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III Sir Williams letztes Wort

Bolitho blieb unter der Kampanje stehen, bis sich seine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, und trat dann aufs Achterdeck hinaus. Auf den ersten Blick gab es noch keine Anzeichen dafür, daß die Morgenröte bereits hinter der Kimm wartete, doch als er hochblickte, erkannte er, daß die Sterne hinter dem schwarzen Gewebe der Takelage und den geisterhaften Umrissen der Segel verblaßten, und daß der Himmel nicht mehr samtschwarz, sondern geheimnisvoll purpurn war. Jedesmal hatte Bolitho aufs neue seine

Freude an diesem Anblick.

Ein Schatten nahte sich von der Achterdecksreling: Quarme.»In einer halben Stunde geht die Sonne auf, Sir. Ich habe wie befohlen das Wecken eine Stunde früher angesetzt. Die Leute haben auch schon gegessen.»

Bolitho nickte.»Recht so. «Er konnte jetzt schon besser sehen. Längsseit verzischten Glut und Asche im Meer: die Köche warfen die Reste des Kombüsenfeuers über Bord — auch das hatte er befohlen. Auf einmal fühlte er sich steif und verkrampft. Hätte er sich doch nur Zeit gelassen, noch einen Becher Kaffee zu trinken!

Vizeadmiral Moresby bewohnte Bolithos Quartier, daher hatte er selbst in einer provisorischen Koje im Kartenraum geschlafen. Die meisten anderen Kommandanten hätten unter diesen Umständen die Kajüte des Ersten Offiziers okkupiert; aber in seiner derzeitigen grüblerischen Stimmung fühlte sich Bolitho in der Abgeschlossenheit des kleinen Kartenraumes wohler, mochte es auch etwas eng sein.

Seit fast drei Tagen hielt die Hyperion, gefolgt von zwei spanischen Linienschiffen, Kurs auf die Insel Cozar. Es waren ungemütliche Tage mit irritierenden Konferenzen zwischen Moresby und dem spanischen Admiral gewesen, wobei nicht viel mehr geklärt wurde, als daß jeder beabsichtigte, nach seinem eigenen Kopf zu handeln. Jetzt lagen die beiden Schiffe mehrere Meilen achteraus; ohne Sinn für Dringlichkeit und Zeitplanung hatten sie zur Nacht einfach beigedreht.

«Toppgasten aufentern, Mr. Quarme«, sagte Bolitho unvermittelt.»Lassen Sie Bramsegel, Groß und Fock reffen. Marssegel und Klüver genügen für unser Vorhaben.»

Quarme gab den Befehl weiter, und unmittelbar darauf setzte hektische Aktivität über Deck ein.

Nach Bolithos sorgfältiger Berechnung lag die Insel jetzt etwa vier Meilen an Steuerbord voraus; und vor der achtern aufgehenden Sonne würden verschlafene Wachtposten die Hyperion um so schlechter ausmachen können, je weniger Segel sie führte. Auch daß sie weniger Fahrt machte, würde dabei nur von Vorteil sein.

Doch alle seine sorgfältig geplanten Vorsichtsmaßregeln konnten sich als sinnlos erweisen, denn der spanische Admiral hatte am Vorabend, als er mit seinen beiden Kommandanten zu einer weiteren langen Konferenz an Bord der Hyperion gekommen war, ausdrücklich erklärt, es sei durchaus möglich, daß Cozar noch in spanischer Hand sei; Bolithos komplizierte Vorbereitungen, seine heimliche Annäherung mochten bloßer Zeitverlust sein. Zwar konnte Bolitho die Franzosen nicht leiden, doch er hatte Respekt vor ihnen und unterschätzte sie keineswegs. Es wäre dumm gewesen, die Möglichkeiten zu übersehen, die ihnen eine so mächtige Festung bot.

Der spanische Admiral, Don Francisco Anduaga, war ein stolzer, schlanker, hochmütiger Aristokrat, der von Anfang an ungeniert deutlich machte, was er davon hielt, unter Moresbys Oberbefehl zu stehen. Moresby war klein, untersetzt, aggressiv, und Anduagas Stolz interessierte ihn einen Schmarren. Wie ein hartnäckiger Ter-rier wühlte er in ihren Plänen herum. Und es gab in der Tat sehr wenige Punkte, über die sich die beiden Admirale einig waren. Die Spanier akzeptierten das britische Signalsystem und in großen Zügen den Plan der Annäherung, aber das war schon fast alles. Jedoch bei seinem letzten Besuch hatte Anduaga wenigstens einen nützlichen Beitrag geleistet. Er hatte einen tief brünetten Leutnant mitgebracht, der tatsächlich auf Cozar Dienst getan hatte, als es noch Strafkolonie gewesen war. Seine Informationen waren eindrucksvoll, aber günstig nur für diejenigen, die auf der Insel saßen und sie beherrschten.

Cozar war knapp fünf Meilen lang und schien der ungastlichste Fleck der Erde zu sein. Von gefährlichen Klippen und verstreuten Felsen umgeben, war es nur durch die große natürliche Bucht an der Südseite erreichbar; dann gab es noch einen zweiten Landeplatz direkt unter den Kanonen der starken Bergfestung. Am anderen Ende lag ein Hügel mit einem alten Maurenkastell und einer kleineren Batterie, um jeden abzuwehren, der tollkühn genug war, bei Tag oder Nacht die Klippen zu stürmen. Und in der Mitte zwischen diesen beiden erhob sich ein dritter, über tausend Fuß hoher Berg, von dem aus selbst ein Halbblinder jedes sich nähernde Schiff sehen konnte, noch bevor es voll über der Kimm stand.

«Ein scheußlicher Ort, Capitano«, hatte der Spanier mit melancholischem Augenrollen gesagt.»Nicht einmal geeignet für wilde Tiere.»

Aber Bolitho wollte mehr wissen.»Was ist mit Trinkwasser?

Gibt es genug?»

«O nein. Sie sind vom Regen abhängig, der in einer künstlichen Zisterne aufgefangen wird. Wenn mehr gebraucht wird, muß es per Schiff geholt werden. «Verlegen schlug er die Augen nieder.»Von der Hafenstadt St. Clar; aber damals waren wir natürlich noch mit Frankreich alliiert, verstehen Sie.»

Ärgerlich war Moresby dazwischengefahren:»Wenn Sie daran denken, ihnen die Wasserversorgung abzuschneiden, Bolitho, dann müssen Sie sich was anderes einfallen lassen. Für eine Blockade bleibt uns keine Zeit, und überhaupt wissen wir gar nicht, welche Vorräte sie haben.»

Irritiert hatte Anduaga von einem zum anderen geblickt.»Aber was machen Sie sich alle für Sorgen?«Er hatte eine sanfte, seidenweiche Stimme, die durchaus zu der absoluten Überlegenheit paßte, mit der er allen Mitmenschen gegenübertrat.»Die achtzig Kanonen meiner Märte können sie in Stücke hauen! Doch ich versichere Ihnen, es wird keine Franzosen dort geben. «Grausam glitzerten seine Augen.»Die spanische Garnison weiß ganz genau, daß sie es mit mir zu tun kriegt, wenn sie so dumm ist und sich diesen französischen Kuhbauern ergibt!»

Eine Stimme unterbrach Bolithos düsteres Grübeln:»Land! Land in Luv voraus!»

Nervös fuhr er herum.»Fallen Sie einen Strich ab, Mr. Gossett!«Und zu Quarme:»Lassen Sie >Klar Schiff zum Gefecht< anschlagen, bitte, aber lassen Sie noch nicht laden oder ausrennen.»

Wieder schrillten die Pfeifen, und als sich die dunklen Decks mit wimmelnden Gestalten füllten, fragte Quarme gelassen:»Wollen Sie dem Admiral Bescheid sagen, Sir?»

Unter Deck erhob sich ein mächtiges Getrampel und Gescharre: Trennwände wurden umgelegt, allerlei herumstehendes Geschirr unter die Wasserlinie geschafft, damit die Geschützbedienungen nicht behindert wurden.

«Sir William wird es wohl schon gemerkt haben, Mr. Quarme«, entgegnete Bolitho trocken.

Er hatte kaum ausgeredet, da spritzte ein Midshipman von der Kampan je herbei und stammelte ganz außer Atem:»Empfehlung vom Admiral, Sir, und… und…«Er stockte, weil ihn alle gespannt anblickten.

«Also mein Junge, was hat er nun gesagt?«fragte Bolitho.

Der arme Midshipman stammelte:»Er hat gesagt: >Was, zum Deibel, soll der Quatsch

Bolitho hielt seine Stimme unter Kontrolle.»Richten Sie Sir William meinen Respekt aus und informieren Sie ihn, daß ich soeben >Klar Schiff zum Gefecht< habe anschlagen lassen. «Und mit einem kalten Blick auf Quarme:»Aber wie ich sehe, dauert das bereits über zehn Minuten. «Er sah, wie Quarme erstarrte, und fuhr gleichmütig fort:»Geben Sie mir mein Glas. «Dann zog er sich in die Besanwanten hinauf und enterte auf, die erstaunten Blicke der anderen in seinem Rücken. Langsam quälte er sich zur Besansaling empor und spürte dabei die klammen, schwankenden Webeleinen durch die Schuhsohlen; zu seinem eigenen Ärger war sein Griff fester als nötig, beinahe ein krampfhaftes Anklammern. Große Höhen waren ihm zuwider, und zwar seit er zum erstenmal, als zwölfjähriger Midshipman, aufgeentert hatte. Auch jetzt tat er es nur aus Wut und Stolz, das wußte er recht gut, und dieses Wissen ärgerte ihn um so mehr.