Ende des Raupenfahrzeugs plötzlich leichter wurde, und schaltete die Ketten gerade noch rechtzeitig auf Rückwärtsfahrt. Die Thiokol blieb auf der Stelle stehen, dann setzte sie unter lautem Motorenlärm schnell zurück. Seit dem Start in Kulusuk war die Fahrt reibungslos verlaufen. Dennoch ließ sich eine derartig unwirtliche Wildnis nur höchst selten so problemlos durchqueren, und hätte Cabrillo nicht sofort angehalten und wäre rückwärts gefahren, so wären er und die Thiokol nur wenige Sekunden später auf dem Grund einer breiten Spalte im Eis gelandet.

Sobald er sich in sicherer Entfernung von der Spalte befand, schlüpfte Cabrillo in seinen Parka und kletterte aus dem Führerhaus. Er streckte sich und justierte die Lampen, dann ging er ein Stück in Fahrtrichtung und blickte in die Schlucht. Die massiven Eiswände schimmerten im Licht der Lampen blau und grün.

Während er den gegenüberliegenden Rand ins Auge fasste, schätzte er die Breite der Spalte auf vier Meter. Wie tief sie war, bis die Seitenwände zusammenliefen und sich schlossen, ließ sich in dieser Position nicht entscheiden. Er zog die Kapuze seines Parka zum Schutz vor dem heulenden Wind zu. Nur ein paar Schritte weiter, und die Schneekatze wäre in die Schlucht gekippt und abgestürzt, bis die Spalte zu eng geworden und sie kopfüber zwischen den Eiswänden eingeklemmt worden wäre. Selbst wenn Cabrillo den Absturz überlebt hätte, wäre sein Schicksal wahrscheinlich besiegelt gewesen, da er nicht aus dem Führerhaus herausgekommen wäre. Er wäre erfroren, ehe ihn jemand hätte finden geschweige denn retten können.

Während ihn diese Erkenntnis erschauern ließ, ging Cabrillo zur Thiokol zurück, kletterte ins Führerhaus und sah auf die Uhr. Es war jetzt fünf Uhr morgens, doch immer noch so dunkel wie den ganzen Abend zuvor. Er zog die Landkarte zu Rate, dann nahm er seinen Stechzirkel zur Hand und maß die Entfernung bis zum Mount Forel. Gut fünfzig Kilometer und drei Stunden Fahrt lagen noch vor ihm. Er ergriff das Satellitentelefon und wählte Campbells Nummer. Zu seiner Überraschung brauchte er nur einen einzigen Rufton lang zu warten.

»Ja, was ist?«, fragte Woody Campbell mit klarer, deutlicher und wacher Stimme.

»Ich wäre gerade beinahe in einer Spalte gelandet.«

»Geben Sie mir Ihre GPS-Zahlen«, verlangte Campbell.

Cabrillo las sie laut ab und wartete, während sich Campbell mit seiner Landkarte von Kulusuk beschäftigte.

»Sieht so aus, als seien Sie vor etwa zwei Kilometern falsch abgebogen«, erklärte er ihm, »und zwar sind Sie nach links statt nach rechts gefahren. Sie stehen jetzt vor dem Nunuk-Gletscher. Kehren Sie um und folgen Sie dem Rand des Gletschers. Dabei überqueren sie eine kleine Anhöhe und erreichen dann tiefer gelegenes Gelände. Von dort aus sollten Sie den Forel sehen können, wenn es draußen klar und nicht stockdunkel wäre.«

»Sind Sie sicher?«, fragte Cabrillo.

»Hundert pro. Ich war früher schon mal in der Schlucht — das ist eine Sackgasse.«

»Etwa zwei Kilometer zurück und dann nach links«, rekapitulierte Cabrillo.

»Für Sie bedeutet es, nach rechts abzubiegen«, korrigierte Campbell eilig, »Sie haben nämlich die Richtung geändert.«

»Und dann folge ich dem Gletscherrand?«

»Ja, aber im Augenblick, während Sie ohnehin stehen, sollten Sie aussteigen und die Lampe auf der Fahrerseite zur Seite drehen. Auf diese Weise können Sie den Gletscherrand ständig beobachten, sobald Sie ihn erreichen. Wenn das Licht reflektiert wird, sieht es aus wie Jade oder Saphire — schauen Sie gelegentlich dorthin, um abzuschätzen, wie weit Sie gekommen sind. Sobald der Gletscherrand zurückweicht, erreichen Sie einen Bergrücken, und danach geht es wieder abwärts. Das bedeutet gleichzeitig, dass Sie den Nunuk-Gletscher hinter sich lassen. Danach haben Sie die Flanke des Mount Forel vor sich. Sie ist ziemlich steil, aber die Thiokol schafft den Aufstieg — ich bin’s mit dem guten Stück früher schon mal gefahren.«