Изменить стиль страницы

Moresbys Stimme klang gepreßt.»Zur Hafeneinfahrt, Bolitho! Wir müssen Anduaga Feuerschutz geben!«Er fuhr herum, denn die Luft erzitterte unter einer vollen Salve der Festungsbatterie. Hohe Fontänen stiegen um das spanische Flaggschiff auf, aber immer noch hatte dieses keinen einzigen Schuß abgegeben.

«Zwei Strich Backbord, Mr. Gossett!«befahl Bolitho. Dann blickte er zu Quarme hinüber.»Geschütze laden und ausrennen!«Er wunderte sich, wie ruhig seine Stimme klang, denn ihm war, als müßte bei Moresbys letztem Befehl sein ganzes Innere aufschreien.

Es war so zwecklos, der Märte zu folgen. Schon von dem Moment an, da die französische Flagge gehißt wurde, war es sinnlos gewesen. Kein Schiff konnte gegen eine gutplazierte Festungsbatterie etwas ausrichten. Und dann auch noch heiße Kugeln! Verzweifelt schaute er zu den Rahen seiner Hyperion empor, die unter dem Zug der Brassen knirschend überkamen. Jede Leine, jede Spiere, jede Planke über der Wasserlinie war trocken wie Zunder.»Eimerkette bilden, Mr. Quarme!«rief er.»Sie wissen, was passiert, wenn auch nur eine heiße Kugel länger als eine Minute in den Planken steckt!»

Moresby senkte sein Glas.»Signal an Princesa: Position achteraus einnehmen!«Übers Wasser kam Trommelklang, und das Vier-undsechzig-Kanonen-Schiff rannte seine Geschütze aus.

«Zu spät!«stieß Bolitho unwillkürlich hervor.

Der Admiral sah ihn nicht an.»Vielleicht kann sich die Märte noch zurückziehen. Wenn wir sie mit allen Kräften unterstützen…«Er brach ab und erstarrte: eine mächtige Flammenzunge schoß an der Bordwand des Flaggschiffs hoch. Sie war so riesig, daß die Märte dagegen ganz klein aussah. Zwar hatte sie endlich ihre Geschütze ausgerannt, aber schon als die Oberdeckbatterie eine unregelmäßige Salve feuerte, hatte die Flammenwand die ganze Steuerbordseite verschluckt, so daß die schlagenden Segel und die bunten Flaggen in Sekundenschnelle nur noch Asche im Wind waren.

Brauner Rauch trieb wie eine Nebelwand von der Steinmauer oberhalb der Klippen über die See, alle paar Sekunden donnerten die schweren Geschütze, und mit jedem Schuß wurde die Feuersbrunst unten schlimmer. Irgendwie waren Klüver und Fock der Märte verschont geblieben, so daß die Brise das Schiff herumschwang. Die träge Drehung trieb die Flammen jedoch quer über das Oberdeck, und in zwei Minuten brannte es hellauf vom Bug bis zur Kampanje; von dem überfüllten Achterdeck sprangen winzige Gestalten ins Meer, wo schon viele um ihr Leben kämpften und in den glitzernden Wellen Schutz vor den Flammen suchten.

Bolitho riß sich von diesen Schrecken los und konzentrierte sich auf den Abhang, der dem Bug der Hyperion direkt gegenüberlag.

«Ein Strich Steuerbord!«Er hörte, wie Caswell erschüttert Atem holte, und vernahm in der unheilschwangeren Stille auf der Hyperion das Prasseln und Knistern des brennenden Schiffes — als wäre er mitten in einem Alptraum. Die todgeweihte Märte trieb immer näher, bis die vorspringende Landzunge sie gnädig den Blicken entzog. Aber dahinter sah man den schwarzen Rauchpilz hochsteigen, dem ein dichter Schauer sprühender Funken entwich; gnadenlos zerhackte die Festungsbatterie das geschlagene Schiff zu einem Haufen schwelender Wrackteile.

Bolithos Mund war knochentrocken, aber er durfte nicht an sich denken. Die Märte hatte eine Besatzung von etwa siebenhundert Mann gehabt. Dazu kamen über zweihundert Soldaten und hundert Pferde, die jetzt vor Angst und Schrecken tobten.

Vom Berghang kam ein gelbroter Blitz, und dann folgte ein Schlag hoch über dem Deck. Bolitho blickte auf das qualmende Loch im Großbramsegel, und dann auf den Admiral.

«Wir müssen angreifen, Bolitho«, sagte Moresby mit zusammengebissenen Zähnen.»Was anderes können wir doch gar nicht tun!»

Bolitho sah einem weiteren Geschoß nach, das an der Großrah vorbeipfiff und wie eine tollwütige Schlange über die Wellenkämme tanzte.»Wir müssen uns zurückziehen!«entgegnete er.»Bei allem Respekt, Sir — aber diese Runde haben wir verspielt. «Wieder staunte er über seine steinerne Ruhe, obwohl sich sein Schiff mit jeder Minute der Hafeneinfahrt näherte. Noch eine Viertelstunde, dann mußte er wenden. So oder so. Mit eiserner Beherrschung sprach er weiter:»Die Frogs können uns zu Kleinholz hauen, Sir. Und wenn wir wirklich bis zur anderen Seite des Hafens kommen und einen Landeversuch machen, dann warten sie schon am Ufer auf unsere Boote.»

Er sah Moresbys verzweifelte Miene und konnte seine Erwägungen nur ahnen. Was der Admiral zu diesem Zeitpunkt auch unternahm, es mußte zum Ruin seiner Laufbahn führen. Ein AchtzigKanonen-Schiff vernichtet, seine Mannschaft verbrannt oder gefangengenommen, und dazu noch die französische Flagge über Cozar, unberührt, unerreichbar! Schließlich verdrängte Bolitho sein Mitleid und sagte rauh:»Um Gottes willen, Sir! Gegen diese Geschütze können wir nicht an!»

Da blickte Moresby zu seinem Admiralswimpel hoch, der am Vormast flatterte, und sagte mit seiner alten Entschlossenheit:»Führen Sie Ihr Schiff, wie Sie wollen, Bolitho! Aber wir werden vor diesen verräterischen Hunden nicht kneifen!«Kirschrot vor Wut schrie er:»Jetzt nicht — und niemals! Das ist mein letztes

Wort!»

Bolitho blickte ihm fest und kalt ins Gesicht und trat zur Reling.»Steuerbordbatterie feuerklar, Mr. Quarme! Volle Elevation! Wir feuern, sobald wir die Landzunge gerundet haben. «Flüchtig sah er hoch: noch verdeckte ein Berggrat das Schiff vor den feindlichen Kanonieren. Aber es war nur eine Frage der Zeit, bis die Hyperion ins Schußfeld von mindestens sieben Geschützen schwersten Kalibers geriet.

Auf allen Decks pfiffen die Bootsmannsmaaten den Befehl aus, und die Geschützmündungen beider Batterien hoben sich mit metallischem Kreischen himmelwärts. Als dann der Schatten des Schiffs beinahe den Fuß der Klippe streifte, senkte sich tiefes Schweigen über alle Decks; sogar das Dröhnen der feindlichen Kanonen war verstummt.

Ashbys Marine-Infanteristen, die in dichtem Pulk im Achterschiff in Bereitschaft gestanden hatten, verteilten sich jetzt auf Deck und in den Netzen, die geladenen Musketen schußbereit. Leutnant Shanks, Ashbys Stellvertreter, stand an der Kampanjere-ling, den schweren Schleppsäbel noch in der Scheide; trotzig schien er die hoffnungslose Unterlegenheit von Musketenfeuer gegenüber glühenden Kanonenkugeln zu ignorieren.

«Sir!«rief Caswell eben,»die Princesa dreht ab!»

Tatsächlich. Ob der Anblick der auf die Küste zuhaltenden Hyperion den spanischen Kapitän erschreckt oder geängstigt hatte — jedenfalls entschied er sich dafür, dem eigenen Urteil zu gehorchen und nicht dem letzten verzweifelten Signal Moresbys.

«Dieser feige Hund!«murmelte der Admiral heiser.»Den lege ich für diese Schweinerei in Eisen!»

Bolitho ignorierte ihn, was angesichts des nahen Todes für sie alle nicht auffiel. Seine Angst vor Verwundung und Qualen unter dem Messer des Schiffsarztes, die ihn sonst jedesmal vor einer Seeschlacht befiel, war einer dumpfen Resignation gewichen. Seltsam — wäre er nicht so eigensinnig und hartnäckig gewesen, hätte er jetzt noch in Kent Rekruten anwerben können. Er dachte an Mores-bys Starrköpfigkeit und wurde plötzlich wütend. Daß seine Leute — mochten sie nun aus Vaterlandsliebe aufs Schiff gekommen sein oder weil der blinde Zufall sie einem Preßkommando in die Fänge getrieben hatte — ihr Leben einem Mann wie Moresby anvertrauen mußten, der, wenn alles schiefgegangen, wenn bewiesen war, daß er falsch gehandelt hatte, keinen anderen Rat wußte als einen sinnlosen Heldentod! Und wenn dann die alten Planken der Hyperion neben denen der Märte verrotteten, würde die französische Flagge immer noch über der Festung wehen!

Ein breiter Strahl Sonnenlicht fiel über das Achterdeck, und mit Schrecken bemerkte Bolitho, daß sein Schiff bereits in das ruhigere Wasser der Hafeneinfahrt glitt. Dort drüben lag der fernere Landarm der Einfahrt, ein unvollendeter Wall, dessen Steine in der Sonne glänzten wie die Zähne eines Riesen. Er konnte jetzt die kleine Schaluppe ausmachen, die in einer Bucht zwischen hohen Hügeln wie im Schütze grüner Mauern vor Anker lag. Ein paar winzige Gestalten ruderten in einem Kutter an ihrem Bug vorbei, ohne sich um das zu kümmern, was sich unterhalb der Festung abspielte. Sie waren so unbekümmert, daß sie zu rudern aufhörten, als sich der Bugspriet der Hyperion in die Einfahrt schob; ja, ein Mann stand sogar auf und spähte herüber.