Bitterkeit mehr.
Oben stand Tyacke an der Pinne, als sei er ein Teil des Schiffs.»Schauen Sie dort hinüber!»
Männer rannten über die Decks der Kaufahrer, andere kletterten ins Rigg, und ein paar versuchten, die Ankertrossen zu kappen.
Etwas explodierte unter seinen Füßen mit dumpfem Knall. Schwerer schwarzer Rauch quoll nach oben, und dann leckten die ersten Rammen aus dem Deck der Albacora.
«Holt das Boot längsseits!»
Segrave beobachtete, wie sich das Feuer durch die Decksnähte fraß, und spürte, daß der Rumpf unter ihm heiß wurde wie eine Herdplatte. Tyacke stand noch immer wie festgenagelt an der Pinne.
Ein Mann schrie:»In's Boot, Sir!«Das war der Deserteur.
Ganz ruhig sprach Segrave auf Tyacke ein:»Sie dürfen nicht an Bord bleiben und mit der Albacora verbrennen, Sir. «Tyacke wandte ihm sein zerstörtes Gesicht zu.»Bitte nicht, wir brauchen Sie. «Er hörte das Feuer unter sich lauter prasseln.»Auf der Miranda sind alle gestorben, das darf nicht umsonst geschehen sein. Um Ihrer Freunde willen — kommen Sie!»
Tyacke straffte sich.»Du hast recht, mein Junge. Ich will dich noch als Offizier sehen.»
Zusammen kletterten sie ins Beiboot. Kaum waren sie aus dem Schatten der Albacora gepullt, sahen sie, wie ihr Rumpf aufplatzte und Flammen mit wütendem Fauchen gen Himmel schossen.
Tyacke saß an der Pinne.»Pullt, Leute! Wenn wir die Huk erreichen, können wir uns vielleicht an Land verstecken.»
Ein Mann rief plötzlich:»Jetzt sind sie dran! O mein Gott!«In seinen aufgerissenen Augen spiegelten sich die Flammen, als der brennende Schoner gegen den ersten Ostindienfahrer stieß.
Das Feuer raste seine geteerten Wanten empor, jagte die Rahen entlang. Männer, die aufgeentert waren und versucht hatten, noch rechtzeitig Segel zu setzen, fanden sich zwischen Absturz und Verbrennen gefangen. Sie fielen wie Puppen an Deck, denn das war ein schneller Tod, schneller als der durch Flammen oder Haie. Der zweite Ostindienfahrer war noch von seinem Heckanker freigekommen, aber zu spät. Feuerzungen leckten gierig nach seinem Vordeck und rasten die Finknetze entlang nach achtern.
Im Boot schwiegen alle. Nur die Riemen quietschten.»Sucht eine gute Stelle, wo wir an Land gehen können!«befahl Tyacke.
Buller hatte wieder eine Kugel in seine Muskete gerammt.»Wir werden keinen Strand brauchen, Sir. «Seine Stimme klang ungläubig.
Tyacke folgte seinem Blick auf See hinaus und packte Segraves Arm.»Da ist die Truculent!«, rief er.»Sie holt uns!»
Sie drehten und ruderten mit aller Kraft auf die Landspitze zu, als hinter ihr die Masten der Fregatte sichtbar wurden. Achteraus von ihnen stieg eine schwarze Rauchwand gen Himmel, aus der Flammen züngelten. Das Ende der Ostindienfahrer war schrecklich.
Segrave sah Tyacke an und wußte, daß der Leutnant fast an Bord der Albacora geblieben wäre. Doch er, der geschundene Kadett, hatte es erreicht, daß Tyacke nun weiterleben wollte.
Auch er selbst würde nicht aufgeben, schwor er sich. Niemals.
VII Noch eine Überlebenschance
Bolitho lehnte sich an den hölzernen Lauf einer Kanonenattrappe und schaute durch die offene Pforte nach draußen. In der Nachmittagshitze war das Holz so heiß wie ein Rohr, das gerade abgefeuert worden war. Auf seinem Flaggschiff, der Themis, war es ungewöhnlich still. Nichts bewegte sich an Bord. Auch die Truculent lag reglos vor Anker, die See um sie herum glänzte wie ein Spiegel. Am Tisch der Kajüte schrieb Yovell Befehl nach Befehl für die Kommandanten beider Geschwader aus. Die eine oder andere Ausfertigung würde schließlich auch auf Sir Owen Godschales Tisch in der fernen Londoner Admiralität landen. Gelegentlich drang von Land das leise Grollen der Artillerie herüber, denn das englische Heer marschierte auf Kapstadt zu.
Jenour betupfte sich Gesicht und Hals mit einem Taschentuch und beugte sich über den Tisch, um etwas zu prüfen. Er sah bedrückt aus seit dem plötzlichen Verlust der Miranda. Die Truculent hatte die Besatzung des Branders an Bord genommen und sofort die Suche nach der französischen Fregatte begonnen. Dabei hatten sie auch mit Kapitän Varian gerechnet, der eigentlich jedes Schiff sehen mußte, das aus der Bucht entkam. Aber die französische Fregatte blieb verschwunden. Drei Tage später trafen sie die Zest, und Varian berichtete, er habe zwar ein fremdes Schiff gejagt, doch ohne Erfolg.
Bolitho versuchte, den Verlust der Miranda zu verdrängen, Tyackes Zorn und Schmerz zu vergessen, als dieser an Bord geklettert kam. Der Qualm der brennenden Holländer war viele Meilen weit zu sehen gewesen. Auch die Soldaten des Generals hatten den Rauchpilz bestimmt entdeckt und neuen Mut gefaßt. Bolitho versuchte vergeblich, seinen Trübsinn abzuschütteln. Das Ergebnis war den Einsatz wert gewesen. Doch wieder einmal hatte er den Männern zu nahe gestanden, die gefallen waren: Simcox, Jay, der scharfäugige Landsmann aus Penzance und viele andere.
Es klopfte, und Commander Maguire trat ein, den Hut unter dem Arm.»Sie ließen mich rufen, Sir Richard?«Durch das offene Fenster drang wieder das ferne Grollen von Kanonen.
«Bitte setzen Sie sich. «Bolitho trat an den Tisch.»Nach diesem Feldzug werden Sie heim nach England segeln, Commander Maguire. Ihre Order ist schon ausgeschrieben. Bis dahin stehen Sie unter dem Kommando von Commodore Popham.»
Der Mann zeigte keinerlei Regung. Wie viele andere im Geschwader hielt er den Einsatz des Branders und das Opfer der Miranda für sinnlos. Der Verlust der beiden Schoner und der beiden Holländer würde am Unentschieden dieser Kampagne nichts ändern.
Nebenan stieß etwas an, dann hörte man Männer eine schwere Last bewegen. Erst jetzt zuckte ein Nerv in Maguires Gesicht. Er hatte lange unter Commodore Warren gedient. Aber Warren war in dem Augenblick an seiner Lungenkrankheit gestorben, als die Segel der Truculent wieder über der Kimm auftauchten. Sein Schreiber und sein Steward hatten Warrens weltlichen Besitz in einer Kiste verstaut, die ein Transportschiff mit nach England nehmen sollte.
«Und was wird aus meinem Schiff?«fragte Maguire.
«Es wird endlich in eine Werft kommen und neu ausgerüstet werden.»
«Aber die Themis ist doch viel zu alt, Sir Richard!»
Bolitho überhörte den Einwand.»Sie ist nicht so alt wie mein früheres Flaggschiff. «Das sollte nicht scharf klingen, doch Maguire zuckte zusammen.»Der Krieg geht weiter, Commander, und wir brauchen jedes Schiff, jedes! Wenn es nur segeln und kämpfen kann. «Bolitho schaute aus dem Heckfenster ins Wasser, sah den Bewuchs am Kupferbeschlag.»England braucht mehr als hölzerne Kanonen!»
Damit entließ er den Commander.
«Das eben hat Ihnen mißfallen, nicht wahr, Stephen?»
Jenour richtete sich auf.»Nun, manchmal, Sir.»
Bolitho hob die Hand.»Ja, auch mir tat Warren leid. Aber irgendwie gehörte er nicht mehr in unsere Zeit. Wir müssen diesen verdammten Krieg gewinnen und uns deshalb um die Lebenden kümmern.»
Durch die zweite Tür trat Allday ein.»Es sind gerade ein paar Fässer Bier an Bord gebracht worden, Sir Richard, wohl noch für die Miranda. Und für Sie ist ein Fäßchen Brandy dabei — vom General persönlich.»
Bolitho zupfte sich das schweißnasse Hemd von der Brust.»Ja, das hat er mir in seinem Brief angekündigt. «Er dachte an General Baird, der jetzt an Land kämpfte. Von seinem Gegner, General Jansens, hielt er einiges. Der sei kein Mann, der sinnlos zerstöre, hatte er gesagt. Hieß das, Jansens würde sich eher ergeben, als Kapstadt kaputtschießen lassen? Bolitho fühlte plötzlich, wie ein kühler Schauer über seinen Rücken kroch. Ihm schien, als sei Warren immer noch in der Kajüte, voller Haß auf den Admiral, der nun über sein Schiff bestimmte.
«Alles in Ordnung, Sir Richard?«Allday fragte sich besorgt, ob etwa Bolithos Fieber zurückkehrte.