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Er stand auf und lief unentschlossen in der Kajüte herum.

«Gott, bin ich froh, wenn wir auslaufen, Val. Dieses Malta ist mir zu kalt. «Er warf einen Blick auf den angefangenen Brief.»Richten Sie dem Admiral aus, daß ich beabsichtige, bei Sonnenuntergang Anker zu lichten.»

Keen blieb zögernd an der Tür stehen.»Ich fahre selbst zu dem Schoner hinüber. «Leise fügte er hinzu:»Ich werde Ihnen nie genug danken können, Sir.»

Bolitho, der seine Niedergeschlagenheit nicht mehr verbergen konnte, schaute weg.»Zenoria ist es wert, Val. Und Sie sind es auch. Aber jetzt holen Sie mir diesen Offizier.»

Die Tür schloß sich, und Bolitho griff nach dem Brief. Dann knüllte er ihn zusammen und begann mit plötzlicher Entschlossenheit einen neuen: Meine liebste Belinda…

Auf einmal fühlte er sich nicht mehr so allein.

XIV Das Herz eines Schiffes

Bolitho verharrte neben dem großen Ruderrad der Helicon, das erstaunlicherweise intakt geblieben war. Er hatte sich zu einer Inspektion des Decks gezwungen, um sich davon zu überzeugen, daß der Kampf wirklich schon zwei Wochen zurücklag. Auf dem Schiff sah es aus, als hätte er erst gestern gewütet.

Der Wind, der die Franzosen in dieses Gefecht geführt hatte, war einer Flautenperiode gewichen. Die letzten Meilen bis zum Treffen mit Argonaute waren für das Geschwader eine zusätzliche Tortur gewesen. Denn es lief noch eine hohe, ölige Dünung, auf der die harte, eher silberne als goldene Sonne die beschädigten Schiffe in der ganzen Unordnung der Niederlage bloßstellte.

An Deck schafften Matrosen von anderen Schiffen, denn aus Inchs Besatzung waren nur wenige arbeitsfähig geblieben. Das Knarren der Pumpen gemahnte an die Schäden, und aus einem Wirrwarr von Tauwerk und Taljen begann ein Notruder Gestalt anzunehmen. Bolitho fragte sich, wie das Schiff überlebt hatte: zerfetzte Decksplanken, große, getrocknete Blutflecken, umgekippte Geschütze, verkohlte Segelfetzen; nur die Toten fehlten, während die Verwundeten unter Deck jeder für sich um ihr Leben kämpften.

Das war kein Gefecht gewesen, sondern ein Gemetzel. Wäre Barracouta nicht unter Vollzeug angerauscht gekommen, hätte Helicon jetzt auf dem Meeresgrund gelegen. Wenn der Wind wieder auffrischte, mochte sie diese letzte Fahrt doch noch antreten. Barracouta hatte alle Vorsicht außer acht gelassen und bei dem Versuch, den Feind von seinem kalkulierten Angriff abzulenken, mehrere Tücher aus den Lieken gesegelt.

Allday fragte:»Warum kehren wir nicht zum Schiff zurück, Sir? Ein schönes Bad und eine Rasur würden Ihnen gut tun.»

Bolitho schaute ihn an.»Noch nicht. «Er war von der grausamen Zerstörung ringsum wie benommen.»Wenn ich diesen Tag jemals vergessen sollte, dann erinnere mich daran!»

Er sah Tuson unter der Poop stehen. Auch das Achterdeck war übel zugerichtet und verzogen. Es sah aus, als wäre es von einem Riesen, dessen Krallen große schwarze Narben hinterlassen hatten, zerquetscht worden. Viele waren hier gestorben, und noch viel mehr mußten künftig für diesen Tag büßen.

«Wie geht es ihm?»

Tuson musterte ihn leidenschaftslos.»Der Schiffsarzt hat ihm den Arm nicht weit genug abgenommen, Sir. Ich bin mit der Amputation unzufrieden und schlage vor.»

Bolitho packte ihn am Revers.»Verdammt noch mal, Sie reden hier von meinem Freund und nicht von einem Kadaver!«Dann wandte er sich ab und sagte leise:»Verzeihung.»

«Ich verstehe schon, Sir«, meinte Tuson.»Jedenfalls würde ich den Fall lieber selbst übernehmen. «Er verschwieg, was Bolitho bereits wußte: Der Schiffsarzt der Helicon hatte Inchs bereits ernste Verletzung mit seiner Behandlung noch verschlimmert. Fairerweise mußte man ihm zugestehen, daß er von der Flut verwundeter Männer, die ins Orlopdeck unter sein Messer oder seine Säge geschleift wurden, überfordert worden war.»Ich muß ihn sehen.»

Tuson schaute Bolitho von der Seite an.»Versprechen kann ich nichts.»

Unter der Poop hing immer noch der Gestank nach Feuer und Blut, Tod und blinder Wut. Einige Kanonen lagen auf der Seite oder weit binnenbords, wohin sie der Rückstoß nach der letzten Breitseite getragen hatte, ehe die Crews hingemetzelt oder geflohen waren. Die Sonne schien durch verformte, schartige Stückpforten.

Das Hämmern von draußen wurde leiser, als Bolitho sich durch den Niedergang zu den Überresten der Messe vortastete.

Inchs Kajüte war völlig hinweggefegt, bis zur Unkenntlichkeit verkohlt, und beherbergte jetzt jene Überreste der Geschützbedienungen und Wachgänger, die bis zuletzt ausgehalten hatten. Hohläugige Männer schauten Bolitho an und traten dann beiseite, um ihn durchzulassen, ehe sie wieder an die Arbeit gingen, um das Schiff zu retten und für die Fahrt in einen Nothafen bereitzumachen. Doch das regelmäßige Knarren der Pumpen schien ihre Anstrengungen zu verhöhnen, und das Stöhnen der Verwundeten bildete eine düstere Untermalung.

In Helicons Offiziersmesse war es im Vergleich zum Oberdeck fast kühl. Der Wind, der durch die zersplitterten Heckfenster wehte, konnte den Raum nicht von seinem Gestank befreien. Bolitho stand neben der Koje und schaute auf Inchs blasses Gesicht hinab. Er schien nicht bei Bewußtsein zu sein. Bolitho fröstelte, als er den blutigen Verband sah, wo einst Inchs Arm gewesen war.

Tuson zog die Decke beiseite und sagte:»Hier hat er einen Metallsplitter erwischt, Sir. Der Arzt behauptet, ihn entfernt zu haben.»

Erst da merkte Bolitho, daß Inch die Augen aufgeschlagen hatte und ihn anstarrte. Er schien seine ganze Kraft auf das Erfassen und Erkennen dessen, was um ihn herum vorging, zu konzentrieren.

Bolitho beugte sich über ihn und ergriff seine Hand.»Ich bin bei Ihnen, alter Freund.»

Inch befeuchtete sich die spröden Lippen.»Ich wußte, daß Sie kommen würden. «Er schloß die Augen und packte Bolithos Hand fester, als der Schmerz ihn durchfuhr. Doch sein Griff war schwach.

«Es waren drei Linienschiffe«, sagte Inch.»Wäre die Bar-racouta nicht gekommen.»

«Ich bitte Sie, Sir«, flüsterte Tuson.»Er ist sehr geschwächt und wird seine ganze Willenskraft brauchen, um die nächste Operation zu überleben.»

Bolitho drehte sich um.»Ist sie denn unbedingt notwendig?»

Tuson zuckte die Achseln.»Wundbrand, Sir. «Mehr brauchte er nicht zu sagen.

Bolitho beugte sich wieder über die Koje.»Geben Sie nicht auf, Francis. Sie haben noch viel Gutes vor sich. «Er hätte Inch gerne über die französischen Schiffe ausgefragt, aber das war jetzt ausgeschlossen.

Carcaud, Tusons Assistent, wartete mit zwei Gehilfen an einer umgestürzten Kanone. Bolithos Augen brannten. Sie würden Inch festhalten, während Tuson sein blutiges Werk tat.

Bolitho senkte den Kopf, brachte es nicht fertig, Inch anzusehen, den Mann, der soviel Mut und soviel Glück gehabt hatte. Wer scherte sich um sein Schicksal? Seine hübsche junge Frau vielleicht und ein paar alte Kameraden.

Inchs Blick ging an ihm vorbei und erfaßte Allday. Sein langes Gesicht verzog sich zum Schatten eines Lächelns.»Sie haben diesen Gauner ja immer noch bei sich«, flüsterte er.

Dann wurde er ohnmächtig. Tuson bellte:»Jetzt!«Er warf Bolitho einen kurzen Blick zu.»Ich schlage vor, daß Sie sich entfernen, Sir.»

Bolitho erkannte Tuson kaum wieder. Er hatte den kalten Blick des von seinem Metier Besessenen.

Bolitho ging zurück nach oben und sah, daß ein junger Leutnant das Setzen zweier Stagsegel überwachte. Sie würden dem Schiff kaum mehr geben als Steuerfähigkeit, bis die Rahen wenigstens teilweise ersetzt waren. Bolitho sah sich noch einmal Back und Poopdeck an. Das Schiff war aus nächster Nähe beschossen worden und zwar offenbar mit Kartätschen.

Der Leutnant erkannte ihn und salutierte.»Addenbrook, Sir«, sagte er.»Fünfter Offizier.»

«Wo standen Sie während des Gefechts?«Bolitho sah in dem rußgeschwärzten Gesicht wieder Angst und Emotionen aufflackern. Er schätzte ihn auf achtzehn Jahre.