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«Französische Gefangene, Mylady. Vergessen Sie nicht, er ist Friedensrichter. «Ferguson war froh, als Catherine das Thema fallenließ. Denn gut von diesem Land lebte vor allem Lady Belinda in ihrem herrschaftlichen Haus in London.

«Der Squire nutzt seine Stellung aus. Ich mag vor allem seine Frau, sie ist Sir Richards Lieblingsschwester, nicht wahr?»

Ferguson mußte sich Mühe geben, mit ihr Schritt zu halten.»Aye. Aber Miss Nancy, so hieß sie früher, hatte sich ursprünglich in Sir Richards besten Freund verliebt.»

Sie hielt inne und sah ihn an.»Sie wissen aber auch alles. Ich beneide Sie darum. Ich beneide Sie um jede Stunde, die Sie ihn länger kennen als ich. «Sie ging weiter und pflückte dabei eine Blume aus der Hecke.»Sie mögen ihn sehr, nicht wahr?»

Ferguson grüßte einige Feldarbeiter.»Ich würde für keinen anderen arbeiten.»

Überrascht stellte sie fest, daß die meisten Leute auf dem Feld Frauen waren. Nur der einbeinige Vanzell war da und warf sein ganzes Gewicht in die Zugleine eines Karrens. Ferguson sah einen Schatten über Lady Catherines Gesicht huschen. Sie kannte offenbar wirklich das Elend der Menschen. Schließlich hatte Bolitho sie aus Wailes geholt, dem Londoner Schuldgefängnis.

Ihr Mann hatte damals falsch ausgesagt, um sie in eine Strafkolonie abschieben zu lassen. Aber nach allem, was Ferguson von Allday gehört hatte, wäre sie eher gestorben, als sich nach New

South Wales schicken zu lassen. Bolitho hatte sie vor diesem Schicksal bewahrt, und Vanzell, damals in Wailes Gefängniswärter, hatte ihm dabei geholfen. Vanzell, der früher unter ihm gedient und dabei ein Bein verloren hatte. Nun lebte er auf dem Gut. Die meisten, die hier arbeiteten, waren auf seinen Schiffen gefahren oder aber die Witwen und Waisen Gefallener.

«Wir haben viel vor uns«, sagte sie,»aber wir werden das Land wieder fruchtbar machen, Sie und ich. Schottland — braucht Schottland nicht Getreide?»

Ferguson grinste.»O ja. Aber Schiffe sind teuer.»

Sie sah ihn nachdenklich an.»Das waren sie schon immer. «Dann verstummte sie, weil sie das Gatter zum Hof erreicht hatten.

Trotz des in Cornwall verbrachten Winters war ihre Haut immer noch sonnengebräunt. Doch Ferguson blieb später dabei, daß sie in diesem Augenblick bleich geworden war wie eine frisch gekalkte

Wand.

«Mylady! Was ist?»

Sie griff sich an die Brust.»Der Postbote!»

Ein junger Mann mit Dreispitz stand schwatzend bei Matthew, dem Kutscher. Ferguson winkte ihn heran.

Der Junge kam, hob grüßend zwei Finger zum Hut, zeigte beim Lächeln eine große Zahnlücke und sagte:»Ein Brief für Sie, Madam!»

«Danke. «Sie wandte sich ab und starrte auf den Umschlag nieder.»Er trägt keine Marke…»

«Den hat ein Amtsschreiber verfaßt, nehme ich an.»

Ferguson sah ihre verstörten Augen und teilte plötzlich ihre Angst.»Es ist etwas passiert. Etwas Schlimmes«, hörte er sie flüstern.

Der Postbote, der nichts begriff, versuchte zu erklären:»Der Brief kam mit der Postkutsche, verstehen Sie? Jemand muß dafür unterschreiben. Daß er den Brief bekommen hat, verstehen Sie?«Er sah in ihre ängstlichen Gesichter.»Aus London ist er. Aus London kommt der Brief.»

«Kommen Sie, Mylady. «Behutsam nahm Ferguson ihren Arm.»Wir gehen ins Haus.»

Aber da hatte sie den Umschlag schon aufgerissen. Ein zweiter Brief befand sich darin, versiegelt.

Ferguson hörte, daß seine Frau die Treppe herunterlief, und wagte kaum zu atmen. So kamen die Hiobsbotschaften wohl immer an. Es war stets die gleiche Geschichte. Nicht ein einziger Bolitho lag in Falmouth beerdigt, alle waren auf See gefallen. Selbst Kapitän Julius hatte man nicht mehr gefunden, nachdem sein Schiff vor Falmouth in die Luft geflogen war, damals im Jahr 1646.

Catherine sah Ferguson an und dann seine Frau. Dabei flüsterte sie:»Er ist in London!«Sie hielt den Brief so vorsichtig wie etwas Zerbrechliches.»Kapstadt hat sich ergeben. Der Feldzug ist zu Ende.»

Die Köchin Grace Ferguson legte einen warmen Arm um ihre Herrin und sagte leise:»Gott sei Dank. Und so soll es immer für Sie sein!»

Ferguson wollte wissen, wann der Brief geschrieben worden war. Catherine straffte sich.»Hier steht kein Datum. «Aber Bolithos Handschrift verriet, daß er es eilig gehabt hatte.

Ferguson gab dem Postboten ein Trinkgeld. Der offizielle äußere Umschlag hatte offenbar den wahren Inhalt verbergen sollen. Man hätte sich nur wieder das Maul zerrissen über die beiden, wenn man Bolithos Handschrift erkannte.

Aber der Botenjunge hatte ihnen noch etwas mitzuteilen.»Der Postkutscher hat gesagt, der Brief wär' längst hier, wenn ihm nicht unterwegs ein Rad gebrochen wär'. Das hat den Brief aufgehalten.»

Catherines Gesicht drückte jetzt unverhohlene Freude aus. Ferguson bestärkte sie darin:»Sir Richard ist vielleicht morgen schon hier, Mylady. Er wird zunächst in der Admiralität Bericht erstattet haben, und das dauert ja. «Er erinnerte sich, wie verärgert Bolitho immer war über die vielen Berichte, die es nach jedem Einsatz zu verfassen galt.

Hufschlag erklang auf der Straße zur Stadt, die am Friedhof vorbeiführte und an der Kirche, wo die Gedenktafeln für die gefallenen Bolithos hingen. Matthew lauschte gespannt.»Kein Pferd von uns.»

Aber da lief Catherine schon auf die Straße, die Arme weit ausgestreckt. Sollten die Leute doch reden und glotzen, was machte das schon! Aber wie war er so schnell nach Falmouth gekommen?

Als Bolitho aus dem Sattel glitt und sie in die Arme nahm, hörte er sie flüstern:»Eigentlich wollte ich mich dafür besonders schön machen. Wie sehe ich bloß aus?»

Er hob ihr Kinn und sah sie lange an.»Wunderschön. «Nein, das alles war kein Traum.»Unterwegs brach ein Rad, aber ich konnte nicht warten und nahm mir ein Pferd. Wenn du nicht mehr hier gewesen wärst.»

Sie legte ihm einen Finger auf die Lippen.»Aber ich bin hier, Liebster.»

Er schob ihren Finger beiseite und fand ihre Lippen mit seinem Mund.

«Habe ich dich zu lange warten lassen?»

Bolitho wandte sich vom Fenster ihr zu. Sie kam die Treppe herauf, das Haar immer noch offen, doch über die Schultern zurückgekämmt. Dazu trug sie ein einfaches grünes Kleid.

Er hielt sie auf Armeslänge von sich ab.»Selbst in einer Seemannsbluse wärst du noch wunderschön.»

«Wie du mich anschaust! Ich werde gleich rot wie ein Schulmädchen. «Ihre Blicke wanderten über sein Gesicht.»Und du? Was macht dein Auge?»

Er küßte sie auf die Wange, spürte die Wärme ihres Körpers. All seine Ängste verflogen. Catherine war hier. Sie hatten sich nie getrennt. Sie im Arm zu halten, mit ihr zu sprechen — für nichts anderes gab es jetzt Platz in seinen Gedanken.

«Es geht besser. Ich hatte keine Probleme in der Sonne da unten.»

Sie verbarg ihre Erleichterung. Noch wollte sie ihm nicht zeigen, wie sehr sie sich um ihn gesorgt hatte.

«Und du?«fragte er.»War es schlimm so allein?»

Sie lachte, schüttelte ihr Haar.»Ich glaube, man mag mich hier. «Damit schob sie den Arm unter seinen und führte ihn ins nächste Zimmer.»Es gibt aber auch unangenehme Nachrichten. Deine Schwester Nancy sagte mir vor acht Tagen, daß deine andere Schwester aus Indien zurückgekehrt ist.»

«Felicity? Ach!«Er versuchte, sich an diese Schwester zu erinnern, die zwei Jahre älter war als er. Als er zum Leutnant befördert worden war, hatte er sie zum letzten Mal gesehen. Damals war sie mit einem Offizier des 81. Infanterieregiments verheiratet gewesen, das zum Dienst in der Ostindischen Handelsgesellschaft abgestellt wurde. Seltsamerweise erinnerte er sich an seinen Schwager besser als an seine Schwester. Er war ein leiser, angenehmer Mann gewesen, der Felicity kennengelernt hatte, als seine Kompanie in Cornwall stationiert gewesen war.

«Ihr Mann ist tot, Richard. Sie will jetzt in Cornwall leben.»

Bolitho ahnte, daß noch mehr auf ihn zukommen würde.»Sie hat zwei Söhne, nicht wahr? Einer dient im Regiment des Vaters, der andere in der Flotte der Handelsgesellschaft, wenn ich mich recht erinnere. Wie starb der Vater?»