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Swift, psychisch und physisch von Grauen geschüttelt, starrte Borlase an, der von der stürzenden Rah getroffen und zerschmettert worden war, obwohl sein einer Arm noch krampfhaft zuckte. Noch während Swift dagegen ankämpfte, davonzurennen und sich zu verstecken, bemerkte er etwas Helles an Backbord und schrie verzweifelt:»Der Schoner! Achtung!«Er hob den Arm und sah verwundert, daß er zwei Finger verloren, aber nichts davon gespürt hatte.»Feuer!«Eine regellose, schlecht gezielte Breitseite schoß aus der Tempest, wo nur weniger als die Hälfte der Zwölfpfünder noch feuerbereit war.

Der Vormast des Schoners schwankte mit schlagenden Segeln, glitt in den Rauch hinab, riß das Schiff herum und machte es hilflos.

Bolitho sah das und vieles andere, obwohl Gesichter und Ereignisse in seinem Kopf irgendwie durcheinanderflossen. Der Schoner war außer Gefecht. Wenn er nicht eingegriffen hätte, wäre es möglich gewesen, Bord an Bord zu kämpfen. Aber jetzt… Er starrte auf das Chaos, die kämpfenden Gestalten, die verzweifelt versuchten, das Deck von Trümmern zu klarieren. Überall lagen Tote und Sterbende, und am Vormast rann Blut herunter, von der zerfetzten Leiche eines Matrosen, die sich hoch oben verfangen hatte und im Wind schwankte.

«Hat keinen Zweck, Sir. «Lakeys hageres Gesicht schwamm in sein Blickfeld.»Wir schaffen es nie, das Ruder zu reparieren, ehe der Schuft uns einholt. «Bolitho sah Herrick an.»Wissen Sie noch, was Sie immer von diesem Schiff gesagt haben?«Er zog seinen Degen und schlang sich die Halteschleife ums Handgelenk.»Aye. «Fasziniert und entsetzt sah Herrick ihn an.»Daß sie stark genug ist, den schwersten Beschuß auszuhalten. Sie hat noch keinen Tropfen Wasser genommen, trotz…«Er duckte sich, als wieder Geschosse durch die Netze fuhren. Bolitho nickte zähneknirschend. Der Anblick der Männer in seiner Nähe, von Midshipman Fitzmaurice, der auf der Seite lag und mit aufgerissenen Augen auf das Blut starrte, das aus ihm sickerte und sich um ihn auf den Planken ausbreitete, hatte ihn zu einer Entscheidung gebracht.»Befehlen Sie den Leuten, nachzuladen und abzuwarten. «Er schüttelte Herrick am Arm.»Das ist unsere einzige Chance. Die Narval kann sich hinter uns legen und uns in Stücke schießen. Ohne Ruder kann ich nichts dagegen tun.

Bewaffnen Sie die Leute. Machen Sie sich fertig!«Herrick starrte ihn an, sah die Qual und die fiebrige Wildheit in seinen Augen. Aber er konnte ihn nicht zurückhalten. Er wandte sich an Allday.»Bleiben Sie bei ihm. «Dann schien Stille das treibende Schiff zu umfangen, dessen zerfetzte Segel wirkungslos schlugen, nachdem das erbarmungslose Bombardement von achtern aufgehört hatte. An seiner Stelle wehte vom Feind Gebrüll herüber, das nach und nach die Schmerzensschreie der Verwundeten und Sterbenden übertönte, bis es zu einem lauten und wilden Triumphgeheul anschwoll.

Ohne sich ihrer eigenen Stärke oder Zahl bewußt zu werden, kauerte oder lag die Besatzung der Tempest unter den Trümmern oder verbarg sich neben den Geschützen, die vom Feuern noch heiß waren. Jetzt kam es auf Piken und Entermesser, Äxte und Belegnägel an. Die Männer, vom Kanonendonner betäubt, fast von Sinnen durch das Grauen ringsum, starrten auf die wuchtigen Bohlen nieder, die sie beschützt hatten, und warteten darauf, daß der Alptraum ein Ende nehme.

Noch hämmerten vereinzelt Musketen, und Bolitho konnte Billyboy laut fluchen hören, der wieder und wieder auf den Feind schoß. An seiner Stimme erkannte er, daß der Marinesoldat schwer verwundet war, vielleicht im Sterben lag und dennoch weiterschoß.

Langsam, dann mit erschreckender Plötzlichkeit, wuchsen Segel und Rahen der Narval an Steuerbord empor. Bolitho stand an der Reling, den Degen vom Handgelenk baumelnd. Der Schrecken war noch nicht zu Ende. Er sah, wie sich der Klüverbaum des anderen Schiffs hoch über ihre Netze schob, über die Trümmer der Rah und die Leichenhaufen. Am Bugspriet baumelte, den Bewegungen des Schiffes folgend, als lebe er noch, der abgetrennte Kopf von de Barras.

Bolitho spürte, wie neue Energie ihn durchlief. Er schrie gellend:»Feuer frei!»

Wie Ratten aus ihren Löchern hetzten seine rauchgeschwärzten Matrosen aus ihren Verstecken, und in der von Einschlägen zernarbten Bordwand der Tempest feuerte jedes Geschütz, das noch ein Ziel finden konnte, mit ohrenbetäubendem Crescendo. Der Lärm wurde noch gesteigert durch die doppelten Ladungen und die Nähe der beiden Schiffe.

Das Deck unter seinen Füßen bäumte sich auf, als der Klüverbaum der Narval die Wanten des Vormasts durchstieß. Der knirschende Zusammenprall beider Rümpfe wurde übertönt vom schrecklichen Schreien jener, die von der mörderischen Breitseite getroffen worden waren.»Enterkommando vorwärts!»

Brüllend und jubelnd wie Wahnsinnige, hackten sich die Reste seiner Besatzung den Weg auf das andere Schiff hinüber frei. Manche fielen, noch ehe sie einen Halt gefunden hatten, andere klammerten sich fest und wurden zwischen den beiden Schiffsrümpfen zermalmt. Bolitho fand sich auf der Gangway der Narval wieder, während auf allen Seiten Stahl klirrte. Er glitt auf einer frischen Blutlache aus und wußte, daß nur Allday ihn davor bewahrt hatte, über Bord zu stürzen.

Marinesoldaten rannten an ihm vorbei, geführt von Prideaux.

Sergeant Quare schwenkte seine Muskete.»Auf sie, Leute!«Dann traf ihn eine Kartätschenladung voll in Brust und Leib und zerfetzte ihn.

Blissett sah die Seesoldaten zögern. Wie versteinert starrten sie auf Quares Leiche. Er brüllte:»Vorwärts!«Wahnsinn, Begeisterung und Trauer um Quare erfüllten ihn für eine kurze Sekunde, dann war er mitten unter den Verteidigern der Back, sein Bajonett stieß zu, und seine Kameraden schlossen sich um ihn zu einem festen, unerbittlichen Stoßkeil zusammen.

Bolitho erreichte das Achterdeck der Fregatte. Sein Kopf war wieder klar, als er sein eigenes Schiff durch den treibenden Qualm erblickte.

Rings um ihn schwankten und taumelten Männer, fochten mit Entermessern oder Fäusten oder mit was sonst sie fanden. Er sah Miller sich mit dem Beil einen Weg nach achtern bahnen, sah ihn plötzlich fallen, von einer Pike durchbohrt, und seinen Mörder gleich darauf über ihn stürzen, als ein britischer Matrose ihn niedermachte. Und dann sah er Mathias Tuke. Mit gespreizten Beinen stand er über zwei sterbenden Seeleuten, neben dem verlassenen Steuerrad. Es verwirrte Bolitho, daß er keine Überraschung empfand. Tuke war genauso, wie er ihn sich vorgestellt, wie Viola ihn geschildert hatte. Jetzt starrte Tuke ihm schweratmend entgegen, die rechte Faust hellrot von Blut, das von seinem Degen rann, die Augen flammend vor Haß.

Rauh stieß er hervor:»Sieh da, Captain, endlich begegnen wir uns. Hat sie Ihnen erzählt, wie ich ihre weiche Haut gebrandmarkt habe?«In dem dichten Bart öffnete sich sein Mund zu einem obszönen Loch, und er lachte mit zurückgeworfenem Kopf, hielt den Blick aber scharf auf Bolitho gerichtet.

Von der anderen Seite des Decks beobachtete Herrick alles, selbst als er einen schreienden Piraten niederschlug und auf seine Gruppe wartete, die ihre Stellung über dem Batteriedeck sichern sollte.

Die beiden gegnerischen Mannschaften hatten sich in zwei Gruppen gespalten, dann in kleine Trupps, und jetzt in Einzelkämpfer, die sich noch verteidigten oder angriffen. Herrick sah, wie Bolitho auf Tuke losging, wie die beiden einander mit erhobenen Klingen vorsichtig umkreisten, konnte ihre Spannung fühlen.

Er rief laut:»Holt die Flagge nieder! Mir nach!«Degenschwingend griff Herrick an.

Bolitho bemerkte nichts von alledem, er sah nur Tuke. Und dieser schien zu wachsen, größer und gewaltiger zu werden, sich immer mehr in schwarzen Nebel zu hüllen. Tuke holte tief Luft, offenbar überrascht von Bolithos mangelnder Reaktion. Dann brüllte er auf:»Da!«Und stieß mit wildem Schrei zu.

Bolitho sah die Klinge auf sich zukommen und wußte, daß er sie nicht abwehren konnte. Die Kraft hatte seinen Arm verlassen, das Deck schwankte unter ihm, er taumelte und brach in die Knie. Weiter vorn hörte er Männer jubeln und wußte, daß die Flagge, die dort geschwenkt und dann über Bord geworfen wurde, die des Feindes war. Aber er konnte nichts spüren oder tun.