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Jane kam zu mir und fasste nach meiner Hand. Ihre eigene Hand war sehr kalt. »Bedeutet ihre Anwesenheit wirklich, dass Coyote hier ist?«

George Thousand Names hob den Kopf, als ob er in den Wind schnüffelte, und fragte uns: »Können Sie etwas riechen?«

Ich schnupperte. »Nicht viel. Ich habe eine Nasenverkrümmung.«

Jane sagte: »Es riecht wie … Ich weiß nicht genau, wonach.Wie Hunde … Wie Hunde, wenn sie nass sind.«

Er nickte und sagte nichts weiter. Ich nahm Janes Arm und führte sie zu den Krankenhaustüren und er folgte uns, sah dabei ab und zu hinauf zu den Vögeln, der Grauen Traurigkeit. In seinem Blick lag der Ausdruck von Misstrauen und Angst, wie bei einem Jungen, den man in eine Leichenhalle führt, damit er sich den Leichnam seines Vaters ansieht.

Bei den Aufzügen standen zwei uniformierte Wachpolizisten des SFPD. Einer von ihnen kam durch das Foyer auf uns zu und hob die Hand.

»Tut mir leid, Sir. Im Moment darf niemand hier hinein.«

»Ich bin mit Dr. Jarvis verabredet. Er erwartet uns.«

Der Polizist sah uns prüfend an. »Es tut mir leid. Ich habe strikte Anweisungen, niemanden hinaufzulassen.«

»Wie meinen Sie das?«, fragte ich. »Dr. Jarvis hat vor drei oder vier Stunden mit mir telefoniert und wir kommen jetzt extra aus Round Valley.«

»Mister«, sagte der Polizist geduldig. »Es wäre mir auch egal, wenn Sie vom Mars kämen. Meine Befehle lauten: Niemand fährt hoch.«

Der zweite Polizist kam heran: »Das stimmt. So lauten die Befehle.«

»Jetzt hören Sie doch zu, verdammt noch mal …«, entgegnete ich.

George Thousand Names unterbrach mich. »Wir haben eine Erlaubnis«, erzählte er dem Polizisten ruhig. »Möchten Sie sie sehen?«

Die Polizisten schauten ihn misstrauisch an. Aber George Thousand Names griff in seine rote Windjacke und hob eines der goldenen Amulette in die Höhe, die um seinen Hals hingen.

»Was ist das?«, fragte einer der Polizisten.

»Schauen Sie es an«, bat George Thousand Names. »Schauen Sie nur.«

Irgendwie fing er das Licht des Foyers mit dem Amulett auf und ließ es in die Augen der Polizisten scheinen. Die schienen zu blinzeln und erstarrten, dann traten sie einen Schritt zurück, als hätte sie jemand aus dem Weg gestoßen.

Ich sah George Thousand Names an und dann Jane, aber Jane zuckte nur die Achseln.

»Wir haben eine Genehmigung und dürfen hier hinein«, sagte George Thousand Names laut. »Haben Sie verstanden?«

Die beiden Polizisten nickten. Einer von ihnen drehte sich wie ein Schlafwandler um und öffnete uns die Türen des Aufzugs. Wir traten ein. George Thousand Names flüsterte zu mir: »Immer zu Ihren Diensten, Mr. Hyatt«, und ich drückte auf den Knopf für die fünfte Etage.

»Ist das eine Art Hypnose?«, fragte ich, während wir langsam aufwärtsfuhren. »Sie haben das doch mit dem Amulett gemacht?«

Der Medizinmann stopfte es in seine Windjacke zurück. »Wir nennen es ›Den Weg der Freundlichen Eroberung‹. Es ist eine Art Hypnose, ja, aber sie hat den Vorteil, eine Gehorsamstrance für nur wenige Augenblicke herbeizuführen, Augenblicke, an die sich das Opfer nie mehr erinnern wird. Sie können sie nicht auf Leute anwenden, die aggressiv sind oder sich vorgenommen haben, der Hypnose zu widerstehen. Aber es klappt ganz gut bei normalen Menschen, deren Gemütslage ziemlich entspannt ist.«

»Aber werden die Polizisten jetzt nicht nach uns suchen?«, fragte Jane.

George Thousand Names schüttelte den Kopf. »Das ist unwahrscheinlich. Sie werden vielleicht jetzt gerade da unten stehen und die Köpfe schütteln, weil sie das sichere Gefühl haben, dass irgendetwas nicht stimmt, aber sie werden absolut nicht wissen, was es sein könnte.«

Wir erreichten den fünften Stock und die Aufzugtüren öffneten sich. George Thousand Names ging höflich an Janes Seite in den Flur und ich folgte ihnen und schaute mich nach den Anzeichen der schrecklichen Panik um, von der Jim bei seinem Anruf gesprochen hatte.

Der Flur lag ruhig vor uns. Ich horchte einen Augenblick, konnte aber noch nicht einmal die Geräusche eines geschäftigen Privatkrankenhauses vernehmen wie etwa Rollwagen, Gespräche oder Durchsagen für die Ärzte. Nichts – nur das Surren des Aufzugs, als dessen Türen sich hinter uns schlossen und er in eine andere Etage hinauffuhr.

»Ich schlage vor, dass wir es am besten erst einmal in Dr. Jarvis’ Büro versuchen«, sagte ich. »Wenn er nicht dort ist, dann wird er sicher auf der Intensivstation sein, die ist weiter den Flur hinab.«

»Gehen Sie vor«, bat George Thousand Names. »Je eher wir dieses Monster in unsere Gewalt bekommen, desto besser.«

Jane lachte nervös. »Das hört sich ja an wie ein Frankenstein-Film.«

George Thousand Names steckte die Hände in die Taschen seiner Jeans, verzog das Gesicht und erwiderte pragmatisch: »Es ist schlimmer als das.«

Wir gingen über den weichen roten Teppich bis zu Jims Büro. Ich hielt den Atem an und klopfte an die Tür. Wir warteten, aber es kam keine Antwort.

George Thousand Names, dessen Augen in seinem Ledergesicht ruhig wie die einer Eidechse aussahen, meinte: »Ich hoffe, Sie haben diesem Arzt gesagt, wem er da gegenübersteht.«

Ich öffnete Dr. Jarvis’ Tür und schaute mich prüfend in dem kleinen Zimmer um. Es war sauber und ordentlich. Auf dem Schreibtisch stand noch ein dampfender Kaffeebecher, verlassen, wie die letzte Mahlzeit auf der Marie Céleste.Ein Zigarettenstummel schwelte in dem übervollen Aschenbecher. Die nahezu leere Ginflasche stand auf dem Kunststoffschränkchen.

»Gespenstisch«, flüsterte Jane.

»Sie müssen hinten in der Intensivstation sein«, sagte ich. »Es geht da entlang, auf der linken Seite.«

Als wir um die Ecke bogen, begannen wir zu laufen. Ich weiß nicht, warum. Die Stille gab uns irgendwie das Gefühl der Dringlichkeit – je länger es so totenstill blieb, desto unheimlicher kam uns alles vor. Alles, was wir hörten, war unser eigenes Atmen und das heftige Rascheln der Kleidung, weil wir uns so schnell bewegten.

Ich machte mir nicht einmal die Mühe, an die Doppeltüren der Station zu klopfen. Ich drückte sie einfach auf, hinein in das Flimmern und die Schatten und das blaue Zwielicht der Welt, in der Bryan Corder sein unnatürliches Leben weiterlebte.

Dr. Jarvis war da, ebenso Dr. Crane, Dr. Weston und Lieutenant Stroud von der Polizei; außerdem zwei verwirrte, stämmige Polizisten.

Jim drehte sich um, als wir eintraten. »Du hast es geschafft. Ich hatte schon Angst, dass es nicht klappt.«

»Was ist denn los?«, fragte ich. »Was ist hier passiert?«

Jim nahm meinen Arm und führte mich nach vorne zur Glaswand, die den Blick in die Tiefen der eigentlichen Station freigab. Drinnen brannte immer noch das blaue Licht, aber irgendwie erschien das Licht schwächer und viel unruhiger, ähnlich wie das kalte Leuchten, das in den Nächten über die See schwebt. Ich konnte die Umrisse des Bettes erkennen, Ständer mit Infusionslösungen und einige silberne Geräte, die darumstanden. Ich glaubte, die knochenweiße Wölbung von Bryan Corders Schädel zu erkennen, aber auf dem Bett selbst lag ein undefinierbares Gewirr von verdrehten Gliedern und Fleisch. Genaueres konnte ich nicht unterscheiden, weil es zu dunkel war.

»Dan Machin ist da drin?«, fragte ich. »Ich sehe ihn nicht.«

»Können Sie nicht hineingehen?«, fragte Jane.

Lieutenant Stroud, groß und kultiviert wie immer, antwortete: »Lady, wir stehen hier draußen nicht aus Gesundheitsgründen. Wir haben sechs-oder siebenmal versucht hineinzugelangen, aber jedes Mal wurden wir zurückgetrieben.«

»Zurückgetrieben?«, fragte ich. »Was meinen Sie mit ›zurückgetrieben‹?«

»Versuchen Sie es selbst«, schlug Lieutenant Stroud vor. »Die Tür befindet sich direkt vor Ihnen.«

Ich ging schon vorwärts, aber George Thousand Names sagte, und das sehr leise: »Tun Sie es nicht, Mr. Hyatt. Es lohnt sich nicht.«

Lieutenant Stroud fragte: »Was wissen denn Sie?«