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Campbell wartete im Rahmen der Hintertür seines Hauses, bis die Lichter der Schneekatze in der Dunkelheit verschwanden. Dann kehrte er ins Haus zurück und schenkte sich eine sparsam bemessene Portion Whiskey ein. Er musste die Dämonen in sich beruhigen, die schon jetzt damit begannen, ihr wahres Gesicht zu zeigen.

Cabrillo spürte, wie sich der Sicherheitsgurt um seine Hüften spannte, als die Raupe die Bergflanke hinunterglitt und die weite ebene Eisfläche erreichte, die die Verbindung zum Festland darstellte. Als die Schneekatze ihre Fahrt bergab beendete und die letzten Meter schneebedeckten steinigen Untergrundes bis zum zugefrorenen Meeresarm überwand, hatte er das deutliche Gefühl, dass sich seine Blase krampfartig zusammenzog. Unter dem Eis, nicht allzu weit entfernt, warteten gut dreihundert Meter eisiges Wasser und ein felsiger Meeresboden.

Falls die Schneekatze auf eine dünne Stelle geriet und er mit dem Fahrzeug einbrach, hätte er nur noch wenige Sekunden zu leben.

Indem er diese Vorstellung schnellstens verdrängte, trat Cabrillo aufs Gaspedal.

Die Ketten der Schneekatze fraßen sich in den Rand der Eisfläche, dann zogen sie das gesamte Fahrzeug auf die spiegelglatte Piste. Das Licht der Dachlampen illuminierte das Schneetreiben, während das Fahrzeug übers Eis ratterte. Der heftige Wind animierte die Schneeflocken zu einem wilden Tanz in den Lichtkegeln, so dass es völlig unmöglich wurde, Entfernungen zu schätzen.

Cabrillo befand sich in einer Welt ohne Zeit und räumliche Dimensionen.

Fast jeder andere hätte es mit der Angst zu tun bekommen und daran gedacht umzukehren …

12

In Reykjavik hatte Max Hanley an Bord der Oregon alle Hände voll zu tun. Der arabische Friedensgipfel ging dem Ende entgegen, und sobald die Konferenzen am nächsten Tag abgeschlossen wären, stiege der Emir in seine 737 und die Verantwortung für seine Sicherheit ginge wieder auf seine eigenen Leute über.

Bislang war die Operation reibungslos verlaufen. Der Emir hatte sich bei nahezu unsichtbarer Präsenz seines Personenschutzes frei in Island bewegen können. Die verschiedenen Teams der Corporation beherrschten die Fähigkeit, mit der Umgebung zu verschmelzen, geradezu meisterlich. An diesem Tag, nach Beendigung der Konferenzen und Gespräche, hatte der Emir den Wunsch geäußert, die Blaue Lagune zu besuchen, den Teich einer natürlichen heißen Quelle, der angelegt worden war, als ein neues geothermales Elektrizitätswerk gebaut wurde. An diesem Ort ergoss sich Wasser, mit Mineralien stark angereichert, über große Flächen vulkanischen Gesteins und bildete in der herrschenden Kälte unter freiem Himmel eine Oase der Wärme. Dampf, der von dem heiß aus der Erde strömenden Wasser aufstieg, bildete weiße Wolken — wie in einem Dampfbad. Die Menschen, die im Wasser badeten, erschienen und verschwanden wie Geister auf einem nebelverhangenen Friedhof.

Sechs Angehörige des Teams der Corporation hatten sich in der Nähe im Wasser aufgehalten, während sich der Emir in den warmen Fluten aalte.

Ein paar Minuten zuvor hatte Max Hanley die Meldung erhalten, dass der Emir sich im Umkleideraum umzog. Nun war Hanley dabei, die beiden Eskorten zu koordinieren, die die Ausflügler zum Hotel des Emirs bringen sollten.

»Hat der Austausch geklappt?«, wollte Hanley von Eddie Seng per Satellitentelefon wissen.

»Einer rein«, antwortete dieser, »einer raus. Niemand konnte was mitkriegen.«

»Das sollte uns den Gegner vom Hals halten«, sagte Hanley.

»Es ging so glatt wie ein Babypo«, bestätigte Eddie Seng.

»Sorg dafür, dass die beiden Karawanen im Abstand von ein paar Minuten eintreffen«, sagte Hanley, »und benutze den Hintereingang.«

»Du kannst dich drauf verlassen«, sagte Seng, ehe er die Verbindung unterbrach.

»Hast du alle Vorbereitungen getroffen?«, wollte Hanley von Julia Huxley, der Ärztin der Oregon, wissen, während sie den Kontrollraum betrat.

»Die Entgiftungsklinik befindet sich in Estes Park, Colorado«, entgegnete Julia Huxley. »Ich habe eigens eine isländische Krankenschwester engagiert, die hervorragend Englisch spricht und ihn auf dem Flug nach New York und später nach Denver begleiten soll. Ein Transporter der Klinik holt ihn dann in Denver ab. Er braucht lediglich von Kulusuk nach Reykjavik allein zu fliegen. Ich habe dem Piloten Bescheid gesagt und ein paar Libriumtabletten am Flughafen hinterlegen lassen, damit er sie ihm verabreicht. Das sollte unser Baby eigentlich beruhigen und seine Krämpfe lindern, bis die Krankenschwester ihn in ihre Obhut übernimmt.«

»Gute Arbeit«, lobte Hanley. »Wir lassen das Projekt anrollen, sobald uns Juan sein Okay gibt.«

»Was die zweite Angelegenheit betrifft«, sagte Julia Huxley, »soll sich Juan vor Strahlung in Acht nehmen, wenn er sich dem Meteoriten nähert. Ich habe Kaliumjodid an Bord, das wir ihm geben können, wenn wir uns wiedersehen, aber je mehr Distanz er zu dem Objekt einhält, desto besser für ihn.«

»Er hat die Absicht, den Gegenstand in Plastikfolie und in eine alte Decke einzuwickeln und ihn dann in eine Stahlkiste auf der Ladefläche der Schneekatze zu legen.«

»Das ist völlig okay«, sagte Julia Huxley. »Er sollte vor allem aufpassen, nicht irgendwelchen Staub einzuatmen.«

»Wir gehen davon aus, dass es keinen Staub gibt — auf dem Foto sieht das Ding wie eine riesige Kugellagerkugel aus. Was an Staub daran haftete, dürfte beim Eintritt in die Erdatmosphäre verglüht sein. Daher sollte Cabrillo keinen Schaden nehmen, solange er nicht allzu engen Kontakt zu der Kugel hat und über längere Zeit ihrer Strahlung ausgesetzt ist.«

»Das ist richtig«, pflichtete ihm Julia Huxley bei.

Sie machte Anstalten zu gehen, stoppte jedoch an der Tür.

»Max?«, sagte sie zu Hanley.

»Ja, Julia, was ist?«

»Ich weiß nicht, ob du schon mal jemanden gesehen hast, der Strahlenschäden davontrug«, sagte sie leise. »Der Anblick ist nicht besonders schön. Mach Juan bloß mit allem Nachdruck klar, dass er den Meteoriten so weit wie möglich von sich fern halten soll.«

»Ich werde es ihm ausrichten«, versprach Hanley.

13

Aleimein Al-Khalifa las das Fax ein zweites Mal, dann schob er die Papierblätter in eine Plastikhülle, um das Bild zu schützen. Der Preis, den die Hammadi-Gruppe für diese Information hatte zahlen müssen, bestand aus Gold im Wert von einer Million englischer Pfund. Wie viel Geldgier und Habsucht die Menschen an den Tag legen können, verblüffte Al-Khalifa immer wieder aufs Neue — für den richtigen Preis würden die meisten Menschen ihr Vaterland, ihren zukünftigen Lebensunterhalt, ja, sogar ihren Gott verkaufen. Darin unterschied sich auch der Insider bei Echelon nicht. Eine Masse Spielschulden und schlechte finanzielle Planung hatten ihn in eine Position der Abhängigkeit lanciert, die man leicht ausnutzen konnte. Behutsam platzierte Verlockungen und eine zunehmende großzügigere Entlohnung für seinen Verrat hatten ihn unter die Kontrolle der Hammadi-Gruppe gebracht.

Und jetzt, nach zwei Jahren, hatte der Mann einen Jackpot anzubieten.

Das Problem war lediglich, dass Al-Khalifas Tisch im Augenblick reichlich gedeckt war. Er wandte sich an den anderen Mann in der Kabine seiner Jacht.

»Allah segnet alle Gläubigen.«

Salmain Esky lächelte und nickte zustimmend. »Es scheint, als sei ein Gebet erhört worden«, pflichtete er seinem Gegenüber bei, »obwohl dies ausgerechnet in einer Zeit des Überflusses geschieht.«

Al-Khalifa sah ihn an. Esky war klein, knapp über eins fünfzig groß und dünn wie eine Vogelscheuche. Im Jemen geboren, hatte er dunkle, trockene Haut, ein fliehendes Kinn und einen Mund voller winziger spitzer Zähne, die mit gelben und braunen Flecken übersät waren. Esky war ein typischer Mitläufer, nicht gerade gescheit, aber ein leidenschaftlicher Kämpfer für die jeweilige Sache, für die er sich aus welchen Gründen auch immer einsetzte. Alle Bewegungen und Interessengruppen brauchten Männer wie ihn. Sie waren die Bauern, die auf dem Spielfeld hin- und hergeschoben werden konnten. Oder das Kanonenfutter.