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«Männer auf dem Landungssteg, Sir«, meldete Pearce, der im Bug neben einem Drehgeschütz kniete.»Sie beobachten uns.»

Hoggetts verwittertes Gesicht wurde auf einmal ganz hart. Die nächsten Minuten waren entscheidend. Merkten die Piraten, was gespielt wurde, so hatte man sehr bald das Artilleriefeuer der Festung um die Ohren. Und ein paar Sekunden später lag die Insel zwischen ihnen und dem offenen Meer, dann konnten sie nicht mehr weg. Laut rumpelten ihm die Eingeweide im Leib, und er warf Dancer einen raschen Blick zu. Sein Freund atmete sehr heftig und fuhr erschrocken auf, als Bolitho ihn bei der Schulter faßte und an Deck niederzog.

Bolitho versuchte zu lächeln.»Wenn die dein blondes Haar sehen, dann wissen sie, daß wir wahrscheinlich nicht als Freunde kommen!»

Er wandte sich um, als Verling knurrte:»Gut, daß Sie das sagen. Daran hätte ich selbst denken sollen. «Aber dann blickte er wieder voraus; seine Gedanken waren schon viel weiter als die Dhau.

Wieder donnerten die Geschütze, aber es klang gedämpfter, denn die Brigg war jetzt durch einen Vorsprung der Festungsmauern verdeckt.

Näher, immer näher. Über der Stelle, wo Bolitho lag, tauchte die Turmspitze auf, und er versuchte mühsam, sich die trockenen Lippen zu lecken. Kannte der Feind die Dhau? War sie schon einmal hiergewesen?

Er blickte Verling an, der mit untergeschlagenen Armen neben den beiden Rudergängern stand. Einer von diesen war ein Neger; es gab mehrere Neger unter den Matrosen der Gorgon. Dadurch würde die kleine Gruppe echter wirken, dachte Bolitho; und Verling — jeder Zoll ein Sklaventreiber, das konnte man wahrhaftig sagen.»Laß fallen Großsegel!«kommandierte er.

Die Masse von geflickter Leinwand und Lederschlingen rauschte zu Boden und versank im Schiffsraum, und auf einmal lag das Deck in der hellen Sonne.

Am Kopf der Mole standen ein Dutzend Männer oder noch mehr. Regungslos sahen sie zu, wie die Dhau den brüchigen Steindamm umrundete. Jenseits der Mole befand sich ein hoher, grottenartiger Felseinschnitt, direkt unterhalb der Festungs-mauer. Dort lagen mehrere Schiffe vor Anker; und das größte, eine der ihrigen sehr ähnliche Dhau, lag noch außerhalb, denn ihre Masten waren zu hoch für die Einfahrt gewesen.

Dreißig Fuß. Noch zwanzig. Dann stieß einer der Männer auf der Mole einen Ruf aus, ein anderer kam die Stufen hinuntergerannt und spähte mißtrauisch in das Innere der Dhau.

Gepreßt rief Verling:»Anlegen! Sie haben uns erkannt!«Damit riß er seinen Degen aus der Scheide und sprang mit seinen langen Beinen vom Heckaufbau hinunter auf die Mole, noch ehe Hoggett und seine Leute das lange Ruder herumdrücken konnten.

Jetzt schien alles auf einmal zu geschehen. An Bug und Schanzkleid flogen die Persennige von den Drehgeschützen, und eine Salve fuhr krachend in die Gruppe auf der Mole. Die vordersten fielen, wanden sich schreiend unter einem Hagel von gehacktem Blei, und die weiter hinten Stehenden wurden vom Heckgeschütz reihenweise niedergemäht.

Bolitho merkte plötzlich, daß seine Beine ihn hinter dem Leutnant her auf die Mole getragen hatten, obwohl er sich nicht erinnern konnte, daß und wie er über das Schanzkleid gesprungen war. Matrosen quollen aus allen Luken, sprangen mit wildem Hurrageschrei von Bord und stürmten auf die Hafeneinfahrt zu. Musketenfeuer empfing sie von der Mauer her, und einige fielen bereits, ehe sie zwanzig Meter zurückgelegt hatten.

Aber das Überraschungsmoment tat seine Wirkung. Vielleicht waren die Insassen der Festung auch sorglos und träge geworden. Zu oft hatten sie wahrscheinlich mit angesehen, wie verängstigte, verprügelte Sklaven über diese Mole getrieben wurden. Auf viele von ihnen wirkte die wilde Attacke der Matrosen, das tödliche Blitzen der Entersäbel und — beile so lähmend, daß sie sich von den Männern der Gorgon ohne Widerstand niedermachen ließen.

«Mir nach, Leute!«brüllte Verling — seine mächtige Stimme brauchte kein Sprachrohr.»Auf sie!»

Sie stürmten unter dem Bogengang hindurch und an einigen kleineren Booten vorbei; von der Festung her kam Musketenfeuer die Besatzung schien jetzt begriffen zu haben, was vorging.

Keuchend, fluchend, atemlos fanden sich die attackierenden Seeleute schließlich zwischen zwei Wänden eingezwängt und kamen nicht mehr voran, weil sich ihnen von den oberen Mauern mehr und mehr Verteidiger entgegenwarfen.

Bolitho kämpfte Degen an Degen mit einem wüsten Riesen, der bei jedem wilden Hieb seiner schweren Klinge aus vollem Hals schrie und fluchte. Etwas glitt an seinen Rippen entlang, und er hörte einen Matrosen, es war Fairweather, hinter sich keuchen:»Nimm das, du Hund!«Was ihn berührt hatte, war Fairweathers Pike gewesen, die dem Matrosen fast aus den Händen gerissen wurde, als der Korsar mit einem lauten Schrei über die Treppenbalustrade in die Tiefe stürzte.

Aber rechts und links fielen Matrosen im Kampf. Bolitho spürte, wie seine Schuhe an hingestreckte Arme und Beine stießen, als er sich Schulter an Schulter mit Dancer und Hoggett weiter vorkämpfte. Schon waren Entersäbel und Degen schwer wie Blei in ihren Fäusten. Ein Mann sank seitwärts nieder und geriet unter die Füße der Kämpfenden. Bolitho konnte nur einen Blick auf ihn werfen: es war Midshipman Pearce. Blut rann aus seinem Mund; die Augen waren schon starr und sahen nichts mehr.

Schluchzend, vom Schweiß halb geblendet, hieb Bolitho seinen Degen einem Mann an den Kopf, der einem verwundeten Matrosen den Todesstoß versetzen wollte. Der Mann taumelte zur Seite; Bolitho bekam festen Stand und jagte seine Klinge in die Achselhöhle des Piraten.

«Durchhalten, Leute!«schrie Verling. Er blutete an Hals und Brust und wurde durch eine Meute kreischender, säbelschwingender Piraten fast von der Hauptmasse seiner Truppe abgedrängt.

Bolitho hörte Dancer schreien und drehte sich um. Dancer war in einer Blutlache ausgeglitten und hatte seinen Entersäbel verloren, der klirrend außer Reichweite rutschte. Er wälzte sich herum und starrte mit schreckgeweiteten Augen auf einen Kerl in flatterndem, weißem Gewand, der sich mit erhobenem Scimitar auf ihn stürzte.

Bolitho mußte erst einen Angreifer niederhauen, ehe er an Dancer herankam. Da wurde er zurückgestoßen: Tergorren brach wie ein Stier durch die Menschenmasse und hieb dem Piraten seinen Säbel quer übers Gesicht, das sich vom Ohr bis zum Kinn spaltete.

Und dann übertönte ein Trompetensignal den Kampfeslärm, und Bolitho vernahm die wohlbekannte, mächtige Stimme von Major Dewar, der kommandierte:»Marine-Infanterie zur Attacke, marsch!»

Bolitho zerrte seinen Freund aus dem Getümmel heraus; sein ganzes Inneres zog sich bei so viel Wut und Haß und Kampfgetöse zusammen.

Verlings kühner Angriff hatte einen ganz bestimmten Zweck gehabt: die Hauptmasse der Piraten sollte aus der Festung herauskommen, um die Einfahrt vor der anstürmenden Mannschaft der Dhau zu verteidigen. Was die im Bauch des Schiffes versteckten Seesoldaten empfunden haben mußten, als sie hörten, wie ihre Tischgenossen und Freunde dort oben zusammengeschlagen wurden, während sie selbst auf das Signal zum Vorgehen warteten — das konnte sich Bolitho kaum ausmalen.

Aber jetzt kamen sie. Ihre roten Uniformröcke mit dem weißen Lederzeug glänzten in der Sonne; Verling schwenkte den Degen, um seine Leute von der Treppe zurückzurufen, und Major Dewar brüllte:»Erstes Glied — Feuer!»

Die Musketensalve fegte durch die dichtgedrängten Piraten auf den Stufen; und als die Seesoldaten ihre Gewehre neu luden und die Ladestöcke in einem einzigen Doppeltakt hinab- und wieder hinauffuhren, trat das nächste Glied durch die Lücken, kniete nieder, zielte und feuerte.

Das war mehr als genug. Kopflos flohen die Verteidiger durch den Eingang ins Innere.

Dewar hob den Degen.»Bajonett pflanzt auf! Marine-Infanterie zur Attacke, marsch — marsch!«Und die Männer vergaßen alle Disziplin und rasten brüllend auf den Eingang zu.