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«Halten Sie unbedingt Kontakt zur oberen Batterie«, sagte Bo-litho.»Und sehen Sie zu, daß Ihre Kanoniere Ruhe bewahren. Auf Sie kommt es heute an.»

Inch nickte.»Midshipman Lory ist bei mir, Sir. Der kann mich auf dem laufenden halten.»

Bolitho schaute an der Doppelreihe der Kanonen entlang. Im Dunkel glitzerten die Augen der Männer, alle blickten ihn an.»Viel Glück, Jungs!«Deck und Bordwände waren rot gestrichen, damit man das Blut nicht so deutlich sah; aber was es zu sehen gab, würde schlimm genug sein. Der Midshipman starrte ihn unve rwandt an — Bolitho dachte an das Furchtbare, das er seinerzeit auf seinem ersten Schiff erlebt hatte. Knapp dreizehn Jahre war er alt gewesen, da hatte er in der unteren Batterie eines Schiffes wie der Hyperion Dienst getan. Vielleicht war der Schrecken so unfaßbar gewesen, daß er an Wirklichkeit verlor; anders war kaum zu erklären, weshalb er damals nicht verrückt geworden war.

Dankbar kehrte er ans Tageslicht zurück und überlegte, was er mit Pomfret anfangen sollte. Wie würde er es geistig und seelisch verkraften, wenn er unten im Orlopdeck verstaut wurde?

Rowlstone stand am Fenster der Kapitänskajüte und starrte blicklos zur Tenacious hinüber.»Soll ich auf Station gehen, Sir?«fragte er.

Bolitho antwortete nicht gleich. Er trat an die offene Tür der Schlafkabine und blickte an Fanshawe, der zusammengesunken dasaß, vorbei zur Koje hin. Pomfret lehnte beinahe aufrecht im Bett, die Brust in der stickigen Luft entblößt; seine Blicke folgten der schwingenden Deckslaterne.

Bolitho sprach ruhig zu ihm.»Wir stehen kurz vor einem Gefecht, Sir. Haben Sie irgendwelche Befehle?»

Die blassen Augen hefteten sich auf Bolithos Gesicht.

Hilflos sagte Fanshawe:»Ich glaube, er versteht Sie nicht, Sir.»

Langsam und deutlich sagte Bolitho:»Sir Edmund, die Franzosen sind durchgebrochen!«Doch Pomfret zuckte mit keiner Wimper.

Hinter ihm sprach jetzt Rowlstone:»Ich werde ihn ins Orlop schaffen, Sir, da kann ich ein Auge auf ihn halten.»

Bolitho faßte ihn beim Arm.»Moment noch!«Pomfrets Hände hatten sich an den Kojenrändern festgekrallt; die Knöchel waren weiß vor Anstrengung. Er öffnete den Mund, brachte aber kein Wort hervor.

Bolitho sah Pomfret in die Augen, hielt sie mit seinem Blick fest, wollte ihn durch pure Willenskraft zum Sprechen zwingen. Einen Sekundenbruchteil glaubte er, einen Funken des Begreifens in diesen Augen zu lesen.

Leise befahl Bolitho:»Sie bleiben hier bei ihm, Fanshawe. «Pomfrets Finger entspannten sich etwas.»Ich werde den Admiral informiert halten, soweit ich kann. «Dann wandte er sich schnell ab und ging wieder aufs Achterdeck.

Der ferne Kanonendonner war verstummt, die Schiffe ließen sich jetzt im Teleskop klar erkennen. Das verfolgte Schiff war ein Vierundsiebziger wie die Hyperion, und als es sich leicht in den Wind legte, sah er, daß es den Besanmast verloren hatte. Doch war ein Behelfsmast aufgeriggt, und der Gefechtswimpel flatterte tapfer über den durchlöcherten Segeln. Eben stieg eine Reihe Signalflaggen zur Rah hinauf.

«Die Zenith, vierundsiebzig Kanonen, Kommandant Kapitän Steward, Sir«, erklang Pipers schrille Stimme.

Bolitho nickte, hielt aber sein Glas über das havarierte Schiff hinweg auf das Gedränge der stumpf-weißen Bramsegel gerichtet. Er zählte sechs feindliche Schiffe; dann mußte er das Glas absetzen, um sein Auge auszuruhen. Sie fuhren in unregelmäßiger Gefechtsformation und luvten bereits langsam an.

Herrick senkte sein Glas.»Die haben den Windvorteil, Sir, daran ist nicht zu rütteln«, sagte er.

Bolitho schaute über das Achterdeck.»Signal an alle: >Formieren zur Gefechtslinie vor und hinter dem Flaggschiff!««Unter den Signalgasten brach fieberhafte Tätigkeit aus, aber er sah nicht hin. Steward war ihm nicht ganz unbekannt. Ein guter Kapitän. Schon begann er zu halsen, um Front gegen den Feind zu machen und die Spitze der britischen Formation zu übernehmen. Achteraus bestätigte Dash soeben Bolithos Signal; Minuten später schwangen auch die Rahen der Tenacious herum, und sie manövrierte sich behäbig hinter das Flaggschiff.

Bolitho empfand dieses Wort als Hohn: Flaggschiff. Pomfret war der Sprache nicht mehr mächtig, fiel als Befehlshaber völlig aus.

Und es war elf Jahre her, seit Bolitho an einer richtigen Seeschlacht beteiligt gewesen war. In der Schlacht bei den Saintes hatte er eine kleine Fregatte kommandiert. Und damals waren die gegnerischen Streitkräfte an Bewaffnung und Kampferfahrung seinen eigenen ungefähr gleich gewesen.

Er wandte sich noch einmal zu den feindlichen Schiffen um. Zwei zu eins. Selbst Rooke würde das Risiko für ziemlich hoch halten.

«Wir passieren Backbord zu Backbord, Sir«, sagte Herrick.»Ihren Kurs zu kreuzen, das schaffen wir nicht mehr.»

Bolitho nickte. Cozar lag in Luv; anscheinend kam er von diesem verdammten Stück Erde nicht los, er konnte machen, was er wollte. Jetzt wirkte die Insel als Barriere, die ihn daran hinderte, nach Luv aufzukreuzen. Und wenn er seinen jetzigen Kurs beibehielt, würden die französischen Schiffe die Hyperion an Backbord passieren und sie der Länge nach bestreichen, ehe sie wenden und wieder feuern konnte.

«Signal an alle: >Segel kürzen!««befahl er. Die Zenith hatte ihr Manöver beendet und war jetzt an der Spitze. Durch sein Glas konnte er erkennen, wie die Buggeschütze des Feindes sie zugerichtet hatten; besonders die Heckaufbauten waren stark beschädigt. Gelassen sagte er:»Wir durchbrechen die feindliche Linie in der Mitte, meine Herren. So erringen wir den Windvorteil und jagen ihnen einen Schrecken ein. «Er sah Herrick bestürzte Blicke mit Ashby tauschen und sprach weiter:»Das heißt, daß uns nur drei Breitseiten bevorstehen statt sechs!»

Er wandte sich um, denn hinter sich hörte er Alldays Schritte, der ihm Galarock und — hut brachte. Stumm sahen die Männer auf dem Achterdeck zu, wie ihr Kommandant den Rock seiner Alltagsmon-tur auszog und in die Ärmel des anderen fuhr. Das tat er vor jedem Gefecht. War es Wahnsinn oder Eitelkeit? Er wußte es nicht genau. Vielleicht wollte er auch im Gegensatz zu seinem Vorgänger auf der Hyperion nichts Wertvolles hinterlassen, wenn er heute fallen sollte. Die schiere Dummheit dieses Gedankens beruhigte ihn, und die zuschauenden Matrosen und Seesoldaten sahen ihn sogar schwach lächeln. Allday hielt ihm den Degen hin und fragte leise:»Muß ich beim Admiral bleiben, Sir?«Verzweifelt sah er zu den knienden Geschützbedienungen hin.»Mein Platz ist doch hier.»

«Ihren Platz bestimme ich, Allday! Aber ich finde Sie schon, wenn ich Sie brauche, keine Sorge«, entgegnete Bolitho und nickte ihm zu.

«Beide Schiffe haben bestätigt, Sir!«rief Piper. In der tiefen Stille klang seine Stimme überlaut.

«Recht so. Jetzt bereiten Sie ein weiteres Signal vor, Mr. Piper, aber hissen Sie es noch nicht: >Der Reihe nach wenden und wieder Gefechtslinie formieren!»»

Er zog den Degen und wog die Klinge in Händen. Der Stahl war eiskalt. Zu allen auf dem Achterdeck sagte er dann:»Anschließend folgt ein letztes Signal. Und das bleibt stehen, bis ich Gegenorder gebe!»

Piper sah von seiner Schreibtafel auf, das Gesicht vor angestrengter Konzentration verzerrt.»Fertig, Sir!»

Bolitho blickte den näher kommenden Schiffen entgegen. Jetzt dauerte es nicht mehr lange. Zu Pipe r sagte er:»Wenn wir die gegnerische Formation durchbrechen, hissen Sie >Kampf auf kürzeste Distanz«!»

Damit stieß er den Degen in die Scheide zurück.»Und jetzt, Mr. Herrick, können Sie Befehl zum Laden und Ausrennen geben. «Noch eine Sekunde blickte er Herrick an, wollte ihm die Hand drücken, irgend etwas Persönliches oder auch nur Banales sagen. Aber der rechte Moment war schon vorbei.

Herrick faßte an den Hut und hob sein Sprachrohr. Er hatte den Schmerz in Bolithos Augen gesehen und wußte Bescheid, auch ohne Worte.