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«Auf Riemen!«Bolitho hob den Arm, um Schweigen zu gebieten.

Wieder war er sich der Weite der See und ihrer Einsamkeit bewußt, als die Riemen bewegungslos und tropfend auf dem Dollbord lagen. Er hörte das Gurgeln des Wassers um das Ruder herum, als das Boot in der Dünung noch langsame Fahrt machte. Dann das Klatschen eines weiteren Fisches, das schwere Atmen der Ruderer.

Schließlich flüsterte Quinn:»Ich höre den anderen Kutter, Sir!»

Bolitho nickte und wandte das Gesicht nach Steuerbord. Nun hörte auch er das gedämpfte Quietschen von Riemen in ihren Dollen. Sparke hatte etwa die gleiche Schlagzahl und war auf einer Höhe mit ihnen. Also kommandierte er leise:»Ruder an!»

Couzens neben ihm hustete nervös und fragte:»Wie — wie viele Mann wird der Feind haben, Sir?»

«Das kommt darauf an. Wenn sie schon eine oder gar mehrere Prisen gekapert haben, werden es nicht allzu viele sein. Wenn nicht, haben wir etwa die doppelte Anzahl gegen uns — oder auch mehr.»

«Verstehe, Sir.»

Bolitho wandte sich ab, Couzens verstand es bestimmt nicht, aber er war imstande, wie ein Veteran darüber zu reden.

Er fühlte den Nebel in seinem Gesicht wie einen kalten Hauch. Bewegte er sich rascher als vorher? Vor ihm erstand eine Vision aufkommenden Windes, der den Nebel wegtreiben und sie hilflos den Kanonen des Schoners ausliefern würde. Schon eines der kleinen Schwenkgeschütze konnte die Besatzung zerfetzen, noch bevor es zum Handgemenge kam.

Er blickte langsam über die Reihen der sich abmühenden Ruderer und über die anderen im Boot, die auf ihren Einsatz warteten. Wie viele von ihnen würden die Seite wechseln und überlaufen, wenn das geschähe? Es war schon oft genug vorgekommen, wenn britische Seeleute auf Kaperschiffen gefangengehalten wurden. Die Trojan hatte einige Leute in ihrer Besatzung, die während der letzten zwei Jahre gefangengenommen worden waren, sei es an Land oder auf See. Sie hatten es vorgezogen, auf sehen des Feindes zu kämpfen, als das Risiko von Krankheit oder möglichem Tod auf einem Gefangenenschiff einzugehen. Wo Leben war, gab es immer Hoffnung.

Er rieb seine Narbe, die so stark schmerzte, als wolle sie wieder aufplatzen.

Stockdale öffnete die Klappe seiner Laterne ein wenig und blickte auf den Kompaß.

«Kurs liegt an, Sir«, sagte er. Es schien ihn zu amüsieren.

Weiter und weiter ging es, die Leute an den Riemen wurden ausgewechselt, alles lauschte auf die Geräusche von Sparkes Kutter oder auf irgendein Zeichen von Gefahr.

Bolitho überlegte, daß der Schonerkapitän mit seiner Kenntnis der örtlichen Verhältnisse rechtzeitig mehr Segel gesetzt und somit den Nebel ausgesegelt haben konnte, daß er jetzt, schon Meilen entfernt, sich ins Fäustchen lachte, während sie langsam und qualvoll pullten, bis sie an irgendeiner Stelle von Neuenglands Küste landeten.

Er malte sich aus, was danach sehr rasch Wirklichkeit werden konnte: Sie kämen vielleicht unbemerkt an Land und würden versuchen, ein kleines Schiff zu stehlen und sich unter Segel davonzumachen. Aber was dann?

Baileines heiserer Ruf ertönte:»So etwas wie ein Lichtschimmer voraus, Sir!»

Bolitho stolperte nach vorn, alles andere war vergessen.»Dort, Sir.»

Bolitho strengte seine Augen an und starrte in die Dunkelheit. Ein Schimmer, das war die richtige Beschreibung, wie ein Kneipenfenster im Hafennebel. Keine Form, kein Mittelpunkt.

«Eine Laterne. «Balleine feuchtete seine Lippen an.»Hängt sehr hoch. Es ist also noch so ein Strolch in der Nähe.»

Bunces Berechnung war sehr genau gewesen, sonst hätten sie leicht das Schiff oder das Licht passieren können, ohne im Nebel etwas davon zu sehen. Der Abstand betrug eine knappe Meile.

«Auf Riemen!«Als er ins Bootsheck zurückkehrte, sagte er:

«Dort vorn liegt er, Jungs! Entweder Bug oder Heck uns zugewandt. Wir nehmen, was kommt.»

Quinn rief heiser:»Mr. Sparke holt uns ein, Sir.»

Sie hörten Sparke rufen:»Sind Sie bereit, Mr. Bolitho?«Es klang ungeduldig, seine vorherigen Zweifel schienen vergessen.

«Aye, Sir.»

«Wir greifen an beiden Enden an. «Sparkes Boot wurde durch den Nebel undeutlich sichtbar, sein weißes Hemd und die Breeches trugen noch zu der geisterhaften Erscheinung bei.»Auf diese Weise können wir die Besatzung spalten.»

Bolitho sagte nichts, aber sein Herz wurde schwer. Von beiden Enden — also lief das Boot, das am weitesten pullen mußte, Gefahr, gesehen zu werden, bevor seine Besatzung aufentern konnte.

Sparke ließ wieder anrudern und rief:»Ich übernehme das Heck.»

Bolitho wartete ab, bis das andere Boot frei von ihnen war, und ließ dann ebenfalls anrudern.»Weiß jeder, was er zu tun hat?»

Couzens nickte, das Gesicht konzentriert.»Ich bleibe im Boot,

Sir.»

Quinn stieß hervor:»Ich unterstütze Sie, Sir… äh… Dick, und übernehme das Vordeck.»

Bolitho nickte.»Und Balleine hält seine Leute zurück, bis sie die Musketen benützen können.»

Cairns hatte richtigerweise hierauf bestanden. Irgendein Narr konnte seine Muskete zu früh abfeuern, wenn die Gewehre von Anfang an geladen und gespannt gewesen wären.

Bolitho zog seinen Degen aus der Lederscheide und ließ diese auf die Bodenbretter fallen. Dort konnte sie warten, bis er sie wieder brauchte. Wenn er sie beim Angriff trug, konnte er sich daran verfangen und womöglich unter ein Entermesser fallen.

Er fuhr mit dem Daumen über die Klinge, hielt aber die Augen fest auf das flackernde Licht vor ihnen gerichtet. Je näher sie kamen, desto kleiner wurde es, da sein Hof im Nebel schrumpfte.

Im Augenwinkel meinte Bolitho eine Reihe von Spritzern zu sehen; offensichtlich beschleunigte Sparke den Schlag und setzte zum Angriff an.

Mit überraschender Plötzlichkeit tauchten die Masten und Gaffeln des Schoners wie schwarze Stangen aus dem Nebel, und der Schein der Laterne verschärfte sich zu einem einzigen klaren Licht.

Stockdale berührte Couzens Arm, und der Junge fuhr auf, als sei er gestochen worden.

«Hier, die Pinne, Sir. «Er führte Couzens Hand, als sei dieser erblindet.»Übernehmen Sie, wenn ich's sage. «Mit der anderen Hand ergriff er sein altmodisches Entermesser, das doppelt so schwer war wie die modernen.

Bolitho hob den Arm, die Riemen hoben sich aus dem Wasser und verharrten wie federlose Schwingen. Er hielt den Atem an und beobachtete die Richtung des Stromes und die Ruderwirkung. Sie trieben genau auf des Schoners überhängenden Vordersteven zu, unter dem Bugsprit hindurch.

«Riemen ein!«Er sprach in grimmigem Flüsterton, obwohl seine Herzschläge sicherlich bis Boston zu hören waren. Seine Lippen waren wie in einem unkontrollierten, wilden Grinsen erstarrt. Verrücktheit, Verzweiflung, Angst, alles lag darin.

«Klar bei Enterhaken!»

Er beobachtete, wie der schlanke Bug über sie hinwegfegte, als wolle der Schoner sie mit voller Fahrt rammen. Dann sah er Balleine mit dem Enterhaken in der Hand aufstehen, den richtigen Augenblick abwartend, während er sich unter dem Wasserstag duckte, das ihm den Kopf abzureißen drohte.

Plötzlich ertönte ein Knall, gefolgt von einem langgezogenen Schrei. Bolitho sah und hörte alles im selben Augenblick: das Aufblitzen, das von der See selbst herzukommen schien, die Antwortschreie vom Schiff über ihnen, die plötzliche Bewegung, mehr Explosionen, die die Wasseroberfläche aufpflügten.

Wütend sprang er auf.»Los, Jungs!»

Sparke strich er aus seinem Gedächtnis. Der Narr hatte jemandem gestattet, das Gewehr zu laden, es war vorzeitig losgegangen und hatte einen der eigenen Männer getroffen. Es war zu spät. Für sie alle.

Er riß den Arm hoch und packte die sich straffende Bootsleine, als der Enterhaken mit einem dumpfen Geräusch im Bugsprit gefaßt hatte und den Kutter längsseit schleuderte.

«Auf sie, Jungs!»

Mit Händen und Füßen kämpfte er sich aufwärts, den Degen am

Handgelenk baumelnd, und sprang auf das von Explosionen blitzartig erleuchtete Deck. Am anderen Ende des Schoners knatterte heftiges Gewehrfeuer, und während Bolithos Leute über die Back stolperten, geblendet gegen unbekanntes Gerät stießen und stürzten, hämmerten Aufschläge rings um sie her ins Deck oder heulten über den schwankenden Kutter wie irre Geister.