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Er war Herr über Leben und Tod — nach dem Direktor der zweite Leiter der Schule, Als er feststellte, daß er mehr Brot besaß, als er ausgeben konnte, bekam er extravagante Launen. Er zwang seine Sklaven, ihm etwas vorzusingen und vorzutanzen.

Diesen Szenen wohnten auch die Großen bei. Beklommenen Herzens rangen sie sich ein Lächeln ab, wenn sie den Faxen der Kleinen zusehen mußten.

Ihnen war speiübel zumute, aber sie hatten sich schon zu tief in die Freundschaft mit Slajonow verstrickt. Und der große Wucherer trieb es immer toller.

Wenn alle schon im Bett lagen, pflegte er häufig sein fettglänzendes Gesicht zu heben.

„He, Kusja! Sklave!“ schrie er dann.

Gehorsam sprang Kusja aus dem Bett und wartete, zitternd vor Kälte, auf weitere Befehle.

„Kusja, kratz mir die Fersen!“ sagte Slajonow dann mit einem stolzen Blick auf seine Nachbarn.

Kusja tat es.

„So nicht… Verdammt! Weiter unten! Nicht so heftig! Sanfter!“ kommandierte Slajonow. Er rekelte sich wie ein sibirischer Kater und kicherte vor Behagen.

Täglich engagierte er sich für Brot Märchenerzähler, die so lange reden mußten, bis er eingeschlafen war.

Slajonows Einkünfte vergrößerten sich mit jedem Tage. Er bekam bereits fast die ganze Brotzuteilung der Schule — anderthalb bis zwei Pud Brot. Die Großen fütterte er weiter.

Sie brachten dem „Brotkönig“, dem „Goldenen Kalb“, dafür geräuschvolle Ovationen.

Slajonow war der erste Neureiche der Schkid, ja vielleicht in ganz Leningrad.

Während er seine Ausschweifungen fortsetzte, wuchs die Unzufriedenheit.

Immer häufiger versammelten sich drei Verschwörer bei Jankel in der Küche.

Hinter verschlossener Tür, bei Tee, Brot und Süßstoff, wurden Slajonows Taten erörtert.

„Slajonow ist ein gemeiner Schuft!“ rief Mamachen empört, und sein einziges Auge funkelte. „Ich möchte ihn auf der Stelle verprügeln, obgleich er stärker ist als ich.“

„D-das hat er v-verdient! W-wahrhaftig!“ stotterte Goga. Aber Jankel mahnte zur Vernunft.

„Wartet noch ab, Leute. Wenn die Zeit reif ist, nehmen wir ihn uns vor.“

Das Terzett zeigte Slajonow die Zähne. Als er Mamachen eines Tages in eine Unterhaltung verwickeln wollte und ihm liebenswürdig Süßstoff anbot, platzte dem gradlinigen, hitzigen Jungen der Kragen, und er überschüttete ihn mit einem Schwall von Schimpfworten. „Du unglückseliger Halunke!“ putzte er Spinne herunter. „Ich vertrimme dich mit dem Feuerhaken! Die ganze Schule beklaust du, du verdammter Wucherer! Laß mich in Frieden, du Mistvieh, sonst schlage ich dir die Fresse zu Brei!“

Es war ein unerwarteter Angriff. Mamachen hatte schon längst nach so einem Vorwand gesucht, während Slajonow gar nicht auf den Gedanken gekommen war, daß er dermaßen standhafte, wütende Gegner hatte.

Der Skandal spielte sich an einem belebten Ort ab. Ringsum standen lauschend einige Sklaven und kicherten beifällig, wenn auch furchtsam. Slajonow war so verdutzt, daß ihm keine Erwiderung einfiel. Schmachbedeckt rannte er in die vierte Abteilung. Dort setzte er sich mit weinerlichem Gesicht in die Ecke.

„Was läßt du die Ohren hängen?“ fragte Zigeuner. Slajonow packte aus.

„Weißt du, Mamachen hat mir Prügel angedroht“, schloß er und tastete mit den Augen seine muskulöse Leibgarde ab. Doch die Großen schwiegen verlegen.

Da merkte Slajonow zum erstenmal, daß er einen großen Fehler gemacht hatte.

Er hatte sich für stark genug gehalten, um Zigeuner und seine übrigen Anhänger zwingen zu können, daß sie ihrem Klassenkameraden die Leviten lasen. Aber er hatte sich geirrt. Er sah, daß niemand Mamachen ein Haar krümmen würde, und das war für ihn ein Strich durch die Rechnung.

Er ahnte, was für Ausmaße dieser kleine Oppositionskern annehmenkönne, und beschloß, ihn im Keim zu ersticken.

Aber Mamachen ließ er dabei zunächst ungeschoren.

Jankel war gerade in den Klassenraum gekommen. In der Hand hielt er ein ansehnliches Stück Brot, das wie gewöhnlich beim Abwiegen übriggeblieben war.

Er wollte anfangen zu futtern, runzelte aber die Stirn, als sein Blick auf Slajonow fiel. Es wurde totenstill.

„Willst du dich hier noch lange herumtreiben?“ knurrte er den Wucherer an. Da sah er, daß Slajonow Karten in der Hand hatte, und verstummte.

Ein Gedanke schoß ihm durch den Kopf: Soll ich versuchen, ihm sein Brot abzugewinnen?

Slajonow hatte richtig kalkuliert — Jankel schlug ihm vor, Siebzehn-und-vier zu spielen.

Das Spiel begann.

Eine Stunde später hatte Jankel nach hartnäckigem Kampf seinen gesamten Brotvorrat verloren. Jetzt spielte er um seine künftigen Einnahmen.

Es war ein erbittertes Duell. Die ganze Klasse spürte, daß es sich nicht um ein bloßes Spiel handelte, sondern um einen Kampf zweier Großmächte.

Doch Jankel hatte an diesem Tag besonderes Pech. In den nächsten beiden Stunden verlor er fünfunddreißig Pfund Brot — die Zuteilung von zwei Monaten. Slajonow schlug ihm vor aufzuhören, doch Jankel bestand auf der Fortsetzung.

Nur mit Mühe gelang es den anderen, seine Spielleidenschaft zu dämpfen und ihn in den Schlafraum zu bringen. Der kleine, stille, fettige Spinnerich hatte noch einmal gesiegt. Am nächsten Morgen erhob sich Jankel mit brummendem Schädel. Voller Verzweiflung dachte er an seinen gestrigen Verlust. In der Küche betrachtete er prüfend sein Heft und beschloß dann, auf alle Fälle Mamachen außer der Reihe zum Küchendienst zu bestimmen. Das tat er auch.

Sie gingen in die Vorratskammer, nahmen die Tagesration Brot in Empfang und kehrten in die Küche zurück. Jankel schob die Waage heran, legte ein Viertelpfundgewicht auf die Waagschale und wollte mit dem Abwiegen beginnen. Da sah er verblüfft, daß Mamachen irgendwelche Manipulationen mit der Waage vornahm — er schob etwas unter die Wiegeschale für das Brot. „Was machst du da?“

„Siehst du das nicht?“ fragte Mamachen ärgerlich zurück. „Ich mach' sie schwerer.“

„Wollen wir etwa die Jungen betrügen? Die werden dir doch aufs Dach kommen.“

„Die Jungen betrügen wir nicht, bloß Slajonow — er kriegt ja alles.“ Jankel überlegte und erhob dann keinen Widerspruch mehr. Abends hatten sie fünf Pfund zusammengespart, die unverzüglich in Slajonows Vorratsschrank wanderten.

Jankel wurde leichter ums Herz. Wenner täglich soviel abgab, war er seiner Schulden bald ledig.

Am nächsten Tage schob er aus eigener Initiative einen dicken Nagel unter die Wiegeschale. Abends hatte er sechs Pfund ergattert. Er war tief befriedigt.

Leise vor sich hin pfeifend, saß er am Tisch und prüfte im Heft an Hand der Häkchen die Menge des ausgegebenen Brotes nach. Die Namen der anwesenden Schüler wurden bekanntlich immer auf der Liste abgehakt.

Ausgerechnet heute fehlten etwa zehn Externe, und Jankel hatte sich schon ausgerechnet, daß er dadurch etwa ein Pfund Verlust einkalkulieren müßte: Er konnte nur den anwesenden Schülern Brot abzwacken.

Plötzlich sprang er erleichtert auf, als hätte er eine komplizierte Rechenaufgabe gelöst.

„Prima Gedanke! Wer kann mir etwas nachweisen, wenn ich vier Namen mehr abhake!“

Es war eine lächerlich einfache Entdeckung mit schwerwiegenden Folgen.

Die erfreuliche Entdeckung setzte Jankel gleich am kommenden Tage in die Tat um.

Es ging alles wie geschmiert, und bald ließ die Opposition den Kopf hängen.

Von Jankels riesengroßer Schuld waren nur noch fünf Pfünd übrig, die er Slajonow am folgenden Tage bezahlen wollte. Doch an diesem Tage brach ein Unglück über ihn herein. Nach dem Mittagessen ging er glänzend gelaunt spazieren, und als er zurückkam, trat ihm in der Küche ein neuer Ältester entgegen. Während seiner Abwesenheit war etwas passiert, das er sich niemals hätte träumen lassen.

Vikniksor hatte eine Versammlung einberufen, darauf hingewiesen, daß Tschornych bereits anderthalb Monate als Küchenältester arbeitete, und vorgeschlagen, ihn abzulösen. Dabei hatte der Direktor jedoch festgestellt, daß Jankel sein Amt vorbildlich und korrekt verwaltet habe.