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Bolitho starrte auf das dunkle Schiff. Längsseits der Gorgon hätte es sich recht winzig ausgenommen. Hier auf See, von dem niedrigen Kutter aus, kam es ihm riesengroß vor.

Hope dachte laut:»Kleine Fregatte höchstwahrscheinlich. Keine englische. Dazu stehen die Masten zu schräg. «Er schien vollkommen in seine Gedanken versunken zu sein.»Dieser Satan hat sich anscheinend eine ganze Flotte zusammen-geräubert.»

Hope stand auf und stütze sich auf Bolitho. Der fühlte, wie sich die Finger in seine Schulter gruben, und konnte sich vorstellen, wie dem Leutnant jetzt zumute war.»Wenn ich bloß auf meine Uhr sehen könnte!«stieß er leise hervor. Der Bootsmannsmaat grinste.»Da könnten Sie den Hunden da oben auch gleich Alarm geben, Sir.»

«Aye«, seufzte Hope.»Wir müssen eben beten, daß Major Dewar und seine Bullen pünktlich sind.»

Er spähte über das Schandeck und prüfte den Wirbel der Strömung und den Wind in seinem Gesicht. Das Resultat schien ihn zu befriedigen.»Riemen hoch!»

Tropfend hoben sich die Riemen aus dem Wasser und verharrten bewegungslos. Mit der Strömung trieb der Kutter jetzt lautlos voran.

Nun sah Bolitho die vor Anker liegende Brigg. Sie schwojte langsam, mit dem Heck seewärts, und die vergoldeten Fenster der Kapitänskajüte hoben sich etwas heller von dem schwarzen Schiffsrumpf ab. Mit Mühe und Not konnte er ihre beiden Masten ausmachen, und die beschlagenen Segel, die dunkleren Schräglinien der Wanten; und dann versank alles wieder in der Nacht.

Bolitho versuchte, sich in die Situation derer an Bord zu versetzen. Sie hatten die Barkentine geentert und genommen, hatten ihre Ladung geplündert und die Mannschaft niedergemacht. Als ein großes Kriegsschiff in Sicht kam, hatten sie abgedreht und waren hierher zurückgekommen, um sich ihre Prise näher anzusehen. Das Auftauchen der Gorgon vor der Küste mochte wohl allerlei Spekulationen verursacht haben, aber vermutlich fühlten sie sich unter den Geschützen des alten Forts hinreichend sicher. Das Fort stand schon ein paar hundert Jahre an dieser Stelle, wie der Kapitän gesagt hatte. Es hatte mehrmals den Herrn gewechselt, aber immer nur durch Staats- oder Handelsverträge, niemals durch gewaltsame Eroberung. Ein paar Mann hinter diesen geschickt plazierten Geschützen, ein paar heißgemachte Kanonenkugeln alles andere war leicht. Selbst wenn Kapitän Conway mehrere kleine, schnell bewegliche Schiffe unter seinem Kommando gehabt hätte und zehnmal so viele Männer, wäre die Festung kaum zu nehmen gewesen. Und in Friedenszeiten war es sehr zweifelhaft, ob Admiralität und Parlament der Ansicht gewesen wären, dieses stecknadelkopfgroße Stückchen Afrika lohne eine ausgewachsene Belagerung mit allen Risiken, die dabei drohten. Aber andererseits erwarteten sie von Kapitän Conway, daß er etwas unternahm. Für den Anfang zum Beispiel, daß er die Brigg zurückeroberte.

Ein silbriger Lichtstrahl lief plötzlich die Fockmastwanten der Brigg hinauf, und Hope zischte:»Das ist die Bugankerwache — kontrolliert das Ankertau. «Ebenso unvermittelt verlöschte die Laterne wieder.

Der Strom trieb den Kutter schräg auf das Heck der Brigg zu. Hope mußte sich darüber klar sein, daß ihm keine Zeit mehr blieb. Ruhig befahl er:»Riemen ein! Achtung, der Bugmann!«Mit dumpfem Rumpeln wurden die Riemen in die Duchten gezogen; aber Bolitho wußte aus Erfahrung, daß dieses Geräusch, das hier unten in der kühlen Brise ohrenbetäubend schien, auf dem Vorderkastell der Brigg kaum zu hören sein würde.

Eden flüsterte:»Was wird Mr. T-tergorren machen?»

Unter der Spannung lief ein eiskalter Schauer über Bolithos Rücken. Er hörte, wie Hope möglichst leise seinen Degen aus der Scheide zog; gebückt spähte er zur Kampanje der Brigg hinauf, die langsam und stetig aus der Nacht über dem Boot aufstieg. Er antwortete Eden:»Sobald wir geentert haben, wird er vom Bug her angreifen, die Ankertrosse kappen und. . »

«Fertig, Jungs!«rief Hope.

Von See her, weit draußen, kam das Krachen einer Explosion. Ein dunkelroter Schein breitete sich glitzernd auf dem Wasser aus, so daß jede einzelne Welle der Dünung wie Seide schimmerte. Dann noch eine Explosion, und noch eine.

«Dewars Soldaten haben schon angefangen«, rief Hope. Er strauchelte und fiel beinahe, als der Kutter achtern gegen die Brigg stieß und der Bugmann seinen Draggen über die Reling des Fremdlings schleuderte.

«Los, Jungs!«Hopes Ruf kam nach der gespannten Stille wie ein Donnerschlag.»Drauf!»

Unter wildem Geschrei enterten die Männer über den Schiffsrumpf und die offenen Stückpforten auf und strömten in hellen Haufen an Deck. Ein paar stießen auf ein locker aufgelaschtes Enternetz, aber es wurde durchschnitten, ehe noch Alarmrufe aus dem Schiffsinnern ertönten, und, von Hope und dem Bootsmannsmaat angeführt, überschwemmten die Männer das fremde Deck.

Es war eine Szene wie aus der Hölle. Die britischen Matrosen rasten über das Deck; wild erglühten ihre Gesichter im roten Schein der Explosion.

Zwei Gestalten rannten ihnen von der Back entgegen, und ein Pistolenschuß krachte. Ein Matrose stürzte mit einem Schrei auf die Planken; ein anderer stach den einen Verteidiger mit seinem Entersäbel über den Haufen und versetzte dem Fallenden noch obendrein einen Hieb in den Nacken.

Noch mehr Schüsse: die Kugeln schlugen dröhnend in die Planken oder zischten ins Meer. Die Mannschaft der Brigg drängte sich durch die beiden Luken, und eine Anzahl von Hopes Männern fiel unter einer unregelmäßigen Salve von Pistolen und Musketen.

«Bringt die Drehbasse vom Kutter!«brüllte Hope. Er bekam einen Mann zu fassen, der von einer Musketenkugel getroffen war, und ließ ihn aufs Deck niedergleiten; dabei keuchte er:»Wo bleibt denn dieser verfluchte Tergorren?»

Das Vorschiff der Brigg wimmelte jetzt von bleichen Männern, die auf dem Deck, wo sie sich auskannten, Deckung nahmen und auf das weichende Enterkommando feuerten.

Verzweifelt sagte Hope:»Wenn wir nicht zum Nahkampf kommen, sind wir erledigt!»

Die Pistole in der Linken, den krummen Säbel in der Rechten, brüllte er:»Nahkampf, Jungs!«, rannte über das Deck und warf sich auf die nächste Schützengruppe. Einem Gegner jagte er eine Pistolenkugel in die Brust und hieb einem anderen den Säbel ins Gesicht. Angstvolle Schreie zeugten von seinem Erfolg. Unter Flüchen und Hurras folgten die Enterer seinem Beispiel und hieben wie wild auf alles ein, was sich bewegte.

Bolitho feuerte Marracks beide Pistolen in den dichtge-drängten Haufen ab und steckte sie sich wieder ins Koppel. Er riß seinen Entersäbel heraus und parierte damit ein Rundholz, mit dem ein Gegner wie mit einer Lanze nach ihm stieß.

Mitten in Schrecken und Gefahr kam ihm die Erinnerung an seinen ersten Enterangriff. Da hatte ihm ein Leutnant seinen Fähnrichsdolch weggenommen und verächtlich gesagt:»Das ist bloß Spielzeug. Für solche Arbeit braucht man eine Männerwaffe. «Und dann mußte er an Grenfell denken. Der hatte seinen Dolch auch nicht mitgenommen, sondern ihn an der Bordwand der Gorgon hängen lassen.

Er sah das Gesicht seines Gegners über sich; der Kerl brüllte wie der Leibhaftige, aber Bolitho konnte nicht ausmachen, in welcher Sprache. Er spürte einen heftigen Schlag seitlich am Kopf und sah, wie der Arm des Mannes in die Höhe ging; bleich glänzte der Säbel gegen den schwarzen Himmel.

Bolitho drehte sich weg und stieß seinen Entersäbel nach oben. Ein schmerzhafter Hieb traf seinen Arm, aber er merkte, wie der Mann stürzte, seinen Säbel fallen ließ und vom Strudel der keuchenden, kämpfenden Gestalten verschluckt wurde.

Bolitho hörte einen schrillen Schrei und sah Eden halb liegend auf dem dunklen Deck herumtasten, und über ihm stand ein Kerl, der seine Muskete wie eine Keule schwang. Im Blitz eines Pistolenschusses glühten die stieren Augen des Mannes auf, aber sein wütendes Gesicht verzerrte sich zu einer Maske tödlichen Schreckens, als ihn die Kugel zu Boden schmetterte. Bolitho riß Eden hoch und hieb nach einer rennenden Gestalt, aber seine Klinge fuhr nur durch leere Luft.