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Es war der Türklopfer. Der lebendige Türklopfer. Er bestand wieder aus einem Stück und er war noch widerlicher und schrecklicher als zuvor.

George Thousand Names bemerkte plötzlich, dass ich die Treppe hochstarrte, und er schaute auch hin. Bevor er irgendetwas tun konnte, knallte es laut und der Türklopfer zersprang in matte Bronzestücke, die die Stufen herunterrollten, hopsten und klapperten.

Die Teile blieben auf dem Boden der Diele liegen. Der Medizinmann schaute sie mit nüchternem Gesichtsausdruck an. »Das ist Coyotes Art, eine Warnung zu erteilen. Er zeigt mir, dass er alles, was ich tue, einfach wieder rückgängig machen kann.«

»Wir werden doch nach dieser Show nicht nach oben gehen?« Meine Kehle war völlig ausgetrocknet.

»Ich weiß nicht, was wir sonst tun könnten.« Er schnüffelte. »Riechen Sie etwas?«

Ich roch nichts Besonderes, aber ich sagte: »Hunde?«

»Kommt mir auch so vor. Es ist noch schwach, aber es scheint von dort oben zu kommen.«

Der Indianer setzte einen Fuß auf die erste Stufe, aber ich hielt seinen Arm fest und sah ihm direkt ins Gesicht. »George, ich muss es Ihnen sagen: Ich habe eine Scheißangst.«

Einen Moment schwieg er, dann nickte er und gestand: »So geht’s mir auch.«

Langsam, ruhig, stiegen wir die Stufen hinauf, bis zur ersten Etage. Vor uns lag das Zimmer, in dem Bryan Corder das Fleisch vom Kopf gerissen worden war. Am Ende des Ganges lag ein Fenster, aber es war so verdreckt und fleckig und draußen der Himmel so bewölkt, dass nur ganz schwach etwas Licht hereindrang. Nun, Coyote liebte einfach die Finsternis.

Wir sahen uns an. »Sollen wir die Räume überprüfen?«, fragte ich.

»Es wäre besser.«

Wir gingen zum ersten Schlafzimmer, zögerten und stießen dann die Tür auf. Es war ein stilles, trübes Zimmer mit einem baufälligen Messingbett und einem dieser schweren Walnussschränke, die immer wirken, als seien sie mit seltsamen Tiergesichtern bedeckt. Ich sah mich selbst im Spiegel der Frisierkommode und stellte plötzlich fest, wie kaputt und blass ich aussah. Zwei Tage voller Schrecken und Anspannung sind fürs gute Aussehen nicht gerade förderlich.

»Hier ist nichts«, flüsterte George. »Es sei denn, jemand versteckt sich unter dem Bett.«

»Werden Sie nachsehen?«

Er brachte ein spitzbübisches Grinsen zustande. »Sie denn?«

»Vergessen Sie das. Wir werden beidenachsehen.«

Wir knieten uns hin, hoben die Bettdecke hoch und spähten in die schattige Finsternis unter dem Bett. Außer Staub war da nichts.

»Okay«, sagte er. »Versuchen wir es in den übrigen Zimmern.«

Eine nach der anderen stießen wir die Türen auf und schauten nervös hinein. In allen Schlafzimmern war es still, kalt, alles unberührt, doch wir spürten die Bedrückung und sahen die Schmuddeligkeit. Hier konnten niemals glückliche Leute gewohnt haben – nicht mit der bösen Präsenz von Coyote in den Wänden und Zimmerdecken und Kaminen; nicht mit dem gespenstischen Atem des Dämons, der in den Nächten unter jeder Tür hindurchhechelte … Das Unglück dieser Menschen zeigte sich in der spartanischen Möblierung und den unpassenden, farbenfrohen Bildern. An einer Wand hing die Fotografie einer Mimose. An einer anderen ein Gemälde, auf dem Kinder um einen Maibaum tanzten. Irgendwie unterstrichen alle diese Bilder nur die eisige Atmosphäre der Angst, die aus jeder Wand zu tropfen schien, die dunkle Bedrohung, die jede Nacht unter diesem Dach zu einem Karneval der Albträume gemacht haben muss.

»Wir gehen besser weiter nach oben«, sagte der Indianer. »Es gibt noch ein Stockwerk und dann den Dachboden.«

Ich atmete tief durch. »Okay, wenn Sie darauf bestehen. Aber wenn wir zum Dachboden kommen, dann werfen wir eine Münze, wer von uns zuerst reingehen darf.«

Wir gingen den Gang wieder zurück und wollten gerade in den dritten Stock hochgehen, als wir plötzlich Stimmen hörten. Sie kamen von unten aus dem Eingangsbereich. Eine Frau und ein Mann. Einen Augenblick erstarrte ich, lehnte mich dann aber über das Treppengeländer und sah Jim und Jane in der Diele stehen.

Jim sagte gerade: »Sie müssen schon hier gewesen sein. Die Tür steht weit offen.«

»Vielleicht waren sie es«, sagte Jane. »Aber das macht nichts. Viel wichtiger ist, dass du hier bist.«

Ich drehte mich zu George Thousand Names um. » Sieist es«, zischte ich. »Sie hat Dr. Jarvis mitgebracht.«

Er drückte mich vorsichtig in eines der Schlafzimmer zurück. Er schloss die Tür und sah mich lange und nachdenklich an. »Das bedeutet, Coyote muss hier sein, in diesem Haus. Sie hat Jim wahrscheinlich als Opfer mitgebracht. Ein kleines Hochzeitsgeschenk von der Bärenfrau für Coyote. Ein ziemlich üppiges Mal für einen Dämon, der Hunderte von Jahren tot war.«

Ich presste mein Ohr gegen die Tür. Ich konnte hören, wie Jane und Jim die Treppe hochkamen. Sie sprachen mit gedämpften Stimmen. »Was können wir tun?«, flüsterte ich.

George Thousand Names legte den Finger an seine Lippen und sagte: »Warten Sie.«

Jane und Jim erreichten die erste Etage und gingen die nächsten Stufen hinauf. Jim fragte: »Bist du sicher, dass John gesagt hat, er will uns hier oben treffen? Das ist doch irgendwie seltsam.«

»Aber ja«, erklärte Jane. »Ist die ganze Geschichte denn nicht seltsam?«

Als sie an unserer Tür vorbeigingen, öffnete George Thousand Names die Tür und trat auf den Gang. Ich folgte ihm, mein Herz pochte und meine Kehle war vor Angst zugeschnürt.

»John! Du bist hier?«, sagte Jane lächelnd. »Was geht hier vor? Versteckenspielen?«

George Thousand Names grollte: »Nicht bewegen!«

»Was?«

»Nicht bewegen, Jim. Bleiben Sie stehen, wo Sie sind! Die Frau ist gefährlich!«

Jane sah mich und dann George Thousand Names an, als begreife sie wirklich nicht, was wir meinten.

Ich sagte: »Jane?«Ihr Gesicht schimmerte ungewöhnlich bleich und ihre Augen waren so blank wie zwei Hälften einer Venusmuschel. Es war kein Kratzer von dem Schnitt zu sehen, den ich ihr auf der Stirn zugefügt hatte – aber nach allem, was ich in den letzten beiden Tagen erlebt hatte, hielt ich Coyote für fähig, alles zu heilen und zusammenzuflicken, was er nur wollte.

»John …«, sagte Jane mit schleppender Stimme. »Wie schön, dich zu sehen …«

George Thousand Names fiel ihr ins Wort: »Antworten Sie nicht. Jim, sagen Sie nichts. Sie ist jetzt nicht menschlich, und alles, was Sie sagen, kann ihr helfen, Sie zu töten.«

Jim krauste die Stirn. »Nicht menschlich?Was zum Teufel wollt ihr …?«

»Den Mund halten!«, schrie der Medizinmann. Dann ruhiger: »Bitte seid still, ich muss nachdenken.«

Jane blieb in der Düsternis des Flurs stehen, aufrecht und sehr angespannt. Als ich sie ansah, schien sich ihr Gesicht langsam zu wandeln und zu verflüssigen wie ein weißes Gesicht unter fließendem Wasser. Ich wusste, dass sie nicht Jane war – nicht die Jane, die ich kannte. Aber sie war ihr so ähnlich, dass ich nichts anderes als Zuneigung für sie empfinden konnte. Fast ungewollt machte ich einen Schritt vorwärts, aber George Thousand Names war schnell und hielt mich am Ärmel fest.

»Ich weiß, was Sie empfinden«, sagte er sanft. »Aber Sie müssen Geduld haben.«

Plötzlich lachte und schnaubte Jane zur selben Zeit. Es war ein so erschreckender Klang, dass Jim trotz der Ermahnung von George Thousand Names zur Seite sprang. Vor unseren Augen zerschmolz und veränderte sich Jane wie eine Fotografie, auf die man eine andere legt, eine nach der anderen, bis ich sehen konnte, dass schwarze Haare ihre Hände bedeckten und ihre Nägel zu Krallen wurden.

Jim sagte: »Oh mein Gott …«

Aber George Thousand Names hatte diesen schwächeren Dämon unter Kontrolle. Er hob eines seiner Amulette und die Bärenfrau wurde gegen die Wand des Ganges geworfen. Sie schnaubte und brummte, ihre Augen schimmerten auf und waren rot.

»Ich befehle dir, mir zu gehorchen«, sagte George Thousand Names. »Bärenjungfrau aus dem Südwesten, Schwester derer, die dich liebten, ehrenwert, bis Coyote dich verführt hat. Ich befehle dir, mir zu gehorchen.«