Изменить стиль страницы

Die Bärenfrau stand auf ihren zottigen Hinterpfoten und brüllte, ihre Augen funkelten teuflisch. Zur vollen Größe aufgerichtet, berührte sie fast die Decke, und ich war mir nicht mehr so sicher, ob George Thousand Names sie unter Kontrolle zu halten vermochte.

Der Medizinmann hob beide Hände und brüllte: »Dein Geist und dein Wille sind mein. Ich befehle dir, mir zu gehorchen!«

Jim schüttelte vor lauter Angst den Kopf. »Ich kann es nicht glauben«, flüsterte er. »Diese Frau war in meiner Wohnung. Ich habe diese Frau geküsst.Wir haben zusammen Drinks gehabt.«

Einen Augenblick lang schwankte George Thousand Names. Ich spürte seine schwindende Kontrolle. Ich vermute, unsere gemeinsame Nervosität und unsere nachlassende Hoffnung waren keine große Hilfe für ihn; und die Anstrengung, ein Monstrum wie die Bärenfrau zu bändigen, musste riesenhaft sein.

»Sagt nichts«, zischte er. »Sagt nichts, sagt nichts.«

»Ich kann es einfach nicht glauben«, sagte Jim mit hohler, ängstlicher Stimme.

Die Kontrolle zerriss. Ich spürte es förmlich. Wie ein Damm aufbricht, wie eine Flut heranrollt. Mit einem schauderhaften Knurren sprang die Bärenfrau vorwärts, ihr massiger Körper traf Jim. Ihre Kiefer gruben sich mit einem Geräusch, das mich immer noch eiskalt durchfährt, in seinen Nacken. Jim kreischte in Todesangst auf; sie riss ihm mit einer einzigen Bewegung ihres massigen Kopfes die blutige Haut von Nacken und Brust. Jim fiel auf den Boden, zuckte, während sie sich mit funkelnden Augen George und mir zuwandte.

»Stopp!«,rief George Thousand Names und hob wieder seine Arme. »Bei den Mächten des Großen Geistes, bei den Mächten der Wiesen und Wälder, stopp!«

Die Bärenfrau schnaubte und stieß mit dem Kopf hin und her. Dann brummte sie wieder, aber etwas sanfter, drehte sich um und ließ sich auf alle viere nieder. Der Medizinmann ging auf sie zu und hielt dabei sein Amulett vor sich.

»Ich befehle dir, mir für eine Nacht und einen Tag durch den unzerbrechlichen Bann des Größten all derer, die in Sa-nos-tee gelebt haben, zu gehorchen. Ich befehle dir, mir zu gehorchen. Bis die Sonne zum zweiten Mal sinkt, wirst du mich nicht angreifen. Dies befehle ich dir im Namen der Navahos der alten und der Hualapai der uralten Zeiten. Jetzt sei ruhig und schlafe.«

Die Bärenfrau schnaubte noch einmal, sank dann aber auf ihren Hintern. Kurz darauf schlossen sich die roten Augen. Sie schlief ein.

Ich sah George Thousand Names an, beeindruckt, aber ich sah auch, welchen Tribut diese Magie von ihm gefordert hatte. Sein Gesicht war in Schweiß gebadet und er zitterte.

Ich kniete mich neben Jim nieder. Seine Augen waren noch geöffnet, doch sein Körper war völlig versteift in Schockstarre. Aber er lebte noch.

»Jim«, sagte ich sanft. »Wie geht es dir?«

Er flüsterte: »Ich glaube, mein Nacken ist gebrochen. Bring mich nur nach Elmwood … Ich glaube, da kriegen wir es wieder hin.«

Der Indianer sagte: »Im Schlafzimmer steht ein Telefon. Machen Sie schnell, John, Coyote ist da oben, und er wird all das beobachten.«

Während George Thousand Names ungeduldig und ängstlich auf dem Treppenabsatz wartete, wählte ich die Nummer vom Elmwood und ließ mich mit Dr. Weston verbinden. Ich erzählte ihr, dass Jim Jarvis einen schweren Unfall hatte und bat sie, sofort einen Krankenwagen herzuschicken.

»Das hat doch nicht irgendetwas mit dem zu tun, was vergangene Nacht hier im Elmwood passiert ist, oder?«, fragte sie.

Ich sah, dass der Medizinmann abwinkte. »Ich werde das später alles erklären. Ich hab jetzt keine Zeit. Aber, bitte, schicken Sie den Krankenwagen schnell her.«

»Machen Sie schon!«,drängte George Thousand Names. »Wir dürfen keine Zeit verlieren.«

»Ich muss auflegen. Hier geht es drunter und drüber.« Dann legte ich den Hörer auf die Gabel und folgte George Thousand Names auf den Gang. »Was soll ich tun?«

»Halten Sie sich dicht bei mir. Und was immer Sie tun, geraten Sie nicht in Panik. Wenn Coyote noch da oben ist, dann werden Sie gleich glauben, Ihr Hirn wird Ihnen aus dem Kopf gerissen. Aber halten Sie durch. Wenn Sie sich zusammenreißen, dann werden Sie das überleben.«

Ich schaute ein letztes Mal voller Sorge nach Jim, der blutüberströmt auf dem Fußboden lag, und auf die dunkle, pelzige Masse der schlafenden Bärenfrau – dann folgte ich dem Indianer die Treppe hinauf in die zweite Etage. Dort oben war es noch dunkler als in der ersten und von irgendwo drang Zugluft herab, eine Luft, die ich sogar riechen konnte. Eine Zugluft, die nach Hund stank.

George Thousand Names ging langsam vor mir her. Ab und zu blieb er stehen, um zu lauschen. Es wurde so düster, dass wir kaum sehen konnten, wohin wir eigentlich gingen. Alles, was mir als Wegweiser diente, war das alte Treppengeländer auf der einen und die feuchte Tapete auf der anderen Seite. Der Hundegestank wurde stärker, je höher wir kamen, und auf dem zweiten Treppenabsatz war er fast unerträglich.

»Ja, Coyote ist ganz sicher hier«, flüsterte George. »Er muss sich auf dem Dachboden versteckt haben, um den Einbruch der Nacht abzuwarten. Aber er ist hier.«

Wir betraten den letzten Treppenabsatz und starrten nach oben, um die Dachluke zu finden. George Thousand Names sagte leise: »Er weiß, dass wir hier sind. Hören Sie, wie ruhig es ist? Er wartet darauf, was wir als Nächstes tun.«

Ich fühlte mich elend und voller Angst. »Wenn es nach mir ginge, sollten wir fortlaufen.«

»Ssschht! Horchen Sie!«

Ich erstarrte und lauschte. Erst konnte ich nichts hören, aber dann drang ein kratzendesGeräusch an meine Ohren. Es schien von überall zu kommen, aber George Thousand Names hob einen Finger und deutete hoch zur Decke.

»Und was tun wir jetzt?« Meine Stimme klang heiser.

George Thousand Names winkte, dass ich ihm folgen sollte. Wir gingen noch einige Schritte den Treppenabsatz entlang, bis wir unter der Falltür des Dachbodens standen. Eine ausgefranste Schnur hing an der Wand herunter. Ich vermutete, dass man damit eine von diesen zusammenschiebbaren Leitern herabziehen konnte.

»So«, sagte der alte Indianer ruhig, »jetzt haben wir den Dämon in seiner Höhle.«

Ich hustete und schaute angespannt auf die Falltür. Das Kratzen ging weiter, leise und beständig und gruselig, wie der Fingernagel von jemandem, der lebendig begraben ist und hoffnungslos am Deckel seines Sarges kratzt. »George, ich glaube wirklich nicht, dass ich da rauf möchte.«

Er schaute mich missbilligend an. »Wir müssen. Verstehen Sie nicht, wer das ist? Das ist Coyote! Dieser Dämon ist der Moby Dick eines jeden Medizinmannes! Ich könnte seinen Skalp an das Geländer meiner Veranda hängen, zusammen mit den Fellen und den Schneeschuhen! Den Skalp von Coyote, dem Ersten, der Worte zur Gewalt benutzte.«

»George«, sagte ich ängstlich, »ich bin hier nicht auf der Jagd nach einem Skalp. Ich mache hier mit, weil unschuldige Menschen sterben müssen, falls wir nicht etwas unternehmen!«

»Sie sind kein Heiliger, und es ist nicht gut, so zu tun als wäre man einer«, erwiderte er, und in seiner Stimme lag mehr als nur eine Prise Schärfe.

»Das bin ich sicher nicht … Aber ich bin auch kein Kopfjäger.«

»Wir wussten, dass sich dies ereignen würde. Beim letzten Großen Rat der Medizinmänner in Towaoc im Reservat der Ute Mountains haben viele der weisen Männer gesagt, dass sie Warnungen und Vorzeichen gesehen hätten. Die grauen Vögel sind gesichtet worden, und die alten Stimmen wurden auf dem Superstition Mountain gehört, was seit der Bestattung von Red Cloud nicht mehr vorgekommen war. Außerdem waren die Kojoten und die Hunde so ruhelos, als ob sich ein Sturm zusammenbrauen würde.«

»Sie wussten,dass Coyote kommen würde? Warum haben Sie das denn nicht früher gesagt?«

»Wir wussten es nicht. Wir haben es vermutet. Aber für mich wird es eine große Ehre sein, Coyote zu besiegen. Ich werde als einer der größten Magier aller Zeitalter gelten, der vergangenen und der gegenwärtigen. Und dann werde ich etwas tun, was ich mir schon seit Jahren inständig wünsche. Ich werde die Medizinmänner in einem starken und mächtigen Rat wieder vereinigen und der indianischen Magie wieder den Ruhm zukommen lassen, den sie einst besaß, in den lang vergangenen Tagen, als das Gras frei wuchs und die Stämme noch Würde und Stärke besaßen. Die Zeichen sagten, dass Coyote in dem Monat kommen wird, in dem die Gänse ihre Federn abwerfen, und er kam.«