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Romney spähte zu den angebraßten Rahen auf. Heute war die Arbeit da oben nicht leicht. Der Wind preßte gegen die geblähten Segel, drohte, die Matrosen um ihren Halt zu bringen.

Bolitho spürte, wie sich das Deck unter seinen Füßen aufrichtete, als die Segel mühsam eingeholt und festgelascht wurden.

Er wandte sich wieder der Narval zu. Sie war jetzt schon viel näher, kaum mehr als eine Meile entfernt. Er sah eine Rauchwolke auf der Fregatte aufsteigen und zuckte unwillkürlich, als ein Geschoß über sie hinwegjaulte und auf der entgegengesetzten Seite eine Gischtfontäne aufwirbelte.»Sie müssen einen der Vierundzwanzigpfünder der Eurotas als Buggeschütz montiert haben«, sagte Keen. Niemand antwortete ihm.

Bolitho konzentrierte sich auf das andere Schiff, erwartete, daß es seinem Beispiel folgen und gleichfalls Segel kürzen würde. Auf seinen oberen Rahen war Bewegung zu erkennen, aber nicht genug, um den ungestümen Ansturm abzubremsen. Wenn Tuke einen plötzlichen Kurswechsel versuchen sollte, um der Tempest zu folgen oder sie aus einer ganz neuen Richtung anzugreifen, würde er, wie Lakey bemerkt hatte, das Schiff entmasten.

«Klar zum Wenden!«Bolitho mußte durch die hohlen Hände schreien, um das Heulen des Windes zu übertönen.»Mr. Borlase, ist die Steuerbordbatterie feuerbereit?«Er sah ihn nicken, zweifellos verwirrt durch die Tatsache, daß der Feind sich auf der entgegengesetzten Seite befand. Bolitho fügte hinzu:»Dann melden Sie mir das in Zukunft. Ich bin kein Hellseher.»

Er ging zu den Netzen zurück, rang um Luft, war wütend auf sich selbst, weil er seine Kräfte vergeudete, und auf

Borlase, weil er so schwerfällig war.

Herrick blickte über das schrägliegende Deck, die Augen sehr klar im hellen Licht.»Fertig, Sir«, meldete er. Er sah

überrascht auf, als eine Kugel zwischen Großmast und

Besan hindurchfuhr, ohne auch nur ein Fall zu streifen. Er hatte nicht einmal den Abschuß gehört.

Bolitho sah sich schnell nach dem Ruder und der Gruppe

Männer um, die dort bereitstand. Keen war bei den

Bedienungen der Achterdeckgeschütze, und die Marinesoldaten befanden sich in Stellung hinter ihm, ihre Musketen lagen schon schußbereit auf den fest zusammengerollten Hängematten.

Er wandte sich dem Vorschiff zu und sah die neuen Leute an den Brassen, ihre grimmigen Gesichter; mancher von ihnen fragte sich zweifellos, ob ihr spontaner Heroismus das Ganze wohl wert war.

Die älteren Seeleute warteten darauf, die Vorsegelschoten loszuwerfen, damit die Tempest unbehindert durch den Wind gehen konnte, und in ihrer Nähe sah er Pyper und die Bedienungen der beiden Karronaden auf ihre Chance warten, die mörderischen Ladungen in das Heck des Feindes zu feuern.»Rhe!»

Langsam und geräuschvoll begann die Tempest in den Wind zu drehen, während Wanten, Stage und Spieren unter dem Ansturm vibrierten. Er sah die Männer an den Brassen hieven, einer verlor den Halt und fiel, nur um von Schultz, dem Bootsmannsmaaten, hochgehetzt und angetrieben zu werden.

Weiter und weiter drehte sich das schwankende Panorama brechender Wellen und glasiger Tröge vor dem Klüverbaum, während jeder Fetzen Leinwand lautstark protestierte.

Und dort, wie ein bisher ungesehenes Fahrzeug, wuchs die Narval jetzt an Steuerbord empor, die Pyramide ihrer Segel leuchtend weiß in der strahlenden Sonne. Bolitho sah die Schatten auf ihrer Fock und den Vorsegeln sich vertiefen und erkannte, daß sie Kurs ändern wollte. Doch dann füllten sich die Segel wieder, als Tuke vermutlich begriff, daß es unmöglich war, dem Manöver seines Gegners zu folgen.

Bolitho ignorierte das Durcheinander an Deck, das Jaulen der Blöcke und das betäubende Knarren der Spieren, als die Rahen herumgeholt wurden, um die Tempest auf den neuen Bug zu bringen. Er beobachtete angespannt, wie das andere Schiff ihm in spitzem Winkel entgegenstrebte. Die Entfernung betrug noch gut eine Meile, dennoch sah es vom

Achterdeck so aus, als würden sich beide Bugspriets wie Stoßzähne ineinander verfangen.»Feuer frei, Mr. Borlase.»

Borlase durchschnitt mit seinem Degen die Luft. »Feuer!«Mit doppelter Ladung krachten die Steuerbordgeschütze in einer ungeheuren Breitseite, die Lafetten wurden zurückgeschleudert, und dichter Qualm drang als erstickende Wolke aus den Geschützpforten. Über dem verklingenden Widerhall der Breitseite hörte Bolitho einen gräßlichen Schrei und sah, wie in der Nähe von Borlase Blut über das Deck spritzte. Einer der Sträflinge hatte im Augenblick des Rückstoßes seinen Platz gewechselt und war von dem zurückgeschleuderten Geschütz gegen die Brust getroffen worden.

Borlase riß seinen Blick von dem Blut los, das auf seine Beine gespritzt war, und brüllte:»Auswischen! Nachladen!«Seine Stimme klang so schrill wie die einer verängstigten Frau. Angestrengt spähte er durch den wirbelnden Pulverqualm.

Bolitho sah von der französischen Fregatte Rauch aufsteigen, als sie zurückschoß. Eisen hämmerte in den unteren Rumpf, und er vernahm das Jaulen der Geschosse, die über das Deck hinwegflogen. Der plötzliche Richtungswechsel der Tempest hatte die Zielsicherheit des Gegners beeinträchtigt.

Der Qualm wurde dünner und verzog sich mit dem Wind, und Bolitho atmete tief ein, als er den Feind wieder erblickte. Seine Segel waren an vielen Stellen durchlöchert, und mindestens zwei Stückpforten blieben leer. Herrick rief anfeuernd:»Gut gemacht, Jungs!«»Ein zweites Mal werden wir den aber nicht überraschen«, konstatierte Prideaux.

Bolitho ging zum Kompaß, achtete nicht auf die vom Pulverdampf fleckigen Gesichter der Männer, die ihn beobachteten. Beim Kompaß kontrollierte er den Stand der Segel, die Position des anderen Schiffes, das vor dem Wind lief, während Matrosen auf den Rahen Segel kürzten. Er versuchte, seine Übelkeit zu unterdrücken, aber sie zehrte an ihm, zog ihn mit unerbittlicher Härte hinab.

Plötzlich war ihm alles ganz klar: Er würde sterben. Heute,

auf diesem Deck. Es war nur eine Frage der Zeit.

Er wischte sich den Schweiß aus den Augen und blickte auf den Kompaß: Südwest. Und vor dem Bug überlappten sich zwei Inseln, verschwammen im Dunst, lockten wie in einem

Traum.

«Lassen Sie um zwei Strich abfallen, Mr. Lakey. Wir folgen der Narval bei der Drehung.«»Südsüdwest liegt an, Sir!»

Wieder dröhnendes Kanonenfeuer, und die Männer duckten sich überascht, als die nächste Breitseite der Narval über das Wasser fegte. Diesmal hatte sie einen anderen Klang: Kettenkugeln, welche die Takelage der Tempest zerfetzen sollten.

Die Netze über dem Batteriedeck bogen sich durch und schnellten zurück unter dem Aufschlag von Takelageteilen, Blöcken und einem Mann, der beide Beine verloren hatte und dennoch versuchte, sich in Sicherheit zu bringen.»Feuer!»

Die Tempest bockte heftig, die Geschütze spieen ihre langen, orangegelben Zungen aus, grell und tödlich in dem erstickenden Rauch.

Die Fregatten trennte jetzt kaum eine halbe Meile, der Bugspriet der Tempest war auf gleicher Höhe mit dem Großmast der Narval. Wieder und wieder donnerten die Kanonen über das Wasser, glimmende Ladepfropfen und die Spuren des Luftdrucks auf dem Wasser kennzeichneten die Geschoßbahnen.

Fock und Großsegel der Tempest waren an mehreren Stellen durchlöchert, und über den schwitzenden Geschützbedienungen flatterte abgerissenes Tauwerk im Wind, doch nur wenige Männer konnten für Reparaturen abgestellt werden.

Ein starker Feuerschein blitzte in der Kampanje der Tempest auf, als explodiere ein Magazin tief unten im Rumpf. Bolitho glitt aus und fiel, als Planken splitterten, Geschütze umstürzten und Menschen und Gliedmaßen auf ihn geschleudert wurden. Stimmen riefen und schrieen. Als er sich mühsam wieder aufgerichtet hatte, sah er, daß das große

Rad halb zerschmettert war, der Steuermannsmaat und die Rudergasten wie blutige Fetzen darum verstreut lagen. Lakey war unverletzt geblieben, obwohl er nur wenige Zoll davon entfernt gestanden hatte. Während andere herbeieilten, um ihm zu helfen, rief er:»Der Schoner! Der Schuft hat uns einen Treffer ins Heck gesetzt. «Herrick deutete auf den Rauch, der durch das zerschlagene Skylight und den Niedergang aufstieg.»Das muß eine Doppelladung mit Schrappnell gewesen sein. «Er rannte nach achtern, als Jury, dessen Beine und Schuhe blutbespritzt waren, ausrief:»Das Ruder ist ausgefallen!«Er hatte nur zu recht. Steuerlos fiel die Tempest bereits ab und bot der anderen Fregatte das verwundbare Heck dar. Weitere Geschosse schlugen in den Rumpf, andere schleuderten Fontänen Sprühwasser hoch. Bolitho rief:»Wir brauchen ein Ersatzruder!«Er wandte sich ab, wieder von Übelkeit gepackt, als ein Geschoß durch eine Stückpforte fuhr und dem dahinterkauernden Geschützführer den Kopf abriß, während der Körper für einige grausige Sekunden aufgerichtet blieb. Herrick rief Bolitho zu:»Was sollen wir tun, Sir?«Bolitho blinzelte durch den Rauch und beobachtete, wie die Rahen der Narval herumschwangen. Sie stellte das Feuer ein, während sie scharf drehte, um die Verfolgung aufzunehmen. Er sah den Schoner auf der anderen Seite näherkommen und wieder mit seinem Beutegeschütz feuern. Das Geschoß schlug durch die Takelage und knickte die Großmarsrah wie ein Streichholz. Die große Spiere stürzte mit dem ganzen Gewicht ihres laufenden Guts und des Segels durch den Qualm aufs Batteriedeck und zerfetzte im Fallen das Marssegel zu flatternden Streifen. Die durch Trümmer festgeklemmten und eingefangenen Männer schrien vor Entsetzen, suchten nach Freunden oder bemühten sich, ihre Geschütze wieder zu klarieren und auf den Feind zu richten.