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Unter den Decksgängen warteten schweigend die Geschützbedienungen bei ihren Kanonen. Dort war das Deck mit Sand bestreut, damit die nackten Füßen der Matrosen besseren Halt fanden, wenn der Kampf erst im Gange war: neben jedem Zwölfpfünder stand ein frischgefüllter Wassereimer für den Schwabber oder zum Löschen, falls Planken oder Tauwerk, beide trocken wie Zunder, Feuer fangen sollten. Bei jedem Niedergang hielt ein MarineInfanterist mit aufgepflanztem Bajonett Wache, breitbeinig das leichte Rollen des Schiffes ausgleichend, dessen Pflicht es war, jeden vor Angst kopflosen Matrosen, dem der Kampf an Deck zu heiß wurde, daran zu hindern, daß er nach unten floh.

Endlich nahm Bolitho doch ein Teleskop und richtete es über die Finknetze. Das Sträflingsschiff taumelte massig vor der Linse vorbei, doch dann hatte er das Glas richtig eingestellt und auf einen Punkt dicht unter der Kimm fixiert, direkt auf den Backbordbug des vordersten feindlichen Schiffes. Er brauchte den Kopf nicht zu wenden, sondern wußte auch so, daß die Umstehenden ihn beobachteten. Sie hatten sich die aufkommenden Schiffe schon längst genau angesehen. Jetzt wollten sie wissen, wie er reagierte, und das würde sie entweder zuversichtlich stimmen oder verunsichern. Er biß die Zähne zusammen und versuchte, möglichst ausdruckslos dreinzublicken.

Mit vorsichtigen Bewegungen des Glases glich er das Rollen der Hyperion aus und sah die beiden Fregatten. Sie segelten so dicht beieinander und mit dem Bug fast auf sein Glas zu, daß sie tatsächlich wie ein einziges riesiges, sonderbar gebautes Fahrzeug aussahen. Das eine lag etwas voraus, hatte auch mehr Segel gesetzt, und eben entfalteten sich unter seinem Blick auch noch die Bramsegel. Sechsunddreißig Kanonen hatte sie mindestens, und die zweite Fregatte war nicht viel kleiner.

Doch weiter achteraus und auf Steuerbordbug lag ein Linienschiff. Wie die Fregatten fuhr es keine Flagge; aber der Bau des Vorschiffs, der elegante Schwung der Masten waren nicht zu verkennen: ein französischer Zweidecke r, wahrscheinlich aus einem der Mittelmeerstützpunkte ausgelaufen, um Hoods Blockade zu testen. Bolitho senkte das Glas und blickte zu den Transportern hinüber. Da haben die Franzosen gleich zu Anfang einen guten Happen, dachte er grimmig.

«Wir behalten diesen Kurs bei, Mr. Rooke«, sagte er.»Hat keinen Zweck, nach Süden auszuweichen. Der Gegner ist im Vorteil, wenn er in Luv bleibt, und südwärts«-, er lächelte flüchtig —,»liegt nur Afrika, weiter nichts.»

Rooke nickte.»Aye, Sir. Glauben Sie, daß sie angreifen werden?»

«In spätestens einer Stunde geht's los, Mr. Rooke. Der Wind könnte abflauen. Ich würde an ihrer Stelle bestimmt angreifen.»

Aus dem, was er im Teleskop gesehen hatte, versuchte er, sich ein Bild von dem französischen Zweidecker zu machen. Er war nur ein bißchen größer als die Hyperion; aber, und das schlug stark zu

Buche, er würde vermutlich schneller sein, denn er hatte ausgiebig im Hafen gelegen. Dockarbeiter und Takler hatten sich ausführlich mit ihm beschäftigen können.

Er faßte einen Entschluß.»Ruder zwei Strich Backbord. Wir beziehen Position dicht achteraus vom Geleit. Signal an die Harve-ster: >Gehen Sie sofort auf Station in Luv des Führerschiffs<.»

«Und die Snipe, Sir?«fragte Rooke gespannt.

«Die kann wohl ihre gegenwärtige Position beibehalten. «Er stellte sich das Unheil, die totale Zerstörung vor, welche die Breitseite einer Fregatte auf einem so zerbrechlichen Schiffchen anrichten mußte.

«Jetzt ist der Gegner am Zug — und das sehr bald.»

Mit rundgebraßten Rahen kreuzte die Hyperion langsam das Kielwasser der anderen Schiffe, während die Harvester, Bram- und Royalsegel wie in plötzlichem Kampfeseifer ballonartig gebläht, kühn am Heck die Justice vorbeirauschte und sich ebenso schwungvoll die Erebus, dem vordersten Transportschiff, näherte.

«Die feindlichen Fregatten sind über Stag gegangen, Sir«, rief Leutnant Dalby. Bolitho beschattete die Augen. Beide Schiffe schwangen herum und krängten stark im Wind. Nach dem Manöver mußten sie parallel zum Geleitzug laufen, mit etwa fünf Meilen Abstand. Selbst ohne Glas konnte Bolitho ausmachen, daß ihre Stückpforten noch geschlossen waren. Zweifellos konzentrierten sich die beiden Kommandanten vorerst darauf, in möglichst günstige Schußposition zu kommen.

Der Zweidecker hielt majestätisch seinen Kurs, als wolle er achteraus am Geleit vorbei, ohne es überhaupt zu beachten. Sein Kommandant tat genau das, was Bolitho ebenfalls getan hätte: er ließ die beiden Fregatten auf das Geleit los und entweder die Har-vester oder das Führerschiff angreifen — oder beide zugleich. Wollte die Hyperion näher heran, um der Harvester beizustehen, würde sie einige Zeit brauchen, um zurückzusetzen und das Geleit von achtern zu schützen; inzwischen konnte der Zweidecker bereits zugeschlagen haben. Es war die älteste Lektion in Kriegskunst: divide et impera- teile und siege.

«Kurs Nord zu Ost, Sir, voll und bei«, meldete Gossett.

«Recht so. «Er starrte zum Mastwimpel hoch.»Signal an Geleit: >Alle verfügbaren Segel setzen!<«Und Rooke befahl er scharfen

Tones:»Schnell wieder die Royals los, ich will sehen, was der Zweidecker darauf unternimmt.»

Unter Vollzeug schloß die Hyperion zu den Transportern auf, und augenblicklich reagierten die französischen Schiffe. Das Linienschiff hatte zweifellos erwartet, daß Bolitho zum Geleit aufschließen und es so gut wie möglich vor einem Zangenangriff schützen würde. Eine Flucht war unwahrscheinlich und auch nicht sinnvoll. Doch da die englischen Schiffe bereits außer Schußweite zu kommen drohten, hatten die Franzosen gar keine Wahl — sie mußten die Jagd aufnehmen.

Hauptmann Ashby atmete langsam aus.»Da — bei Gott!«Der hohe Zweidecker wendete bereits; wild flappten die Segel, als er durch den Wind ging. So schnell reagierte er auf Bolithos Taktik, daß er übermäßig krängte, als wolle seine Großrah die Wellenkämme streifen. Unter den Gischtbrettern, die das Manöver aufwarf, verschwanden die unteren Stückpforten völlig.

Der Segeldrill auf dem Franzosen war offenbar lange nicht so gut wie auf der Hyperion — wahrscheinlich weil jener mehr Zeit im Hafen als auf offener See verbracht hatte. Doch innerhalb einer Viertelstunde standen ihre Bram- und Royalsegel wie eine riesige Pyramide aus strahlend weißer Leinwand.

«Sie überholt uns, Sir«, sagte Rooke tonlos.»In einer halben Stunde ist sie gleichauf. «Doch Bolitho blickte unbewegt nach vorn und beobachtete die Justice. Sie war jetzt eine knappe Meile entfernt und konnte wie die anderen Transporter das Tempo nicht mithalten. Die beiden feindlichen Fregatten lagen näher an dem Führerschiff: angestrengt durch das Gewirr der Takelage spähend, sah er an der vordersten Fregatte eine Reihe kurzer Mündungsfeuer aufblitzen, begleitet von einer Rauchwolke.

Es schien Stunden zu dauern, bis das dumpfe Rumpeln der Kanonen an sein Ohr drang; und dann sagte Bolitho:»Sie können jetzt laden lassen, Mr. Rooke. Sorgen Sie dafür, daß die erste Breitseite ordentlich Schrapnell enthält, das bringt Glück!»

Gewöhnlich war die erste Salve auch die letzte, bei der man einigermaßen Zeit hatte, genau zu zielen. Danach war das Feuern mehr Routine — und Gefühlssache. Und im unteren Batteriedeck würde es noch schlimmer sein. Dort hatten sie kaum Platz genug zum Aufrechtstehen und feuerten in einem Inferno von Enge, erstickendem

Qualm, halber Finsternis und Grauen, das besser im Verborgenen blieb.

«Die Harvester schießt zurück, Sir!»

Bolitho nickte. Mit halbem Auge sah er, wie seine Kanoniere die mattglänzenden Kugeln von den Gestellen holten und sie in die gähnenden Rohre rammten. Erfahrenere Geschützführer prüften jede Kugel mit beinahe liebevoller Gründlichkeit. Manche waren besser gerundet als andere. Diese wählten sie für die erste Breitseite aus.