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Gerade wollte ich noch einmal klopfen, als ich drinnen schlurfende Schritte sich nähern hörte. Mehrere Riegel wurden oben und unten von der Tür fortgeschoben und dann öffnete sie sich knarrend einen Spalt, bis sie von einer Sicherheitskette gestoppt wurde. Ich sah Seymour Wallis’ blasses Gesicht vorsichtig durch den Spalt spähen, als ob er Verbrecher erwartete – oder die Zeugen Jehovas.

»Mr. Wallis?«, fragte ich. »Wir kommen, um das Atmen zu hören.«

»Oh, Sie sind es.« Offensichtlich war er erleichtert. »Bitte warten Sie einen kleinen Augenblick, ich mache sofort auf.«

Er schob die Kette fort und die Tür knarrte noch ein Stück weiter auf. Seymour Wallis trug einen kastanienbraunen Bademantel und Pantoffeln, aus denen seine dünnen, nackten, behaarten Beine ragten.

»Ich hoffe, dass wir Sie nicht gerade von der Abendtoilette abhalten«, sagte Dan.

»Nein, nein. Kommen Sie herein. Ich habe mich nur gerade fertig gemacht, um ein Bad zu nehmen.«

»Ihr Klopfer gefällt mir«, sagte ich, »obwohl er etwas unheimlich ist, nicht wahr?«

Seymour Wallis widmete mir ein kurzes Lächeln. »Vermutlich – aber er hing bereits an der Tür, als ich einzog. Ich weiß nicht, was er darstellen soll. Meine Schwester glaubt, es könnte der Teufel sein, aber ich bin da nicht so sicher. Und weshalb ›Rückkehr‹ darunter steht, werde ich wohl niemals erfahren.«

Wir standen in einer hohen, muffigen Diele, ausgelegt mit schäbigem braunem Teppichboden. Überall an den Wänden hingen gelblich verblasste Drucke, Zeichnungen und gerahmte Briefe. Einige der Rahmen waren leer und manche zerbrochen, aber die meisten enthielten erdfarbene Ansichten vom Mount Taylor und Cabezon Peak, andere stockfleckige Landkarten und unleserliche, handgeschriebene Zeugnisse.

Das Geländer der Wendeltreppe neben uns war aus dunklem Mahagoni gedrechselt und obendrauf sahen wir eine Bronzefigur – ein Bär, der aufgerichtet stand und anstelle der Schnauze mit einem Frauengesicht versehen worden war. Die Stufen, massiv, aber schmal, wuchsen hinauf in die Dunkelheit der ersten Etage wie eine Rolltreppe in die schwarze Stille der Nacht.

»Wir gehen besser hier entlang«, meinte Seymour Wallis und führte uns durch die Diele zu einer Tür. Über ihr hing ein schäbiger Hirschkopf mit verstaubtem Geweih und nur noch einem Auge.

Dan sagte: »Nach Ihnen«, und ich war mir nicht sicher, ob er sich über das Haus lustig machte. Es konnte jedenfalls nicht noch unheimlicher werden.

Wir betraten ein kleines, stickiges Büro. Rundherum standen leere Regale, auf denen früher einmal Bücher aufgereiht gewesen sein mussten, denn die bräunlich gemusterte Tapete hinter ihnen zeigte noch die Schatten, wo sie einst gestanden hatten. In der Ecke, unter einem melancholischen Bild des frühen San Francisco, standen ein Schreibtisch mit fleckiger lederbezogener Platte und ein Holzstuhl, an dessen Rückenlehne zwei Stäbe fehlten. Seymour Wallis hatte die Fensterläden unten gelassen und die Luft des Zimmers war stickig und säuerlich. Es roch nach Katzen, Lavendelkissen und Insektenmittel.

»Hier höre ich die Geräusche stärker als in jedem anderen Raum«, erklärte Wallis. »Meistens in der Nacht, wenn ich hier sitze und Briefe schreibe oder meine Bilanzen überprüfe. Zuerst hört man nichts. Doch dann spitze ich die Ohren und bin sicher, es zu hören. Sanftes Atmen, als habe jemand den Raum betreten und stehe eine Weile etwas von mir entfernt da und beobachte mich. Ich versuche, na ja, ich habe versucht, mich nicht umzudrehen. Aber ich muss zugeben, dass ich es doch immer tue. Und natürlich ist niemand da.«

Dan ging über den abgetretenen Läufer. Die Bodenbretter knackten unter seinen Füßen. Er nahm einen Sternenkalender von Seymour Wallis’ Schreibtisch und sah ihn einige Augenblicke prüfend durch.

»Glauben Sie an das Übernatürliche, Mr. Wallis?«

»Das hängt davon ab, was Sie unter Übernatürlich verstehen.«

»Tja, Geister.«

Wallis schaute erst mich und dann wieder Dan an. Ich glaubte, er fürchtete, wir wollten ihn zum Narren halten. In seinem dunkelbraunen Bademantel sah er aus wie einer von diesen älteren Herren, die darauf bestehen, am Weihnachtstag ein kurzes Bad im Meer zu nehmen.

»Ich habe meinem Kollegen hier schon erzählt, dass es Häuser gibt, die als Empfänger für Töne und Unterhaltungen aus der Vergangenheit dienen. Falls in ihrem Inneren etwas besonders Erregendes passiert, dann speichern sie die Geräusche im Gefüge der Mauern ab wie ein Aufnahmegerät und wiederholen sie später, wieder und immer wieder. Erst letztes Jahr gab es da einen Fall in Massachusetts: Ein junges Paar behauptete, es höre bei Nacht immer wieder einen Mann und eine Frau in ihrem Wohnzimmer streiten, aber sobald sie nach unten gingen, sei niemand da. Sie konnten tatsächlich Namen verstehen, und als sie im örtlichen Kirchenregister nachsahen, stellten sie fest, dass die Leute, die sie ständig hörten, 1860 in ihrem Haus gewohnt hatten.«

Seymour Wallis rieb sich sein stacheliges Kinn. »Sie wollen mir sagen, dass dieses Atmen, das ich höre, von einem Geist ist?«

»Nicht gerade ein Geist«, sagte Dan. »Es ist nur ein Echo aus der Vergangenheit. Es mag wohl beängstigend sein, ist aber nicht gefährlicher als die Töne, die aus dem Fernseher kommen. Es sind nur Geräusche, mehr nicht.«

Wallis setzte sich langsam auf den alten Stuhl und sah uns sehr ernst an. »Kann ich es dazu bringen, mich allein zu lassen?«, fragte er. »Ich meine, können Sie es vielleicht austreiben?«

»Ich befürchte, nein«, antwortete Dan. »Dazu müsste man das Haus abreißen. Was Sie hören, ist mit der Struktur des Hauses selbst verbunden.«

Ich hüstelte und sagte höflich: »Ich fürchte, da gibt es einen Ratsbeschluss gegen den Abriss dieser alten Häuser. Sie gehören zu Unterabschnitt 8.«

Seymour Wallis sah sehr müde aus. »Wissen Sie«, sagte er, »seit Jahren schon wollte ich eines dieser Häuser besitzen. Ich ging immer wieder hier vorbei und bewunderte ihr Alter, ihren Charakter und ihren Stil. Schließlich gelang es mir, eines zu ergattern. Dieses Haus bedeutet mir unsagbar viel. Es stellt für mich alles dar, was ich in meinem Leben versucht habe, um die alten Normen gegen die leichte, falsche, betrügerische, moderne Welt zu bewahren. Schauen Sie sich um! Hier gibt es kein Stück Formica, kein Gramm Plastik oder eine Spur von Glaswolle. Der Fries um die Decke ist aus echtem Gips, diese Bodenbretter stammen von einem alten Segelschiff. Schauen Sie, wie breit sie sind. Dann sehen Sie sich die Türen an. Sie sind solide und hängen richtig. Die Scharniere sind aus Messing.«

Er hob den Kopf, und als er sprach, klang seine Stimme sehr gerührt.

»Dieses Haus gehört mir. Und wenn ein Geist oder ein Geräusch in ihm ist, dann will ich es heraushaben. Ich bin der Herr hier. Bei Gott, ich werde es mit jeder übernatürlichen Kraft aufnehmen, denn es ist mein gutes Recht.«

»Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass ich Ihnen nicht glaube«, sagte ich, »denn ich bin sicher, dass Sie das, was Sie uns erzählt haben, wirklich gehört haben. Aber glauben Sie nicht, dass Sie vielleicht einfach überarbeitet sind? Vielleicht sind Sie nur müde.«

Seymour Wallis nickte. »Ich bin müde, das stimmt. Aber ich bin nicht so müde, dass ich nicht um das kämpfen würde, was mir gehört.«

Dan sah sich im Raum um. »Vielleicht könnten Sie mit diesem Atmen eine Einigung treffen. Irgendeinen Kompromiss schließen.«

»Das verstehe ich nicht.«

»Also, ich weiß nicht, ob ich es selbst verstehe. Aber es gibt viele Spiritisten, die zu glauben scheinen, dass man mit den Geistern einen Pakt schließen kann, damit sie einen in Ruhe lassen. Ich meine, der Grund, warum es an einem Ort spukt, könnte einfach darin liegen, dass der Geist nicht frei ist, dahin zu gehen, wohin Geister eben verschwinden. Vielleicht versucht dieser atmende Geist, Sie dazu zu bringen, ihm bei etwas zu helfen. Ich weiß nicht. Es ist nur so ein Gedanke. Vielleicht sollten Sie einen Versuch unternehmen und mit ihm reden.«