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Dann setzen sich die Jungen wieder an den Tisch, trinken Tee, knabbern an den Zwiebäcken und verzehren Wurstbrote. Es ist heiß im Raum.

Der Eisenofen, der während der Kälteperiode im Zimmer steht, wird schon seit dem Morgen mit Holz geheizt, das die Jungen beim Pförtner gestohlen haben. Tee und Hitze haben die Jungen müde gemacht. Gedankenlos sitzen sie da und wissen nicht, worüber sie sich unterhalten sollen.

„Biber“, ein Junge aus der dritten Klasse, den es zufällig auf das Bankett verschlagen hat, summt leise das „Äpfelchen“ vor sich hin:

Seht das Äpfelchen am Fenster,
hier in Petrograd, da gibt's Gespenster…

Doch das „Äpfelchen“ paßt nicht recht zu einem Jubiläumsbankett. Die Jungen möchten etwas Feierlicheres, Majestätischeres singen. So stimmt Jankel die Schulhymne an:

Ost und West und Süd und Nord
hat sich hier gefunden.
Eintracht ist das Losungswort,
dem wir treu verbunden.

Alle Jungen fallen ein:

Schluß mit der Vergangenheit!
Lernend nützen wir die Zeit
für das neue Leben,
für das neue Leben!

Nur Kaufmann singt nicht mit. Er findet, daß es weitaus angenehmer ist, sich an dem kleinen Eisenöfchen zu wärmen. Er strahlt über das ganze Gesicht, während er vor dem dickbäuchigen Ofen hockt und mit der Feuerzange in der Glut stochert. „Mamachen, sieh mal nach, wie spät es ist“, sagt Jankel. Doch im selben Augenblick geht die Tür auf, und Elanljum tritt ein. „Schlafenszeit, Jungens. Es ist schon halb eins.“

Widerspruchslos springen die Schkider auf, stellen Tische, Schemel und Stühle lautlos an ihren Platz, räumen die Reste des Jubiläumsbanketts ab und stellen das Geschirr aufs Tablett. Mit liebevoller Sorgfalt packt Jankel die Urheber des Festes — die „Spiegel“ — Nummern — in seine Bank zurück und geht, mit den anderen auf Zehenspitzen zur Tür.

Dort hält ihn Elanljum zurück. Mit dem Kopf weist sie auf den Ofen. Jankel kehrt um. Eilig hantiert er mit dem Feuerhaken und schließt die Klappe, als er sieht, daß keine Glut mehr im Ofen ist. Beim Hinausgehen bemerkt er ein winziges Stück glimmender Kohle. Es ist aus dem Ofen gefallen und liegt nun dicht an der Wand auf dem Fußboden. Jankel müßte es eigentlich aufheben oder austreten, aber er ist zu faul dazu.

Ach, es wird schon nichts passieren. Die Kohle wird gleich ausgehen, denkt er und verläßt die Klasse.

Im Schlafraum ist es still. Alle schlafen. Ihre Atemzüge haben die Luft erwärmt, aber gerade diese stickige Schwüle macht das Zimmer gemütlich. Es riecht so bewohnt.

Die kleine Deckenlampe glimmt so schwach, daß der Schein der Straßenlaterne durch die bereiften Fenster hereinfallen und das Zimmer beleuchten kann. Im Schlafraum ist es still. Manchmal schreckt ein unruhiger Schläfer mit leisem Schrei aus einem bösen Traum hoch und dreht sich erschrocken auf die andere Seite. Dann hebt er den Kopf, setzt sich auf, erkennt, daß er sich weder im Tigerkäfig noch in der Mathematikstunde oder am Rande eines Abgrunds befindet, sondern im vertrauten Schlafraum der Schkid, und beruhigt sich wieder.

Von neuem zieht Stille in den Schlafraum ein.

Jankel erwachte, drehte sich auf die andere Seite und schlug gähnend die Augen auf. Es war noch dunkel. Die anderen Jungen schliefen. Die Deckenlampe glimmte immer noch, aber die Straßenlaterne brannte nicht mehr.

Es wird zwei oder drei Uhr sein, dachte Jankel und ließ den Kopf ins Kissen zurücksinken. Da fiel sein Blick auf ein kleines graues Wölkchen, das unter der Lampe hing.

Verdammt, im Schlaf räum darf man doch nicht rauchen! schoß es ihm durch den Kopf.

Aber er hatte keine Lust zu langen Überlegungen, er war müde, wickelte sich in seine Decke und schloß die Augen. Plötzlich rief jemand im Nebenzimmer nach dem Lehrer. Reibeisen wälzte sich ächzend im Bett herum und stand auf. „Wer hat mich da gerufen?“ krächzte er, blinzelte wehleidig und faßte sich an den Kopf.

„Hasenfuß“ war es, der nach ihm gerufen hatte — der längste, dünnste und gleichzeitig feigste aller Schkider.

„Es raucht irgendwo! Sie sind doch Lehrer, Sie müssen mal nachsehen!“ jammerte er.

Jankel wollte jetzt ebenfalls wissen, woher der Rauch kam. „Wahrhaftig, Onkel Wolodja!“ setzte er dem unglücklichen Sanitäter zu. „Sie müssen unbedingt feststellen, wo es raucht!“ „Du siehst doch, daß ich krank bin, Tschornych!“ stöhnte Reibeisen jämmerlich. „Sieh doch selbst nach.“ Jankel wurde wütend.

„Gehen Sie zum Teufel! Ich bin nicht Ihr Lakai!“ Energisch drehte er sich auf die andere Seite und versuchte zum drittenmal einzuschlafen. Da krachte plötzlich die Tür auf, und eine dicke Rauchwolke drang ins Zimmer. Als sie sich lichtete, erblickte Jankel den Direktor. Vikniksor rieb sich keuchend die Augen. „Jungem, steht sofort auf“, sagte er ruhig und laut, nachdem er wieder sehen konnte.

Das hätte er gar nicht erst zu sagen brauchen. Die Hälfte der Schkider war bereits erwacht. Hastig zogen sich die Jungen an. Sie ahnten, daß etwas Schlimmes passiert war. Als Vikniksor sah, daß Jankel schon einigermaßen fertig angekleidet war, rief er ihn zu sich und sagte leise: „Du mußt versuchen, dich zu Semjon Iwanowitsch, zum Lagerverwalter durchzuschlagen. Aber nimm ein Kissen mit — zum Schutz vor dem Rauch.“

Jankel nickte schweigend, griff nach seinem Kissen und ging zur Tür. „Wo willst du hin?“ rief ihm Biber zu. Er war schon fertig angezogen. Als er begriff, was Jankel vorhatte, erklärte er: „Ich komme mit.“ Jankel nickte. „Los!“

Der Schlafraum summte wie ein aufgescheuchter Bienenschwarm. Die Jungen streiften sich die Sachen über, die Schläfer wurden geweckt. Während Jankel den Raum verließ, hörte er hinter sich Kaufmanns mißmutige Stimme. Die anderen schüttelten ihn und schrien ihm ins Ohr, daß es brenne, aber er lachte nur wütend und hysterisch. „Laßt mich in Ruhe, ihr Schurken. Ohoho! Nicht kitzeln! Haut ab!“ Biber fuhr in seinen eleganten „aus der Freiheit“ mitgebrachten Halbpelz, während er hinter Jankel herrannte. „Auf geht's!“

„Na, komm!“

Sie sahen sich an. Dann riß Jankel entschlossen die Tür auf, preßte das Kissen auf den Mund und duckte sich.

Ekelhafter Brandgeruch drang ihnen in die Nase. Der Rauch umschloß sie wie eine undurchdringliche Wand.

Sie faßten sich an den Händen und tasteten sich zum Saal. Als Jankel einmal die Augen öffnete, sah er über sich die Lampe in den Rauchschwaden flimmern.

Der sonst so helle Saal war jetzt finster, wie mit schwarzen Decken ausgeschlagen.

Die Jungen rannten hindurch und bogen in den Korridor ein. Nur manchmal öffneten sie die Augen, um sich an den Lampen zu orientieren. Der Rauch drang durch die Kissen und biß sie in die Kehle. Ihre Augen tränten. Es war fürchterlich, herumzulaufen, ohne zu wissen, wo es brannte.

„Wenn wir nun ins Feuer hineinrennen?“

Doch da leuchtete ihnen hinter einer Biegung helles Licht entgegen. Die Rauchschwaden nahmen ab. Der Wirtschaftsleiter stand bereits in der Tür. Der Brandgeruch hatte ihn alarmiert.

„Es brennt, Semjon Iwanowitsch!“ schrien Jankel und Biber gleichzeitig und atmeten gierig die frische Luft. „Feuer!“

„Aber Kinder!“ stotterte der Wirtschaftsleiter aufgeregt. „Lauft schnell zur Feuerwehr. Wartet, ich schließe die Hintertreppe auf.“ Die Vorlegekette klirrte. Die Hände des alten Mannes zitterten so, daß er nicht gleich den Schlüssel ins Schloß stecken konnte. „Gehen wir?“ fragte Jankel. Zaudernd sah er Biber an. „Natürlich. Wir müssen.“

Vom Kissen abgesehen, das Jankel in der Hand hielt, trug er nur Unterhemd, Hose und seine Stiefel, die er noch nicht zugeschnürt hatte. Unschlüssig sah er den Kameraden an — Biber trug seinen Halbpelz, er hatte keinen Grund zum Zögern. Sollte Jankel mitgehen oder nicht? Er wollte schon ablehnen, aber dann entschloß er sich doch: „Los!“