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Taylor rannte zum zweiten Geschütz. Sein Gesicht war vor Konzentration ganz verzerrt. Auf die wütenden Zeichen seines teerigen Daumens hebelte hier ein Matrose seine Handspeiche, holte ein anderer eine Talje an.

Er kauerte sich hinter das Rohr, die Augen zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen, und flüsterte heiser:»So. . Sachte! Na komm schon, meine Kleine!»

Die Lunte zündete, und mit knirschendem Krachen schleuderte der Rückstoß das Geschütz innenbords; wie erstickender, dichter Nebel wirbelte der Pulverrauch ins Schiff. Gebannt starrte Bolitho hin. Es schien eine Ewigkeit zu dauern — in Wirklichkeit waren es nur Sekunden. Und dann, als der sorgfältig gezielte Schuß den Bug der Fregatte traf, rissen der straffgefüllte Klüver und das Stagsegel wie alte Lumpen von oben bis unten auseinander.

Die Wirkung zeigte sich im selben Augenblick. Es hatte die Pegaso mitten in der Halse erwischt; die Segel waren sowieso durcheinander, das Schiff rollte hilflos in einem tiefen Wellental, und als es dem Ruder wieder gehorchte, waren die Stückpforten unter Wasser.

Bolitho hörte Rufe in Lee, und als er mit staubtrockener Kehle hinrannte, sah er eine algenbewachsene Klippe an der Bordwand der Sandpiper entlanggleiten, nur einen oder zwei Meter entfernt. In diesen Sekundenbruchteilen erkannte er ganz deutlich die abgeschliffene Form des Felsens, und sogar ein paar winzige schwarze Fische, die es trotz Wind und Strömung fertigbrachten, unbeweglich im Schutz des Riffes stehenzubleiben — dieses Riffes, das einem Schiff so schnell den Kiel herausreißen konnte, wie man von einer Orange einen Streifen Schale ablöst.

Er warf einen raschen Blick zu Dancer hinüber. Der war totenblaß und hatte die Augen weit aufgerissen; er lehnte sich weit über Bord, um die Fahrt des Gegners zu beobachten, und war vom Sprühwasser völlig durchweicht.

Die Pegaso schwankte wie von einer Gegenbö getroffen, und als sie sich wieder aufrichtete, knickte die Bramstenge des Hauptmastes ab und stürzte hinunter an Deck; zwischen den Wanten baumelte ein Gewirr von Takelage und Segelfetzen. Ungläubig schrie Starkie:»Sehen Sie das? Sie muß auf ein Riff gelaufen sein!«Er krächzte vor Aufregung und Erschütterung.»Voll aufgelaufen, bei Gott!»

Bolitho konnte die Augen nicht abwenden. Die Fregatte mußte genau in dem Moment, als sie beim Halsen die Kraft ihrer Vorsegel verloren hatte, auf die Klippe geknallt sein. Um diese paar Meter war es gegangen. Er konnte sich gut vorstellen, was jetzt da drüben für ein Durcheinander herrschte, wie die Männer in den Schiffsraum schwärmten, um das Ausmaß der Havarie festzustellen.

Wenn der Schaden so groß war, daß ein Mast abknickte, dann mußte die Fregatte auch erheblich leckgeschlagen sein, dachte er. Und trotzdem kam sie noch weiter auf, er sah es, seine Augen schmerzten in den flirrenden Sonnenreflexen; da leckte aus dem Buggeschütz eine gelbrote Flammenzunge heraus, und er spürte, wie die Kugel hinter ihm vorbeiheulte und krachend ins Achterdeck schlug wie die Axt eines Riesen.

Tauwerk und Splitter wirbelten über das ganze Deck. Er sah, wie drei Matrosen gegen das Schanzkleid geschmettert wurden; ihre Schreie verloren sich im Wind, und aus ihren zuckenden Leibern schoß das Blut an Deck und zeichnete unheimliche Muster auf die Planken.

Noch eine Kugel — sie schlug in flachem Winkel gegen die Rumpfbeplankung und prallte ab, auf die See hinaus; das Schiff bäumte sich wie ein Pferd, das seinen Reiter abwerfen will.

«Zu den Verwundeten!«brüllte Bolitho.»Mr. Eden soll sie unter Deck schaffen!»

Auf einmal mußte er an Edens Vater in seiner kleinen Offizin denken, wo er Gicht und Magenbeschwerden kurierte. Was der wohl gedacht hätte, wenn er jetzt sehen könnte, wie sein zwölfjähriger Sohn versuchte, einen stöhnenden Matrosen zur Kampanjeleiter zu zerren, wo jeder Fußbreit Wegs von Blut und Schmerzen gezeichnet war!

Verzweifelt sagte Dancer:»Die wollen uns entern!«Aber er zuckte nicht einmal, als eine Kanonenkugel übers Achterdeck flog und ein weiteres Loch in das schon ganz pockennarbige Segel riß.»Das haben wir von unserer ganzen Anstrengung!«schimpfte er.

Bolitho sah sich um. Der Kampfeswille, das Zielbewußtsein der Männer schwanden schnell dahin. Und wer konnte es ihnen verdenken? Die Pegaso hatte jede Bewegung der Sandpiper mitgemacht; sie hatte sich keineswegs überraschen lassen. Sie war aus dem Riffgürtel heraus, und schon sah er die Säbel und Messer in den Händen der Feinde blitzen, die von den Kanonen weg zur Reling rannten, bereit zum Entern. Ihm fiel ein, was Starkie über das Schicksal seiner Offiziere berichtet hatte: Folter und schließlich ein qualvolles Ende.

Er zog seinen Entersäbel und brüllte:»Alle Mann an Steuerbord!«Ungläubig, verzweifelt und stumpf starrten sie ihn an.

Er sprang in die Luvwanten und schwang seinen Entersäbel zur Pegaso hinüber.»Die sollen uns nicht ohne Kampf kriegen!»

Kleine Einzelzüge traten aus dem Gesamtbild heraus. Ein Mann der Sandpiper zog sein Messer und wetzte es an seinem hornigen Handballen, den Blick starr auf die Fregatte gerichtet. Einer kam von Backbord herüber und sah einem anderen in die Augen, wahrscheinlich sein bester, einziger Freund. Kein Wort. Aber seine Miene sprach deutlicher als alle Worte. Eden stand am Niedergang, kalkig weiß im Gesicht, und schon trocknete eines Mannes Blut an seinem Hemd; bald würde auch sein eigenes Blut dort fließen und gerinnen. Dancer. Wie Gold glänzte sein Haar in der Sonne, er schob das Kinn vor, nahm einen Entersäbel vom Deck hoch und stützte sich darauf. Mit der anderen Hand kniff er sich wie mit Klauen in den Oberschenkel, damit ihm der Schmerz die Angst vertreibe.

Ein Mann, der schon beim Entern der Brigg verwundet worden war, lehnte an einem Sechspfünder; sein Bein war dick verbunden, aber mit geschäftigen Händen lud er Pistolen und gab sie an die Kameraden weiter.

Ein Geheul wie von einer Hundemeute tönte von dem dichtbemannten Deck der Pegaso herüber, als sie weiter aufkam und die Schatten ihrer Masten und Rahen über das Wasser hin schon bis zur Brigg reichten, wie um sie einzufangen und zu verschlingen.

Bolitho blinzelte sich den Schweiß aus den Augen. Ungläubig starrte er auf die offenen Stückpforten der Fregatte. Dort zwängte sich doch ein Mann heraus? Und dann noch einer sie klammerten sich beide an das schwarze Rohr, und auch aus den anderen Stückpforten krochen Männer wie Ratten aus der Gosse.

Starkie brüllte:»Die geben das Schiff auf, Sir!«er faßte ihn beim Arm und drehte ihn zu den Netzen hin.»Sehen Sie sich das bloß an!»

Wortlos stand Bolitho neben ihm. Immer mehr Männer sprangen aus den Stückpforten ins Meer und wurden weggewirbelt wie Holzspäne im Strudel einer Wassermühle.

Gauvin, der grimmige Kapitän der Pegaso, mußte Wachen an jedem Niedergang postiert haben; schon bei der irrsinnigen, aussichtslosen Verfolgung mußte er gewußt haben, daß das Leck im Rumpf seines Schiffes tödlich war.

Starkie beobachtete, wie sich der Bug der Fregatte unter dem Gewicht der einströmenden Wassermassen senkte, und wie auf dem Oberdeck, als schließlich auch der letzte begriff, was los war, ein wahres Pandämonium ausbrach.»Hier, ziehen Sie Ihren Rock an!«sagte er zu Bolitho. Seine Stimme war vor Erregung ganz rauh. Er half ihm sogar beim Anziehen und zupfte den Kragen mit den weißen Belägen zurecht.

Er deutete zur Pegaso hinüber, die abzudrehen begann, weil die schwache Ruderkraft dem Druck des einströmenden Wassers nicht mehr gewachsen war.

«Er soll Sie sehen und das ist hoffentlich noch eine Extrastrafe für seine Untaten!»

Bolitho starrte ihn verständnislos an, da fuhr er fort:»Er soll wissen, daß er von einem Midshipman geschlagen worden ist! Von einem Knaben

Bolitho wandte sich ab. Seine Ohren waren voll von den Geräuschen der Selbstvernichtung eines Schiffes, das unter vollen Segeln hilflos herumgeworfen wird. Er hörte, wie die Geschütze aus ihren Halterungen gerissen wurden und schmetternd in das Schanzkleid der anderen Seite schlugen; wie die Spieren an Deck stürzten und die kopflose Mannschaft unter Tauwerk und Leinwand begruben.