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Bolitho sah, wie der Fähnrich einen Schritt nach vorn machte, die Hände wie flehend halb erhoben.

Brown rief:»Das werden Sie noch bedauern!»

Bolitho hätte sich gern umgedreht, um zu sehen, wie weit die Schiffe jetzt waren; aber jedes Zeichen von Unsicherheit konnte sich fatal auswirken, vielleicht sofort einen neuen Frontalangriff bringen. Wenn der Feind gewußt hätte, daß die Kanonen bereits vernagelt waren, dann wäre er längst auf der Insel gewesen. Bolitho fühlte sich plötzlich sehr verwundbar. Aber wieviel schwerer mußte es für Huyghue sein. Mit sechzehn Jahren in einem fremden Land unter Feinden zurückgelassen zu werden, wo sein Verschwinden oder sein Tod kaum Staub aufwirbeln würde.

D'Esterre rief hinüber:»Ich würde lieber Ihren stellvertretenden Kommandeur austauschen.»

«Nein. «Oberst Brown streichelte beim Sprechen den Kopf des Hundes, wie um sich zu beruhigen.

Offensichtlich hat er seine Befehle — wie wir alle, dachte Bolitho.

Die Erwähnung des stellvertretenden Kommandeurs hatte lediglich beweisen sollen, daß Paget seine Gefangenen noch in Gewahrsam hatte und daß sie am Leben waren. Diese Erkenntnis konnte Huyghue vielleicht das Leben retten.

Ein Geschütz bellte plötzlich auf, seltsam hohl und wie erstickt. Die Miliz hat also ihre Kanonen bereits in Stellung gebracht, dachte Bolitho. Die Enttäuschung gab ihm einen Stich ins Herz, bis er ferne Jubelrufe hörte.

Stockdale keuchte:»Eins der Schiffe hat geankert, Sir!»

D'Esterre blickte Bolitho an und sagte:»Wir müssen gehen, ich will des Jungen Elend nicht noch verlängern.»

Bolitho rief hinüber:»Hören Sie, Mr. Huyghue, alles wird gutgehen. Sie werden bestimmt bald ausgetauscht!»

Huyghue mußte wohl bis zum letzten Augenblick an Rettung geglaubt haben. Jetzt versuchte er, ins Wasser zu laufen, und als ein Soldat ihn am Arm ergriff, fiel er auf die Knie und rief schluchzend:»Helft mir doch, laßt mich nicht zurück, bitte, helft mir!»

Selbst der Oberst schien von des Jungen Verzweiflung gerührt; trotzdem bedeutete er den Soldaten, ihn wieder den Strand hinauf zu bringen.

Bolitho und seine Gefährten wandten sich um und gingen zum Fort zurück; Huyghues verzweifelte Schreie folgten ihnen wie ein Fluch.

Die Fregatte hatte ziemlich weitab vom Land geankert, ihre Segel waren aufgegeit, und bereits strebten Boote der Insel zu.

Die kleinere Spite segelte näher heran, die Lotgasten lagen im Netz unter dem Klüverbaum und hielten Ausschau nach Riffen oder Sandbänken.

Die Schiffe sahen so sauber, so fern aus, daß Bolitho sich plötzlich vom Land angewidert fühlte, von dem schweren Geruch des Todes, der sogar noch den des nächtlichen Feuers überlagerte.

Quinn stand am Tor und studierte Bolithos Gesicht, als dieser wieder zu den anderen zurückkehrte.

«Ihr habt ihn zurückgelassen?»

«Ja. «Bolitho blickte ihn ernst an.»Ich hatte keine andere Wahl. Wenn wir ihn gegen diesen Gefangenen ausgetauscht hätten, wäre es sinnlos gewesen, überhaupt hierher zu kommen. «Er seufzte.

«Aber ich werde sein Gesicht so bald nicht vergessen.»

Paget blickte auf die Uhr.»Die ersten Verwundeten hinunter zum Strand!«Er blickte Bolitho an.»Meinen Sie, daß die Burschen noch einen Angriff versuchen werden?»

Bolitho hob die Schultern.»Unsere Schwenkgeschütze könnten sie jetzt bei Tageslicht in Schach halten, Sir, aber es würde uns die Arbeit nicht gerade erleichtern.»

Paget blickte auf, als noch mehr Jubelrufe vor dem Fort ertönten.»Einfache Seelen. «Er wandte sich ab.»Gott segne sie!»

Ein Marineinfanterist kam die Leiter vom Wall herabgeeilt.»Mr. Raye hat Soldaten und Artillerie auf dem Hügel gesichtet, Sir.»

Paget nickte.»Richtig. Wir müssen uns beeilen. Signal an Spite: schleunigst ankern und die Boote schicken. «Während Quinn mit dem Soldaten zum Turm eilte, fügte Paget, zu Bolitho gewandt, hinzu:»Das wird heiße Arbeit für Sie, fürchte ich, aber was auch geschieht, jagen Sie aufjeden Fall das Magazin in die Luft!«»Was wird mit den Gefangenen, Sir?»

«Wenn Platz und Zeit reichen, lasse ich sie auf die Fregatte bringen. «Er verzog den Mund zu einem verkniffenen Grinsen.»Wenn ich als Nachhut zurückbliebe, würde ich sie mit dem Magazin zusammen hochgehen lassen, diese verdammten Rebellen. Aber da Sie die Nachhut führen, bleibt es Ihnen überlassen.»

Die Boote der Vanquisher waren inzwischen am Strand, Seeleute hoben bereits die Verwundeten an Bord und schienen entsetzt über die geringe Zahl der Überlebenden.

Nun kamen auch die Boote der Spite und übernahmen Verwundete, um sie in Sicherheit und ärztliche Obhut zu bringen.

Bolitho stand auf dem Wall oberhalb des Tores, das Stockdale in dieser ersten, furchtbaren Nacht, als Quinn die Nerven verlor, geöffnet hatte.

Das Fort wirkte schon leerer, nur unten bei den beiden Geschützen am Damm sah er noch eine kleine Gruppe von Rotröcken. Sobald er den Befehl zum endgültigen Rückzug gab, würden Sergeant Shears und seine Leute an den Geschützen befestigte Zündschnüre in Brand setzen. Zwei kräftige Sprengladungen sollten dann die Kanonen unbrauchbar machen.

Bolitho überlegte. ob man in England jemals von all diesen Ereignissen erfahren würde, von all den kleinen, aber tödlichen Aktionen, die das Ganze ausmachten. Wenig wurde über die wirklichen Helden geschrieben, dachte er. Über die einsamen Männer der Angriffsspitze oder diejenigen, die zurückgelassen wurden, um einen Rückzug zu decken. Sergeant Shears mochte im Augenblick vielleicht dasselbe denken.

Plötzlich gab es einen lauten Knall, dem ein heulender Orgelton folgte, als eine schwere Kanonenkugel über ihre Köpfe flog und sich dann mit Wucht in den Sand bohrte.

Fähnrich Couzens deutete auf den Steilhang jenseits des Wassers:»Sehen Sie, Sir? Dort, der Rauch! Sie haben oben die erste Kanone abgefeuert!»

Bolitho musterte ihn. Couzens sah blaß und kränklich aus. Es würde wohl einige Zeit dauern, bis er sich von den Schrecken des nächtlichen Kampfes erholt hatte.

«Melden Sie es dem Major. Er wird es sicher schon wissen, aber sagen Sie es ihm trotzdem. «Als Couzens zur Leiter lief, fügte er noch hinzu:»Danach melden Sie sich beim dienstältesten Offizier der Boote. Kommen Sie nicht zurück. «Er sah die verschiedensten Gemütsbewegungen im Gesicht des Jungen widergespiegelt: Erleichterung, Sorge und schließlich Trotz, und fuhr fort:»Ich bitte Sie nicht darum, das ist ein Befehl!»

«Aber, Sir, ich möchte bei Ihnen bleiben!»

Bolitho wandte sich um, als ein neuer Knall vom Hang her ertönte. Diesmal flog die Kugel übers Wasser, wo sie von Welle zu Welle sprang wie ein Delphin.

«Ich weiß, aber wie soll ich es Ihrem Vater erklären, wenn Ihnen etwas passiert? Wer wird dann den Apfelkuchen Ihrer Mutter essen?»

Er hörte etwas wie ein unterdrücktes Schluchzen, und als er sich wieder umdrehte, war der Platz neben ihm leer. Noch ein bißchen Zeit gewonnen für dich, dachte Bolitho traurig. Couzens war drei Jahre jünger als Huyghue, ein Kind!

Er sah ein Aufblitzen und hörte die Kugel über das Fort heulen. Sie hatten sich jetzt eingeschossen, das Geschoß schlug dicht bei der Fregatte ins Wasser und überschüttete eins ihrer Boote, das gerade zur Insel zurückkehrte, mit einer Woge von Gischt.

D'Esterre kam die Leiter herauf, um nach ihm zu sehen.»Die letzte Abteilung schifft sich jetzt ein, mit den meisten Gefangenen. Major Paget hat den Franzosen im ersten Boot hinübergeschickt, er will kein Risiko eingehen. «Er nahm den Hut ab und starrte zum Damm hinüber.»Abscheulicher Ort.»

Eine Stimme rief vom Hof herauf:»Die Vanquisher geht Anker auf, Sir!»

«Möchte wohl weg, bevor sie von Oberst Brown ein Stück Blei aufs Achterdeck gesetzt bekommt. «D'Esterres Ausdruck wurde besorgt.»Das könnte der Zündfunke sein, der den Angriff auslöst, wenn sie annehmen, daß wir alle abhauen, Dick.»

Bolitho nickte.»Ich mache mich fertig. Hoffentlich habt ihr ein schnelles Boot für uns!»