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Bolitho sagte:»Wir müssen uns um unser Geleit kümmern. Die beiden da können auf die Endabrechnung noch warten. «Er sprach laut und vernehmlich und es schien, als spräche er mit seinem

Schiff.

Caswell rief:»Die Justice hat bestätigt, Sir!«Dann grinste er:»Die Harvester auch. «Er blickte in die geschwärzten Gesichter der Untenstehenden.»>Habe Aktion eingestellt«, signalisiert sie.»

Schmerzhaft spürte Bolitho, wie sich seine ausgetrockneten Lippen zu einem Lächeln verzogen. Diese dienstlich-formelle Antwort Leachs sprach Bände über die Zähigkeit des Mannes.»Bestätigen!»

Unten an der Achterdecksleiter stand ein Sanitätsmaat, die Arme bis zu den Ellbogen voll Blut. Bei diesem Anblick empfand Bolitho wieder jene vertraute Verzweiflung über das Leiden, die Wunden, die den Sieg so bitter machten.

«Was ist?»

Unsicher sah der Mann sich an Deck um, staunte anscheinend, daß es noch einigermaßen ganz war. Unter der Wasserlinie, wenn der Schiffsrumpf unter den Rückstößen und Einschlägen schwankte und zitterte, die schreienden Verwundeten zu versorgen, war bestimmt keine leichte Arbeit.»Schiffsarzt läßt melden, Sir, Mr. Dal-by hat's erwischt; er möchte Sie sprechen, Sir.»

Bolitho zuckte zusammen. Dalby, undeutlich erinnerte er sich an das Gesicht des Leutnants, wie er es zuletzt gesehen hatte.»Schwer?«fragte er.

Der Mann schüttelte bedauernd den Kopf.»Nur noch Minuten,

Sir.»

«Übernehmen Sie, Mr. Rooke. Signalisieren Sie dem Geleit, sie sollen ihre alten Stationen wieder einnehmen, sobald die Erebus ihre Boote wieder eingeholt hat.»

Rooke faßte an den Dreispitz.»Aye, aye, Sir.»

Bolitho kletterte die Leiter hinunter und merkte plötzlich, wie steif seine Beine waren und daß ihn die Kiefer vor Anstrengung schmerzten. Hier und dort streckte ein Matrose, der tapferer war als die anderen, die Hand aus, um ihn zu berühren, und einer rief sogar:»Gott segne Sie, Cap' n!»

Bolitho hörte nichts. Er brauchte alle seine Kraft, um weiterzugehen, und er wußte nur eins: sie hatten gewonnen, aber wie immer waren die Kosten des Sieges nicht zu ermessen.

Bolitho duckte sich unter den niederen Decksbalken und tastete sich durch das Halbdunkel des Orlopdecks.[9] Im Vergleich hierzu war die Luft auf dem Achterdeck frisch und rein, selbst auf dem Höhepunkt einer Seeschlacht; denn hier, tief im Bauch des Schiffes, gab es nur wenig Ventilation, und sein Magen rebellierte gegen den Gestank nach Bilgewasser, Rum und Blut.

Rowlstone, der Arzt, wußte schon lange, daß sein winziges Lazarett völlig unzureichend für die vielen Verwundeten von den oberen Decks war; und als Bolitho in den Lichtkreis der schwingenden Laternen trat, sah er, daß das ganze Revier vor dem säulendicken Mastfuß voller Verwundeter lag. Die Hyperion stampfte heftig in einer von achtern anrollenden See, so daß die Laternen irre, unberechenbare Kreise zogen und seltsame, tanzende Schatten auf die gewölbte Bordwand warfen oder sekundenlang kleine Bildausschnitte wie Teilstücke eines alten, nachgedunkelten Gemäldes hervorhoben.

Über dem Knarren der Planken und dem dumpfen Anprall der See vernahm Bolitho ein stetiges Stimmengewirr, hier und da ein Wimmern oder einen scharfen Schmerzensschrei. Aber die meisten Verwundeten lagen ganz still da, nur ihre Augen folgten dem Licht der kreisenden Laternen oder starrten stumpf auf die kleine Gruppe um den blank gescheuerten Tisch, wo Rowlstone, das blasse, talgi-

ge Gesicht verzerrt vor Konzentration, an einem Matrosen arbeitete, den zwei Santitätsmaaten festhielten. Der Mann hatte wie jeder Schwerverwundete eine kräftige Portion Rum bekommen. Und doch rollte, während Rowlstones Säge gnadenlos durch sein Bein zog, sein Kopf hin und her; der Lederriemen zwischen seinen Zähnen erstickte sein Schmerzensgeheul, Rum und Erbrochenes ertränkten seine verzweifelten Proteste. Geschäftig sägte Rowlstone, die Hände ebenso blutig wie die schwere Schürze, die ihn vom Kinn bis zu den Zehen bedeckte. Endlich gab er seinen Maaten ein Zeichen; ohne weitere Umstände hoben sie den Matrosen vom Tisch und schafften ihn in das barmherzige Dunkel jenseits der Laternen.

Der Arzt blickte auf und sah Bolitho. Inmitten der Verwundeten und Verstümmelten wirkte der stattliche Kapitän plötzlich klein und verletzlich.

Leise fragte Bolitho:»Wieviele?»

«Zehn Tote, Sir. «Der Arzt wischte sich die Stirn mit dem Unterarm, was einen roten Strich über dem rechten Auge hinterließ.»Bis jetzt. «Er blickte über die Schulter, denn zwei seiner Assistenten schleppten soeben einen neuen Mann zum Tisch. Wie es im Seegefecht oft passierte, war er von Holzsplittern getroffen; und als die Sanitätsmaaten ihm die blutbefleckte Hose herunterzogen, sah Bolitho den großen, gezackten Holzzahn unterhalb des Magens im Fleisch stecken. Sekundenlang starrte Rowlstone ohne zu blinzeln den Mann an. Dann sagte er ausdruckslos:»Dreißig Schwerverwundete, Sir. Etwa die Hälfte davon könnte durchkommen.»

Ein Sanitäter goß dem Verwundeten Rum in den offenen Mund. Der konnte den schieren Sprit anscheinend nicht schnell genug schlucken, und dabei wichen seine Augen, Schrecken und zugleich Hoffnung geweitet, nicht von Rowlstones Händen.

Der Chirurg griff nach seinem Messer und deutete seitwärts.»Mr. Dalby liegt da drüben, Sir. «Fast verzweifelt blickte er auf den Verwundeten und fuhr dann fort:»Wie die meisten ist er im unteren Batteriedeck verwundet worden.»

Bolitho trat zur Seite, denn der Arzt beugte sich jetzt über den nackten Körper auf dem Tisch. Der Verwundete wurde augenblicklich starr, und Bolitho glaubte, den ersten Schnitt des Messers am eigenen Leibe zu fühlen.

Dalby lehnte halb sitzend, die Schultern gegen eine der starken Rippen des Schiffes gestützt, auf einer Matratze. Bis auf einen breiten, durchgebluteten Verband um den Leib war er nackt, und bei jedem seiner offenbar schmerzhaften Atemzüge sickerte Blut durch die dicke Binde. Als Kommandeur der unteren Batterie war er bei der ersten französischen Breitseite verwundet worden. Trotz seiner Wunde sah er jetzt, als er die Augen öffnete und seinen Kommandanten anstarrte, fast erleichtert aus.

Bolitho kniete sich neben ihn.»Kann ich etwas für Sie tun?»

Dalby schluckte mühsam, und ein paar Tropfen Blut glitzerten auf seinen Lippen.»Wollte Sie sprechen, Sir. «Er faßte die Matratzenkanten fester und hielt den Atem an.»Muß Ihnen sagen…»

«Nicht sprechen, Mr. Dalby. «Bolitho sah sich nach sauberem Verbandszeug um, fand nichts und tupfte dem Leutnant die Lippen mit seinem eigenen Taschentuch ab.

Aber Dalby, dessen Augen plötzlich zu glänzen begannen, beugte sich mühsam vor.»Hat mich ganz verrückt gemacht, Sir. Dieses Geldlich hab's genommen. «Mit schlaffem Mund sank er gegen die Bordwand.»Quarme hatte nichts damit zu tun. Ich brauchte es unbedingt, wissen Sie. Unbedingt!»

Traurig blickte Bolitho ihn an. Es spielte gar keine Rolle mehr, wer das Geld genommen hatte. Quarme war tot, und Dalby würde ihm schon bald folgen.

«Schon gut, Mr. Dalby. Das ist jetzt vorbei.»

Dalby erschauerte heftig; plötzlich troffen ihm Brust und Arme vor Schweiß. Doch als Bolitho ihn berührte, fühlte er sich eiskalt und klamm an, schon wie ein Leichnam.

Undeutlich murmelte er:»Hatte Schulden. Alles verspielt. «Er starrte Bolitho an, doch seine Augen fanden kein rechtes Ziel mehr.»Ich hätt' s Ihnen gesagt, aber…»

Hinter Bolitho schrie ein Mann auf. Der Ton drang Bolitho direkt ins Hirn, aber er beugte sich vor, um zu hören, was Dalby ihm noch sagen wollte. Diesem strömte das Blut jetzt stärker aus dem Mund; verzweifelt blickte Bolitho sich um und rief einen Midshipman an, der sich über einem nackten bandagierten Verwundeten beugte.»He — bringen Sie mir eine frische Binde!»

Der Midshipman wandte sich um und eilte herzu, eine saubere Binde in der ausgestreckten Hand. Entsetzt und überrascht starrte

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9

Zwischendeck eines Linienschiffs. Enthält Midshipmenlogis und Lazarett (d. Ü.).