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Ich schätze, erst jetzt, als die drei Männer in Coyote hineinrannten, begriff ich wirklich, gegen was ich angetreten war. Die Männer liefen mit erhobenen Gewehren auf ihn zu, doch im nächsten Augenblick sprang der wölfische Dämon einfach auf sie drauf. Die Luft knisterte voller elektrischer Entladungen und ein Donnerschlag ließ die gesamte Golden Gate Bridge erzittern.

Der Anführer wurde zur Seite geschleudert. Ich sah, dass er vorne komplett aufgerissen war, wie Gehacktes im Kühlregal. Dann wurden sie alle drei vor meinen Augen von einer unsichtbaren, furchtbaren Kraft in Stücke gerissen – ihre Hände und Köpfe und Beine und Arme verstreuten sich in alle Richtungen. Ich glaube, ich schrie wie irre.

Jetzt kroch der Dämon auf mich zu. Er war nur noch einige Meter von mir entfernt, und die gesamte Kraft seines Hasses und seiner Bösartigkeit konzentrierte sich auf mich.

Verzweifelt trug ich Jane zum Geländer der Brücke, dann drehte ich mich um, um Coyote so herausfordernd wie möglich anzuschauen, und brüllte: »Bleib weg … Bleib weg oder ich werde sie runterwerfen!«

Der Dämon kam trotzdem näher und jetzt schlug mir der schrecklich heiße Atem ins Gesicht und trocknete meine Augenhöhlen aus, sodass ich nicht einmal mehr zu blinzeln vermochte. Alles um mich herum war Dunkelheit und Angst, und diese brandigen roten Augen starrten mich mit grausamer Intensität an.

Ich hob Jane auf das Geländer. Unter uns im Nebel schlugen und schäumten die grauen Wasser der Bucht.

»Ich tue es, verdammt! Ich tue es!«,schrie ich. Und in diesem Augenblick totaler Panik war es mein völliger Ernst – ich würde Jane hinabwerfen. Ich zwang mich, es wirklich zu wollen. Wenn Coyote jetzt nur noch ein Stück näher kam, dann würde seine geliebte Bärenjungfrau, seine leidenschaftliche Werwölfin, über das Geländer fallen und sterben.

Ich bemerkte ein körperloses Schnauben in der aufgeregten Finsternis vor mir, das Blecken schrecklicher Phantomzähne. Ich sah aber auch Coyotes Kopf mit der Krone aus dem magischen Haar. Und jetzt verharrte er für einen Atemzug. In diesem Augenblick setzte ich alles auf eine Karte und ließ Jane auf den Bürgersteig fallen.

Es passierte in bizarr verlangsamter Bewegung, wie in einem Albtraum, in dem man fortrennt, aber nicht entkommen kann. Während Jane auf den Boden rutschte, wich ich seitwärts aus und rannte auf Coyote zu. Mit einer Hand griff ich nach Big Monsters Haar, legte dabei meine ganze Kraft und Energie in meinen Körper. Trotzdem schien es eine Ewigkeit zu dauern, und ich sah, dass sich Coyote mir langsam zuwandte. Er fletschte seine Zähne mit animalischem Hass.

Es war, als ob man sich selbst in kochendes Wasser wirft. Die Hitze und die Gegenwart Coyotes waren unerträglich. Ich griff zu, griff vorbei und griff noch mal zu …

Plötzlich stolperte und taumelte ich über den Asphalt mit einer Handvoll langer grauer Haare, die knisterten und sich krümmten wie Elektrokabel. Ich knallte gegen das Rad eines verlassenen Plymouth und schürfte mir das Gesicht und einen Arm auf. Aber ich wusste, dass ich es geschafft hatte. Ich hatte Coyote tatsächlich Big Monsters Skalp gestohlen.

Nun ertönte ein nervenzerrüttendes Gebrüll übernatürlicher Wut. Ich dachte, die Brücke würde zusammenkrachen, so laut war es.

Ich zwängte mich zwischen zwei Autos hindurch, aber dann musste ich noch weiter zurückspringen, denn diese Wagen wurden hochgehoben und in einem ohrenbetäubenden Krachen gegeneinandergeschmettert. Ich zog das Haar um einen Cadillac herum hinter mir her und hob es über meinen Kopf.

In diesem Moment erinnerte ich mich daran, was George Thousand Names mir gesagt hatte. Wenn ein Sterblicher versucht, den Skalp eines Riesen oder Dämonen zu tragen, dann wird er von dem zerstört werden, was er sieht. Mit anderen Worten: Solange er es überlebt, und das wäre nicht lange, würde er selbst zu einem Dämon werden. Das könnte sein Verstand aber nicht ertragen.

Ich sagte nur eines. Es war ein Flüstern gegen den glühenden Wind, aber an etwas anderes konnte ich nicht denken. »George, hilf mir! Wo immer du bist, hilf mir!«

Dann schloss ich die Augen in furchtbarer Erwartung und drehte mir das ölige Haar Big Monsters um meinen Kopf.

Zuerst dachte ich, dass nichts passieren würde. Ich hob entsetzt und enttäuscht den Kopf. Aber dann spürte ich, dass mein gesamter Körper plötzlich von einer so großen physischen und geistigen Kraft durchdrungen wurde, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. Es war eine erschreckende, bösartige Stärke. Es war die 100-fache Kraft meiner hitzigsten und fleischlichsten Wünsche. Sie versetzte mir einen solchen Stoß, dass ich laut aufkreischte, nicht aus Angst, sondern aus reiner fröhlicher Bösartigkeit. Ich fühlte Lust und Hass und es überkam mich der Drang, alles und jeden um mich herum zu vergewaltigen, zu vernichten und zu zerstören. Ich erhob mich hinter dem Wagen und schien zu erstaunlicher Höhe zu wachsen, größer und stärker, als es einem menschlichen Wesen jemals möglich sein könnte.

Jetzt sah ich Coyote klar. Kein undeutlicher Schatten oder das Durcheinanderwirbeln einer Wolke, sondern das dämonische Biest selbst. Es kroch mit seinem Kleid aus Gewürm und Coyotes Haut auf dem Rücken über Janes Körper.

Ich wusste jetzt auch, was er vorhatte. Ein grauer Vogel hockte auf seinen behaarten Schultern und in den Händen hielt er Eingeweide und Blut von den toten SWAT-Männern. Er wollte Jane für ihr Versagen mit seiner ekelhaftesten Spezialität bestrafen: Er wollte einen Vogel in Janes Magen einnähen und sie selbst dann in die toten Därme der SWAT-Männer einschnüren. Die Pein der Drei.

Ich fühlte eine solch unvorstellbare Wut, dass man sie mit menschlicher Wut gar nicht vergleichen konnte. Ich brüllte laut auf. Ich sah Coyote als das, was er war, und ich sah auch, dass die Luft mit anderen Dämonen und Geistern erfüllt war: die Geister des Windes und des Nebels, die Manitus der Erde und des Feuers.

»Coyote!«,schrie ich. »Coyote!«

Der Dämon drehte sich um. Von seinen Zähnen tropfte Blut. Ich wälzte mich auf ihn zu und spürte die ganze Zeit mit schwarzem Entzücken, dass ich keinerlei Furcht hatte, dass ich keine Angst mehr vor ihm hatte.

Ich packte ihn. Ich spürte die harten, widerspenstigen Borsten seines Körpers, die madenhafte Weichheit seines Innern. Coyote fiel und schrie, aber Big Monsters Haar gab mir Kraft – eine Kraft, mit der sich Coyote nicht messen konnte.

Ich riss ihn auf wie einen Sack. Aus seinem Innern hervor krabbelten und wanden sich lebende Kreaturen, verklebt mit blutigen Fliegen. Ich ergriff seinen Kiefer und zog ihn so weit auseinander, dass er zersplitterte, dann riss ich ihm die blitzenden Augen heraus. Es floss kein Blut. Aber ein Gestank des Bösen verbreitete sich, der jahrhundertealt war, der saure und kranke Geruch der Hundebestie Coyote, dem Ersten, der Worte zur Gewalt benutzte.

Ich stand neben seinem zerfetzten Körper und sein Atem verging mit dem Wind. Sein Herzschlag dröhnte noch einige Momente weiter, setzte dann aus. Seine Augen zerbröckelten. Die Brise aus der Bucht von San Francisco wehte die Borsten, die Knochenteile und die lederne Haut davon. Bald lag nichts Weiteres mehr da als ein Stück von einem haarigen Skalp und auf dem Bürgersteig zeichnete sich ein Brandfleck ab. Ein Brandfleck, den man noch heute sehen kann, wenn man über die Golden Gate Bridge geht.

In dem Augenblick, als Coyote starb, spürte ich etwas Schwarzes und Großes wie eine Lokomotive in mein Gehirn rasen. Ich wusste, dass ich diese Minuten in meiner dämonischen Form nicht überleben würde, aber das kümmerte mich nicht. Ich war zu erregt, als durchdringe mich der ultimative Kick.

Doch in meinem Hinterkopf hörte ich wieder die Stimme von George Thousand Names. Vielleicht wusste er um meine Notlage und machte eine letzte psychische Anstrengung. Vielleicht war es auch meine eigene Kraft. Aber ich hörte ihn sagen: Wenn ein Sterblicher versucht, den Skalp eines Riesen oder Dämonen zu tragen, dann wird er von dem zerstört werden, was er sieht. Solange er es überlebt, und das wäre nicht lange, würde er selbst zu einem Dämon werden. Das könnte sein Verstand aber nicht ertragen.