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Verfremdet hörte er seine eigene Stimme:»Segel kürzen, Martyn. Laß ›Alle Mann‹ pfeifen!»

Er fühlte, wie die Matrosen ihm auf die Schulter klopften, sah sie ihm zulachen und zuwinken. Nicht wenige weinten.

«Deck ahoi!«Sie hatten den einsamen Mann im Masttopp ganz vergessen.»Segel steuerbord voraus, Sir. «Eine ganz kleine Pause, dann:»Das ist die Gorgon

Bolitho winkte» Verstanden «zum Ausguck hinauf und wandte sich wieder nach Luv, wo die Fregatte am Kentern war. Um sie herum war die See voller Treibgut und Trümmer und auf- und niedertauchenden Köpfen. Aber dort, wo die Sonne nicht hinschien, jenseits der Dünung, sah er eine plötzliche Bewegung im Wasser; die messerscharfen Rückenflossen der Haie zogen schon ihre Kreise um das sinkende Schiff. Über eine Meile bis zu nächsten Küste. Sehr zweifelhaft, ob einer der Schwimmer sie erreichen würde.

Er hob das Fernrohr, um nach der Gorgon Ausschau zu halten; die Augen wurden ihm feucht, als er ihren plumpen, schwarzen, braun abgesetzten Rumpf erblickte und die turmhohe Segelpyramide die nächste Landspitze umrunden sah.

Noch eine Sekunde, dachte er, und er würde zusam-menbrechen und seine Gefühle vor den Umstehenden nicht mehr verbergen können.

Da — eine Bullenstimme:»Was, zum Teufel, ist hier los?«Leutnant Tergorren tauchte mit halbem Leib aus der Niedergangsluke empor; mit seinem verquollenen, grauen Gesicht, den von Wein und Schlimmerem verklebten Haaren, sah er wie ein dem Grab entstiegener Leichnam aus.

Bolitho verspürte eine irrsinnige Erleichterung. Ihm war, als müsse er zugleich lachen und weinen; der wüste Anblick dieses Mannes, der sich während des ganzen Kampfes hilflos in seiner Koje gewälzt hatte, gab ihm den Rest.

Mit bebender Stimme antwortete er:»Ich bitte um Entschuldigung, daß wir Sie gestört haben, Sir.»

Tergorren starrte ihn an und versuchte, mit seinen wütenden, blutunterlaufenen Augen wenigstens nicht zu schielen.

«Gestört?»

«Aye, Sir. Aber wir hatten ein Seegefecht.»

Gelassen sagte Starkie:»Holt Mr. Eden. Ich fürchte, dem Leutnant wird wieder schlecht!»

IX Ehrlos

Kapitän Beves Conway stand am offenen Heckfenster und schützte seine Augen mit der Hand gegen die blitzenden, wild flimmernden Sonnenreflexe. Vor dem Fenster der Kapitänskajüte dümpelte die rückeroberte Brigg in der Dünung, ihre bräunlichen Segel bewegten sich kaum; träge stand sie über ihrem Spiegelbild im Wasser.

In den paar Stunden nach dem abenteuerlichen Durchbruch der Sandpiper durch das Riff und der Vernichtung der Fregatte war der Wind abgeflaut, bis er nur noch wie ein Hauch über das Wasser wehte und die schwere Gorgon ohne Fahrt in der Dünung lag.

Drüben am Horizont war die Küste gerade noch sichtbar. Wie ein fahlgelber Pinselstrich lag sie da und schien in der glühendheißen, wabernden Luft ständig ihre Form zu verändern. Einzelheiten waren nicht mehr zu unterscheiden.

Conway wandte sich langsam um und betrachtete eingehend die Männer, die am Schott beieinanderstanden.

Tergorren, massig, mit blutunterlaufenen Augen, schwankte im langsamen Rollen der Dünung; immer noch war sein Gesicht aschfarben. Die drei Midshipmen und der Steuermannsmaat Mr. Starkie standen etwas abseits.

Verling, der Erste Leutnant, war ebenfalls dabei; seine Nase drückte Mißbilligung aus, als der Kapitänssteward diesen Männern in ihren schmutzigen, zerrissenen Uniformen Madeira kredenzte.

Der Kapitän nahm ein wunderbar geschliffenes Glas von einem Tablett und hielt es in das einströmende Sonnenlicht.

«Ihre Gesundheit, meine Herren. «Er blickte einem nach dem anderen ins Gesicht.»Ich brauche nicht zu betonen, wie außerordentlich zufrieden ich bin, daß die Sandpiper wieder bei der Flotte ist. «Er wandte sich einen Augenblick ab und horchte auf die von der Brigg herüberklingenden Hammerschläge. Schiffszimmerleute reparierten dort die Schäden, die das Geschützfeuer der Pegaso angerichtet hatte.»Später werde ich sie mit Depeschen für den Admiral nach Gibraltar schicken. «Eine Sekunde lang blieb sein Blick auf Tergorren hängen.»Ein vor Anker liegendes Fahrzeug zu entern, ist niemals leicht. Ein derartiges Unternehmen, in dessen weiterem Verlauf obendrein noch durch geschicktes und entschlossenes Handeln eine feindliche Fregatte vernichtet wurde, ist der besonderen Beachtung Ihrer Lordschaften wert.»

Tergorren starrte auf einen Punkt, der irgendwo über der linken Schulter des Kapitäns liegen mußte.

«Besten Dank, Sir.»

Die Augen des Kapitäns glitten zu den Midshipmen hinüber.»Dadurch, daß Sie das alles durchgestanden haben, sind Sie der Möglichkeit, Ihre Erfahrungen in der Praxis zu verwerten, ein gutes Stück nähergekommen ein Vorteil nicht nur für Ihre Karriere, sondern für die Marine überhaupt.»

Bolitho warf einen raschen Blick auf Tergorren. Immer noch starrte der Leutnant an die Kajütendecke, und dabei sah er aus, als sei in Kürze wieder ein heftiger Anfall von Erbrechen fällig.

Im gleichen sachlichen Ton fuhr der Kapitän fort:»Bei Sonnenaufgang, als Sie in den Riffgürtel einfuhren, kreuzten wir etwas weiter südlich. Ganz zufällig stießen wir auf eine schwere Dhau,[7] die bis ans Schandeck mit schwarzem Elfenbein beladen war.»

«Sklaven, Sir?«rief Starkie erregt aus. Der Kapitän warf ihm einen kalten Blick zu. »Sklaven.«Er machte eine Geste mit seinem Glas.»Ich ließ das Fahrzeug entern, und es liegt jetzt hinter der nächsten Landzunge vor Anker. «Er lächelte dünn.»Die Sklaven habe ich zum Festland gebracht und dort abgesetzt ob ich ihnen damit einen Gefallen getan habe, weiß ich allerdings nicht. «Das Lächeln war schon wieder weg.

«Wir haben viel Zeit versäumt und viele gute Männer verloren. Man brauchte eine Armee, um die Insel zu belagern, und selbst dann wäre es zweifelhaft, ob ein Sturmangriff Erfolg hätte.»

Der Posten der Marine-Infanterie auf dem Gang meldete durch die geschlossene Tür:»Schiffsarzt, Sir!«Der Steward eilte zur Tür und ließ Doktor Laidlaw ein, der sich noch im Gehen die Hände sorgfältig an einem Tuch abwischte.

«Ja?«fragte der Kapitän ungehalten.

«Sie wünschten Bericht, Sir. Mr. Hope schläft. Ich habe die Kugel entfernt; und wenn er auch zeitlebens Beschwerden haben wird, braucht der Arm doch nicht abgenommen zu werden.»

Bolitho lächelte Dancer und Eden befreit zu. Jetzt erst war der ganze Alptraum vorbei, und selbst wenn Tergorren verschwieg, daß er an der Vernichtung der Piraten nicht beteiligt gewesen war, konnte das die Befriedigung nicht verderben, die Bolitho empfand. Aber Starkie, das sah er deutlich, starrte Tergorren haßerfüllt an.

Der Kapitän schloß seine Ansprache mit den Worten:»Bei Sonnenaufgang werden wir — vorausgesetzt, daß der Wind wieder auffrischt, was, wie mir Mr. Turnbull versichert, der Fall sein wird, Kontakt mit unserer neuen Prise aufnehmen. Ich beabsichtige, die Sandpiper bei Sonnenaufgang loszuschicken, damit sie die Dhau auf die Festung zujagt. Selbstverständlich wird die Gorgon die Aktion nach besten Kräften unterstützen.»

Bolitho trank seinen Madeira, ohne darauf zu achten, daß der Kapitänssteward mehrmals nachgeschenkt hatte. Auf seinen leeren Magen wirkte der Wein rasch er fühlte sich ganz leicht im Kopf und wie angesäuselt.

Eines war ganz klar: der Kapitän hatte nicht die Absicht, die Piraten auf der von ihnen besetzten Insel ungeschoren zu lassen. Mit der zurückeroberten Sandpiper hatten sich seine Möglichkeiten wesentlich erweitert, und die Wächter auf den Zinnen der Festung mußten genau gesehen haben, wie die Brigg ihr einziges größeres Schiff in die Riffe gelockt hatte.

«Verstanden?«bellte Verling.

Bolitho rief:»Sie werden denken, wir jagen eine Ladung Sklaven, und werden nur auf die Sandpiper feuern und sich um die Dhau gar nicht kümmern, nicht wahr, Sir?»

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7

arabisches Fahrzeug mit Lateiner-Segel (d. Übs.).