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Rowhurst, verwirrt und bestürzt über den Wechsel der Ereignisse, hielt an und starrte auf den sich blind vorwärts tastenden Leutnant.

Es war Wahnsinn, nochmals mit ihm zu den Kanonen zu gehen. Ihre einzige Chance lag in einer schnellen Flucht zu den Toren des Forts, jedes weitere Verweilen verringerte die Aussicht auf Überleben.

Rowhurst war Freiwilliger und stolz darauf, einer der besten Artilleriemaaten der ganzen Flotte zu sein. Wenn das Schicksal ihn weiterhin begünstigte, konnte er in etwa einem Monat mit Beförderung zum Deckoffizier und der Versetzung auf ein anderes Schiff rechnen.

Er beobachtete Quinns jämmerliche Bemühungen, ein Geschütz zu finden, das noch geladen und wegen der Flucht der Bedienungsmannschaft nicht abgefeuert war. So oder so bedeutete es für ihn das Ende. Wenn er blieb, würde er mit Quinn zusammen sterben. Wenn er flüchtete, würde Quinn ihn des Ungehorsams und der Ungebührlichkeit gegenüber einem Offizier beschuldigen.

Er seufzte tief auf und entschloß sich zu bleiben.

«Hier, dieses ist es!«Und mit einem gezwungenen Grinsen fügte er hinzu:»Sir!»

Ein an den Rädern lehnender Leichnam zuckte, als mehrere Schüsse ihn trafen. Es war, als erwachten die Toten wieder zum Leben, um Zeugen dieses äußersten Wahnsinns zu sein.

Das Donnern des Geschützes, als die doppelte Ladung Schrot und Kugeln in die dichten Reihen der Angreifer schlug, schien Quinn wieder zur Besinnung zu bringen. Benommen tastete er nach seinem wundervoll ziselierten Dolch, seine Augen tränend, seine Ohren betäubt von dem Krach der Detonation.

Alles, was er sagen konnte, war:»Danke, Rowhurst, danke!»

Aber Rowhurst hatte mit seinen trüben Ahnungen recht behalten. Er lag im nassen Sand und starrte mit weit offenen Augen in den Rauch; in der Mitte seiner Stirn klaffte ein kreisrundes Loch. Kein Artilleriemaat hätte besser zielen können.

Quinn ging wie im Traum davon. Die weißen Hosen toter Soldaten schimmerten in der Dunkelheit, starrende, gebrochene Augen und verstreute Waffen kennzeichneten den Ort des Grauens.

Quinn merkte jetzt, daß Lärm und Hurrageschrei vom Damm her verstummt waren. Die anderen hatten wohl auch genug.

Er hielt an, plötzlich wieder gespannt und kampfbereit, als einige Gestalten vor ihm auftauchten. Aber es waren Bolitho, Stockdale und zwei Seesoldaten.

Quinn blickte zu Boden; er wollte sprechen, erklären, was Ro w-hurst getan, wozu er ihn getrieben hatte. Doch Bolitho ergriff ihn am Arm und sprach beruhigend auf ihn ein.»Der Korporal hat mir alles erzählt. Ohne deinen Einsatz wäre jetzt niemand außerhalb des Forts mehr am Leben.»

Sie warteten, während die Linie der Marineinfanteristen vom Fort her vorrückte und die zerschlagenen und blutenden Reste der Ve r-teidiger in eine vorläufige Sicherheit passieren ließ.

Bolithos ganzer Körper schmerzte, sein rechter Arm war schwer wie Blei. Er verspürte noch immer die Angst und Verzweiflung der vergangenen Stunden: das Stampfen und Schnauben der Pferde, die aus dem Dunkel schlagenden und stechenden Säbel und dann den plötzlichen, verbissenen Widerstand seiner eigenen, zusammengewürfelten Truppe.

Couzens war von einem Pferd überrannt worden und besinnungslos, drei Seeleute waren tot. Ihn selbst hatte ein Säbelhieb an der Schulter getroffen, die Schneide hatte sich angefühlt wie ein glühendes Messer.

Jetzt waren die Pferde zurückgeschwommen oder mit der Strömung abgetrieben, einige ihrer Reiter aber waren geblieben, für immer.

D'Esterre stieß durch den dünner werdenden Qualm zu ihnen.

«Wir haben sie abgeschlagen. Es hat Verluste gekostet, Dick, aber es kann unsere Rettung gewesen sein. «Er nahm seinen Hut ab und fächelte sich damit das schweißüberströmte Gesicht.»Seht ihr? Endlich hat der Wind gedreht. Wenn unser Schiff draußen steht, dann kann es jetzt hereinkommen.»

Er sah, wie ein Marineinfanterist vorbeigetragen wurde, dessen Bein bis zur Unkenntlichkeit zerschmettert war. In der Dunkelheit schimmerte sein Blut wie frischer Teer.

«Wir müssen Ersatz zum Damm schicken. Ich habe schon neue Geschützbedienungen angefordert. «Couzens taumelte auf sie zu und rieb sich stöhnend den Kopf.»Gut, daß er soweit in Ordnung ist. «D'Esterre setzt den Hut wieder auf, als er seinen Sergeanten sah, der auf ihn zueilte:»Ich fürchte, sie haben den anderen Fähnrich, Huyghue, gefangengenommen.»

Quinn sagte mit gebrochener Stimme:»Ich habe ihn zu dir geschickt. Es war mein Fehler.»

Bolitho schüttelte den Kopf.»Nein. Ein paar von den Feinden sind gezielt in unsere Linien eingedrungen, um Gefangene zu machen. «Er steckte den Degen in die Scheide, wobei er feststellte, daß der Griff völlig blutverschmiert war. Seufzend versuchte er, Ordnung in seine jagenden Gedanken zu bringen; aber er empfand immer noch das Grauen des wilden und erbitterten Kampfes Mann gegen Mann. Er sah Gesichter vor sich, hörte Schreie und Stöhnen.

War es diesen ungeheuren Preis wert gewesen?

Und morgen, nein, heute würde all das noch einmal von vorn anfangen.

Er hörte Quinn sagen:»Sie brauchen mehr Pulver für die Kanonen! Kannst du das erledigen?»

Eine anonyme Gestalt in kariertem Hemd und weißer Hose eilte von dannen, um seinen Befehl zu übermitteln.

Quinn blickte ihn an.»Wenn du Major Paget Bericht erstatten willst, dann bleibe ich hier und beaufsichtige das. «Wartend beobachtete er Bolithos angestrengtes Gesicht und fügte hinzu:»Ich kann es, wirklich!»

Bolitho nickte.»Ich wäre dir dankbar, James. Bin gleich wieder zurück.»

Jetzt ließ sich Stockdale vernehmen:»Ohne Rowhurst brauchen Sie einen guten Geschützführer, Sir. «Er lächelte Quinn ermutigend zu:»Weiterhin so viel Erfolg, Sir!»

Bolitho bahnte sich durch Gruppen von Verwundeten einen Weg ins Fort. Jede r von ihnen war ein kleines Eiland des Schmerzes im Schein der Laternen. Das Tageslicht würde ihnen erst den vollen Umfang dessen eröffnen, was sie erlitten hatten.

Paget stand in seiner Stube, und obgleich Bolitho wußte, daß er die Verteidigung vom ersten Augenblick an überwacht und persönlich geleitet hatte, sah er aus, als hätte er den Raum kein einziges Mal verlassen.

Jetzt sagte er zu Bolitho:»Natürlich werden wir den Damm heute nacht auch weiterhin halten. «Er zeigte mit einladender Geste auf eine Weinflasche.»Morgen werden wir jedoch die Evakuierung einleiten. Wenn das Schiff kommt, schicken wir als erstes die Verwundeten an Bord und diejenigen, die während der Nacht Wache gestanden haben. Uns bleibt keine Zeit mehr für Bluff. Da sie Gefangene von uns haben, wissen sie auch, was wir planen.»

Bolitho ließ den Wein genüßlich durch seine Kehle rinnen. Gott, das schmeckte gut! Besser als alles, was er je gekostet hatte.

«Was machen wir, wenn das Schiff nicht kommt, Sir?»

«Nun, das würde die Sache vereinfachen. «Paget musterte ihn kalten Blickes.»Dann jagen wir das Fort in die Luft und kämpfen uns durch. «Er lächelte kurz.»Aber es wird nicht dazu kommen.»

«Ah, ich verstehe, Sir. «Tatsächlich verstand er nichts.

Paget warf ein paar Schriftstücke durcheinander.»Sie sollten jetzt schlafen, eine Stunde wenigstens. «Er hob die Hand.»Das ist ein Befehl! Sie haben gute Arbeit geleistet, und ich danke Gott, daß dieser Narr Probyn sich anders entschieden hat und nicht hiergeblieben ist.»

«Ich möchte noch Mr. Quinn lobend erwähnen, Sir. «Der Major verschwamm bereits vor seinen Augen.»Und die beiden Fähnriche. Sie sind alle sehr jung.»

Paget preßte die Fingerspitzen zusammen und betrachtete ihn, ohne zu lächeln.»Nicht so alter Krieger wie Sie, was?»

Bolitho nahm seinen Hut und ging zur Tür. Bei Paget wußte man sofort, woran man war. Er hatte ihn zum Schlafen abkommandiert, und der Gedanke daran ließ ihn gleich die Augen schließen und sich hinlegen.

Gleichzeitig wußte er auch den wahren Grund von Pagets Fürsorge: Jemand mußte zurückbleiben und die Zündschnur anstekken. Das erforderte ein gewisses Maß an Geschicklichkeit.