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Bolitho nickte.»Sie hat die Überlebenden der Snipe an Bord.»

Allday legte Ruder und sagte nichts. Es war kaum Sache eines Linienschiffkommandanten, sich in eigener Person um ein paar eventuelle Rekruten zu kümmern; es konnten auch nur eine Handvoll Männer mit dem Leben davongekommen sein. Aber er wußte aus Erfahrung: Bolitho hatte schwere Sorgen. Wenn er sich so benahm wie jetzt, sagte man besser überhaupt nichts.

Jedenfalls wartete der Kapitän der Erebus schon darauf, Bolitho zu begrüßen. Er grinste zum Willkommen über das ganze tiefgebräunte Gesicht.»Ich wollte Ihnen danken, Captain!«Lange schwenkte er Bolithos Hand wie einen Pumpenschwengel.»Sie haben mein Schiff gerettet! So was hab' ich noch nie gesehen! Als Ihre alte Hyperion dem Franzmann unterm Bugspriet durchging, da dachte ich, nun ist es passiert!»

Bolitho ließ ihn eine Weile reden und sagte dann:»Danke, Cap-tain. Aber Sie können sich wohl denken, warum ich hier bin?»

Er nickte.»Aye. Aber ich fürchte, es kommen nur sechs Mann und ein Offizier für Sie in Frage. Die drei anderen werden wohl sterben, bevor die Woche um ist. «Er brach ab und starrte Bolitho erschrocken an.»Ist Ihnen nicht wohl, Sir? Sie sind ja auf einmal ganz blaß!«Er faßte ihn beim Arm.

Bolitho machte sich frei und verfluchte die Freundlichkeit des Mannes und seine eigene Anfälligkeit für das alte Fieber. Er fühlte das Deck unter sich schwanken, als liege das Schiff draußen im Sturm und nicht im geschützten Hafen.

«Ich will wieder auf mein Schiff, Captain«, erwiderte er kurz.»Mir fehlt nichts. «Suchend sah er sich nach Allday um, denn er bekam plötzlich Angst, daß er vor dem fremden Kapitän und dessen Leuten zusammenbrechen könnte.

Es war schlimmer als sonst. Seit er Kent verlassen hatte, um nach Gibraltar zu segeln, hatte es ihn nicht so schlimm geschüttelt. Seine Gedanken drehten sich wie sein Gesichtsfeld, sogar den Kapitän der Erebus sah er nur verschwommen wie durch heiße Luft. Aber Allday war zur Stelle. Sanft und doch fest fühlte er die Hand des Bootsmanns an seinem Arm und ließ sich zur Leiter führen. Wie bei einem Blinden scharrten seine Sohlen über die Planken.

Der Kapitän rief ihm nach:»Aber der Offizier der Snipe, Sir! Soll ich ihn hinüberschicken?«Die Frage überspielte nur seine Verwirrung, denn er wußte, wenn er Bolitho seine Hilfe anbot, würde er es nur schlimmer machen.

Bolitho wollte antworten, doch der Schüttelfrost war so stark, daß er kein Wort herausbrachte. Er vernahm Alldays Knurren:»Augen ins Boot, gefälligst!«und erriet, daß seine Mannschaft ihn beobachtete.

Allday blickte zum Kapitän der Erebus auf und sagte kurz:»Schicken Sie ihn nur, Sir. Er wird bestimmt gebraucht.»

Der Kapitän nickte. Anscheinend kam ihm gar nicht zum Bewußtsein, daß ihm hier ein einfacher Bootsmann Befehle erteilte.

«Zum Schiff, Allday!«sagte Bolitho schwach.»Bringen Sie mich um Gottes willen schnell an Bord!»

Allday wickelte Bolitho in den Bootsmantel und legte ihm den Arm um die Schultern, sonst wäre Bolitho wie ein Toter von der Bank gerutscht. Allday kannte das schon; Mitleid und Zuneigung erfüllten ihn. Und wütend war er auch. Wütend über den Admiral, der Bolitho so lange aufgehalten hatte, obwohl nur ein blinder Narr übersehen konnte, daß die Seeschlacht ihre die letzten körperlichen und seelischen Reserven gekostet hatte.

«Legt ab!«bellte er.»Riemen bei, zu-gleich!«Die Riemen hoben und senkten sich.»Durchholen! Pullt wie noch nie!«Und mit einem Blick auf Bolithos verzerrtes Gesicht setzte er halb für sich selbst hinzu:»Das wenigstens könnt ihr für ihn tun!»

Langsam öffnete Bolitho die Augen und starrte zum Oberlicht am Kopfende seiner Koje empor. Wenigstens das dumpfe Brausen in seinen Ohren schien schwächer geworden zu sein; er hörte zwischendurch Schiffsgeräusche, das stetige Rauschen des Wassers an der Bordwand und ferne Stimmen.

Vorsichtig versuchte er, Arme und Beine zu bewegen, aber die unter der Matratze festgestopften Decken hielten ihn so fest, daß er stillhielt und lieber versuchte, seine Gedanken in Ordnung zu bringen. Er erinnerte sich noch daran, wie er von Bord der Erebus gegangen und in seine Gig geklettert war. Es war ihm erschienen, als käme die Gig überhaupt nicht näher an die Hyperion heran; die ganze Zeit hatte er die größte Mühe gehabt, sich in dem rollenden Boot aufrecht zuhalten; nur unbestimmt spürte er die Gegenwart der schwitzenden Rudergasten und Alldays Arm um seine Schultern.

Das Fieber hatte grausam gewütet. Manchmal umschwebten ihn Gesichter, Hände hielten ihn fest oder betteten ihn um, ohne daß er etwas dagegen tun konnte. Zwischendurch mußte er geträumt haben, um würgend und schwitzend zu erwachen, denn seine Kehle war staubtrocken und seine Zunge so dick geschwollen, daß er zu ersticken glaubte. Wach oder im tiefen Erschöpfungsschlaf, war er sich hin und wieder eines weißen Dreiecks bewußt, das er noch nie gesehen hatte. Es schien zu kommen und zu gehen wie ein Segel, nie nahe genug, um es zu identifizieren, und doch verband er in Gedanken etwas Tröstendes, Angenehmes damit.

Langsam wandte er den Kopf, spürte Schweiß auf seinem Kissen und die feuchtkalte Umarmung der Laken. Neben der Koje saß Gimlett, die Schultern vor Konzentration vorgebeugt, und beobachtete ihn. Sein Körper schien vor und zurück zu schwingen wie ein menschliches Pendel.

«Seit wann liege ich hier?«fragte Bolitho. Kaum erkannte er die eigene Stimme wieder.

Gimlett rückte sein Kissen bequemer zurecht.»Drei Tage, Sir. «Erschrocken fuhr er zurück, denn Bolitho wollte die Decken beiseitestoßen.

«Drei Tage!«Ungläubig starrte Bolitho in dem engen Gelaß umher.»Himmeldonnerwetter, ich muß aufstehen!»

Ein grimmig lächelnder Allday glitt in seinen Gesichtskreis.»Sachte, Captain! Ihnen ging's ziemlich schlecht. «Er beugte sich über ihn und steckte die Decken sogar noch fester.

In hilfloser Wut schloß Bolitho die Augen.»Verdammt noch mal, Allday! Helfen Sie mir auf! Ich befehle es Ihnen, verstanden?»

Doch Allday blieb unbeirrbar ruhig.»Tut mir leid, Captain, aber der Schiffsarzt sagt, Sie sollen liegenbleiben, bis.»

Plötzlich merkte Bolitho, daß die Koje stetig schwankte, daß Gimlett und Allday wirklich schwankten. Als er mühsam den Kopf wandte, sah er rötliche Sonnenstrahlen im Takt mit dem regelmäßigen Heben und Senken des Schiffes um das Oberlicht spielen.

«Mein Gott, wir sind auf See!«murmelte er undeutlich. Allday und Gimlett wechselten einen kurzen Blick, und Bolitho fragte rasch:»Wie hat Rooke sie aus dem Hafen bekommen?»

Allday trat so nahe heran, daß Bolitho die dunklen Schatten der Erschöpfung unter seinen Augen sehen konnte.»Ging alles klar, Captain, glauben Sie mir. «Er deutete zum offenen Fenster.»Wir ankern östlich von Cozar, unter dem maurischen Fort. Heute vormittag haben wir den Hafen verlassen — die See war so glatt wie'n Jungfernbauch!»

Aber Bolitho wollte sich nicht beruhigen. Denn in den drei Tagen, die er nutz- und hilflos in seiner Koje lag, hatte sich eine kleine Invasionsflotte segelfertig gemacht. Zu Dutzenden mußten die Signale vom Flaggschiff zu jedem Schiff im Hafen gegangen sein; und was Pomfret jetzt von ihm dachte, mochte der Himmel wissen.

«Wie spät ist es?«fragte er.

«Drei Glasen der ersten Hundewache, Captain. «Allday setzte sich auf einen Stuhl und streckte die Beine. Jetzt, da sein Kommandant dem Zugriff des Fiebers entronnen schien, war er beinahe vergnügt.»Der Admiral hat seine Order geschickt, und außerhalb dieses Schiffes weiß unter Garantie kein Mensch von Ihrer Krankheit.»

Bolitho schloß die Augen. Er konnte sich leicht vorstellen, wie Allday und Gimlett ihn bewacht hatten. Ihre abgespannten Gesichter, ihre offenbare Freude über seine Besserung sprachen Bände. Aber um dieses elende Fieber vor dem versammelten Geschwader geheimzuhalten, brauchte es mehr Leute als einen Bootsführer und einen Steward. In der Erkenntnis, daß die gesamte Schiffsmannschaft dabei mitgewirkt haben mußte, fühlte er plötzlich Tränen der Rührung in seine Augen steigen.