Изменить стиль страницы

«Und wenn nicht?«entgegnete Bolitho gelassen.»Dann hauen sie uns kurz und klein und können Ashby vernichten, wann und wie sie wollen. «Er leckte sich die trockenen Lippen und glitt von der Schießscharte.

Alle Matrosen beobachteten ihn scharf — sie versuchten, ihr eigenes Schicksal aus seinen Augen zu lesen. Er sprach weiter:»Wenn ich Befehl gebe, klettern wir durch diese beiden Schießscharten über die Brustwehr. «Er war sich wohl bewußt, wie die kostbaren Sekunden verrannen, aber die Männer mußten ganz genau verstehen, was sie zu tun hatten.»Es sind etwa fünfundsiebzig Yards bis zum Festungstor zu überwinden. Jetzt steht es offen — aber wenn sie uns zu früh sehen, knallen sie uns die Tür vor der Nase zu!«Er rang sich ein Lächeln ab.»Also rennt, als wäre der Teufel hinter euch her! Wenn wir die Festung einnehmen, wird sich die Außenbatterie ergeben. Auf sich allein gestellt, wäre sie verloren.»

Plötzlich zuckte er zusammen: einer von denen, die ihn da gespannt anblickten, war Midshipman Seton. Rooke bemerkte sein Stutzen und sagte obenhin:»Ich hielt es für richtig, daß er mitkommt, Sir. Wir brauchen alle erfahrenen Leute für später.»

Bolitho musterte ihn kühl.»Auch Leutnants sind nicht immun, Mr. Rooke!»

Da mischte sich Tomlin mit seiner groben Stimme ein:»Die Batterie hat wieder Feuer eröffnet, Sir. Machen sich anscheinend keine Sorgen wegen Captain Ashby.»

Bolitho zog den Degen und strich sich die Haarsträhne aus der

Stirn.»Also dann hinüber, Jungs! Wer einen Laut von sich gibt, den lasse ich auspeitschen.»

Auch der Furchtsamste unter den Männern wußte, daß diese Drohung gegenstandslos war. Wenn die Franzosen sie jetzt entdeckten, würde die Peitsche ihre geringste Sorge sein.

Bolitho stand langsam auf und warf ein Bein über den Rand der Schießscharte. Die Mauer war sehr dick, aber er spürte eine stützende Hand unter seinem Arm und wußte, daß Allday dicht hinter ihm war. Merkwürdigerweise hatte er während des langsamen Vormarsches durch die Klippen überhaupt nicht an seinen Bootsführer gedacht. Vielleicht weil er sich schon so lange auf ihn verließ, daß seine Treue und sein Mut ihm selbstverständlich erschienen. Unvermittelt sagte er:»Wenn ich falle, Allday, dann bleiben Sie bei Mr. Rooke. Er wird alle Hilfe brauchen, die er kriegen kann.»

Allday blickte ihn ruhig und aufmerksam an.»Aye, aye, Cap-tain. «Dann warf er das schwere Enterbeil über die Schulter und fuhr fort:»Aber wahrscheinlich zielen die Franzosen eher auf ihn.«Und bei diesen Worten grinste er.»Mit allem Respekt, Sir, aber Sie sehen so zerlumpt aus, daß es sich nicht lohnt, auf Sie zu schießen!»

Bolitho musterte ihn.»Eines Tages gehst du zu weit, du frecher Bursche.»

Dann erschien Rooke an der Spitze der zweiten Abteilung und begann den Durchstieg. Bolitho sprang zu Boden und rannte auf den runden Turm zu. Unwichtige Einzelheiten traten während seines Laufs über das Glacis hart und klar hervor: kleine weiße Steinsplitter, ein weggeworfenes Hemd, ein grobgezimmerter, zerbrochener Stuhl, ein irdener Weinkrug glitten blitzschnell an ihm vorbei, als er mit seinem Schatten um die Wette auf die Festungsmauer zurannte.

Keuchend erreichte er sie, preßte sich gegen die mächtigen Steinblöcke und wartete, bis die anderen bei ihm waren. Es war kaum zu glauben, aber bis jetzt hatte sie tatsächlich noch keiner gesehen. Und von hier sah es so aus, als wären sie allein auf der Insel; denn die breite Silhouette des Turmes verbarg Kanonen und Tore, Gräben und Soldaten.

Er gab ein Zeichen mit dem Degen und ging längs der Mauer vor.

Der Torbogen wurde durch die Rundung des Turmes zunächst verdeckt, und als er ihn schließlich erreichte, war er fast ebenso überrascht wie die beiden französischen Soldaten, die dort auf ihren Musketen lehnten. Der eine ging aufs Knie und legte seine Muskete an; der andere, aufgeweckter oder nicht ganz so tapfer, drehte sich um und floh durch die schmale Öffnung ins Innere. Bolitho schlug die Muskete beiseite und rannte hinter ihm her. Ohne es recht zur Kenntnis zu nehmen, hörte er den furchtbaren Schrei des Postens, den ein Entermesser niederhieb, ehe er feuern konnte. Sekundenlang war er geblendet, als er in das kühle Dunkel des Turmes stürzte; doch als er einen Moment verhielt, um sich zu orientieren, sah er eine steile Wendeltreppe und hörte von oben laute Alarmrufe.

«Mr. Tomlin!«schrie er,»blockieren Sie das Tor!»

Die hereinhastenden Matrosen rannten ihn fast um.»Dann das untere Stockwerk durchsuchen!«Er wandte sich um und rannte auf die Wendeltreppe zu, halb betäubt vom Widerhall der Rufe und des wilden Gebrülls, als die erste Angst der Männer in Raserei umschlug.

Hinter einer Treppenbiegung krachte ein Schuß hervor, und knapp unter Bolitho schrie ein Matrose auf und stürzte rücklings in die Nachfolgenden. Eine kleine Tür zu einem engen Gang stand offen, und Bolitho erblickte einen französischen Soldaten, der mit gefälltem Bajonett im Laufschritt angriff. Bolitho konnte die Treppe weder hinauf noch hinunter; als das Bajonett schon dicht vor seiner Brust war, blitzte Alldays Enterbeil im Halbdunkel auf, und der Soldat fiel, Kopf voran, hinter dem toten Matrosen auf die Stufen.

Mit Abscheu starrte Bolitho auf die zerschmetterte Muskete zu seinen Füßen nieder. Eine abgetrennte Hand hielt nach wie vor den Kolben umklammert, als sei sie trotz Alldays wildem Axthieb noch lebendig.

Gepreßt sagte er:»Weiter, Jungs! Noch zwei Stockwerke!«Er schwenkte den Degen, und in seinem Kopf schwirrte der gleiche krankhafte Wahnsinn, der seine Männer erfaßt hatte.

Aber an der letzten Treppenwindung stießen sie auf eine dichte Linie Soldaten, deren Musketen ohne zu wanken auf die andrängende Masse der Matrosen gerichtet waren, und deren aufgepflanzte Bajonette mörderisch glitzerten. Jemand schrie einen Befehl, und ihre ganze Welt explodierte in Musketenfeuer. Bolitho wurde von fallenden Leibern beiseitegestoßen, in seinen Ohren gellten Schreie und Flüche, als die vordere Reihe der Soldaten niederkniete und nun das zweite Glied auf kürzeste Entfernung feuerte. Die steinernen Stufen wurden schlüpfrig von Blut; rechts und links stießen und drängten sich die Männer, um dem Gemetzel zu entfliehen. Der Schwung des Angriffs, Bolitho wußte es, war gebrochen. Gewiß, sie hatten die Festung unbemerkt erreicht, und das hatte sie in ein irres Hochgefühl versetzt, aber nun war es in kopflose Panik umgeschlagen. Er sah die Schulter an Schulter stehenden Soldaten, die jetzt die Treppe herunterkamen; ihre Bajonette waren bereit, das Vernichtungswerk zu vollenden.

Mit einem Schrei, der wie verzweifeltes Aufschluchzen klang, warf sich Bolitho über die letzten Stufen hinauf; sein Degen schlug die vordersten beiden Bajonette beiseite, die nach seinem zerfetzten Hemd stießen, und mit aller Kraft hieb er auf die Männer des zweiten Gliedes ein. Die erschrockenen Soldaten standen zu dicht, um ihre langen Musketen voll ausnützen zu können, und er sah im Gesicht eines Mannes, den sein Degen wie ein Puppe zur Seite fegte, eine dunkelrote Wunde aufklaffen. Er fühlte, wie sie taumelten und gegen ihn stießen, ja sogar ihren warmen Schweiß, als sie wie eine lebendige Flutwelle über die Steinstufen quollen. Jemand stieß ihm einen Gewehrkolben ins Kreuz, und mit schmerzverdunkeltem Blick sah er einen barhäuptigen Offizier, der verzerrten Gesichts seine Pistole im Anschlag hielt. Mit einer letzten verzweifelten Anstrengung riß Bolitho den Degen hoch und führte einen so starken Hieb nach dem Mann, daß er seine Schulter im Aufprall erzittern fühlte. Die Klinge fuhr dem Offizier durch Kragen und Epaulette, in lautlosem Todesschrei öffnete sich sein Mund, und aus der durchschnittenen Arterie schoß ein Blutstrahl empor wie eine scheußliche rote Blume. Immer mehr Matrosen warfen sich nun in das Kampfgewühl. Bolitho selbst merkte, wie er rückwärts stolperte, aber jemand hielt ihn fest und schrie seinen Namen. Dann wurde er wieder vorwärtsgedrängt, über Leichen und schreiende Verwundete hinweg; und die britischen Matrosen stürmten auf das helle Rechteck am oberen Ende der Treppe zu.