Изменить стиль страницы

Keen sah ihn lächeln und wunderte sich. Wie hielt er das nur durch? Er war fanatisch, unbeirrbar, aber das würde ihn auch nicht vorm Kriegsgericht retten.

«Wie geht's dem Jungen? Es war Midshipman Estridge, nicht wahr?»

«Ein glatter Bruch, Sir. Die anderen Verletzten machen Tuson mehr Kummer.»

An einem Neunpfünder arbeitete ein Seemann, der Bo-litho schon aufgefallen war. Er war bis zur Taille nackt, aber nicht aus Angabe, sondern um seine Kleider trocken zu halten. Sein Rücken war von den Schultern bis zum Gürtel mit Narben bedeckt, die den Spuren einer riesigen Kralle glichen. Der Anblick erinnerte Bolitho an Zenoria und das Schicksal, vor dem Keen sie bewahrt hatte.

Doch als Keen jetzt lachte, drehte sich der Matrose um und schaute ihn an. Bolitho hatte kaum jemals einen so haßerfüllten Blick gesehen.

Auch Keen bemerkte ihn und sagte zornig:»Vor jeder Auspeitschung lese ich die Kriegsartikel vor. Verfaßt habe ich die verdammten Paragraphen aber nicht!»

Bolitho fiel erst jetzt auf, daß an den Niedergängen Seesoldaten postiert waren. Keen ging kein Risiko ein. Es war besser, Zwischenfällen vorzubeugen, statt sie zu ahnden.

«Ich gehe nach unten«, sagte Bolitho fest.»Wenn ich mich geirrt habe. «Er zuckte die Achseln.»Dann werden sich manche die Hände reiben. Hoffentlich lassen sie wenigstens meine Familie in Frieden.»

Keen sah ihn mit langen Schritten auf die Leiter zugehen und spürte das Mitleid wie einen Stich, als Bolitho sich an einer Klampe des Besanmastes den Arm stieß.

Paget trat leise neben ihn.»Darf ich fragen, wie Sie unsere Chancen einschätzen, Sir?»

Keen warf ihm einen Blick zu.»Fragen Sie mich das, wenn wir Jobert auf eine Leeküste getrieben haben.»

Beide fuhren herum, als sie unter der Kimm ein Donnergrollen hörten.»Doch nicht auch noch ein Gewitter?«rief Paget ängstlich.

Keen schaute an ihm vorbei. Bolitho, der jetzt seinen alten Degen trug, kehrte aufs Poopdeck zurück, gefolgt von Allday. Er schaute sie an.»Diesmal ist es kein Donner.»

Der Ausguck rief ungläubig:»Kanonenfeuer, Sir! Im Süden!»

Keen starrte ihn an. Wie hatte er das vorhergesehen? Noch vor wenigen Augenblicken mußte er sich geschlagen gefühlt haben. Nun wirkte er sonderbar gelassen. Seine Stimme klang gleichmütig, als er sagte:»Signal ans Geschwader, Mr. Sheaffe: Mehr Segel setzen.»

Die Flaggen wurden hastig hochgezogen, und Bolitho verschränkte die Hände auf dem Rücken, damit sie nicht zitterten.

«Bestätigt, Sir!«Stayt erschien lautlos wie eine Katze.

Das ferne Grummeln rollte übers Wasser heran, seine Ursache lag aber noch weit hinterm Horizont.»Ins Gefecht kommen wir erst morgen vor Sonnenaufgang«, sagte Bo-litho. Dabei mußte er einkalkulieren, daß der Sturm die Schiffe nach Einbruch der Dunkelheit zerstreute. Benbow konnte es leicht mit nordafrikanischen Freibeutern oder Korsaren aufnehmen, hatte aber gegen Joberts Geschwader keine Chance. Er neigte den Kopf, als es wieder donnerte. Nur wenige Schiffe, vielleicht zwei. Was konnte das bedeuten?

«Signal ans Geschwader: Klar zum Gefecht. Die Männer sollen heute nacht bei ihren Kanonen schlafen.»

Als er den Knauf des alten Degens berührte, durchlief ihn ein Schauer. Es kam ihm wie gestern vor, daß er mit Adam in Portsmouth zum Hafen gegangen war. Damals hatte er sich umgedreht, als suche er etwas. Vielleicht hatte er gewußt, daß er die Stadt zum letzten Mal sah.

XVI Heißt Gefechtsflagge!

Konteradmiral Thomas Herrick stand in Luv an den Netzen und sah zu, wie die Matrosen der Benbow an den Brassen hievten, um die Rahen zu trimmen, an denen die gerefften Marssegel ausgeschüttelt worden waren.

Bei dem launischen Wind schien alles eine Ewigkeit zu dauern; Segelmanöver hatten den ganzen Tag in Anspruch genommen und ihre Kräfte erschöpft. Nun lag endlich die Südspitze Sardiniens fünfzig Meilen an Steuerbord achteraus. An Backbord hatten sie in vergleichbarer Entfernung Afrika.

In Lee der Benbow rollten die zwei schweren Handels — schiffe Governor und Prince Henry. Über den Wert ihrer Ladung konnte Herrick nur Vermutungen anstellen. Wieder einmal dachte er an Bolithos Gesicht in der Kajüte seines Schiffes, das einmal so stolz seine Flagge geführt hatte. Er konnte die Bitterkeit in seiner Stimme, die rücksichtslose Verachtung, mit der er den ganzen Ausschuß zum Teufel gewünscht hatte, nicht vergessen.

Ein seltsamer Zufall, daß Admiral Sir Marcus Laforey beschlossen hatte, ausgerechnet auf der Benbow nach England zurückzukehren. Die Geschäfte auf Malta hatte er seinem Flaggkapitän überlassen, doch angesichts seiner Eß-und Trinkgewohnheiten war es unwahrscheinlich, daß er jemals dorthin zurückkehren würde.

Herrick hörte, wie sich Kapitän Dewar mit dem Sailing Master unterhielt, und seufzte. Es war Zeit, daß er sich mit seinem Flaggkapitän aussprach, denn Dewar war ein vorzüglicher, gewissenhafter Offizier. Herrick gab sich selbst die Schuld für die Verstimmung zwischen ihnen. Seit der Verhandlung war er miserabler Laune gewesen.

Er spürte Gischt im Gesicht und spähte nach Steuerbord voraus, wo seine einzige Fregatte taumelnd wie ein Schiff in Seenot erneut wendete, um sich in Luv von ihnen zu halten. Es war die Philomel mit sechsundzwanzig Kanonen, die in Malta eigentlich für eine dringend notwendige Überholung vorgesehen war. Doch die bedenkliche Nachricht von Joberts Beutezug war dazwischengekommen.

Herrick verschränkte die Hände auf dem Rücken und dachte an Inch, auch einen langjährigen Freund. Lebte er noch? Kaum vorstellbar, daß er vor den Franzosen die Flagge gestrichen hätte.

Kapitän Dewar trat zu ihm.»Sollen wir für die Nacht beidrehen, Sir?»

Herrick schüttelte den Kopf. Wieder hob sich das Deck unter ihm, und seine stämmigen Beine glichen die Bewegung gewohnheitsmäßig aus. Anders als Bolitho ging er nur selten auf und ab. Er stand lieber fest und spürte sein Schiff, war schon vor langer Zeit zu dem Schluß gekommen, daß er so besser denken konnte.

«Nein, wir brauchen mehr Seeraum. Die Handelsschiffe sollen Laternen setzen, damit wir die Formation halten können. Philomel wird allein zurechtkommen müssen.»

Dewar schätzte die Lage ab wie ein Jäger, der vor dem ersten Schuß einen Finger in den Wind hält.»Glauben Sie, daß Vizeadmiral Bolitho auf Jobert gestoßen ist, Sir?»

«Falls nicht, steht er zumindest zwischen uns und dem Feind. «Plötzlich mußte Herrick an die achthundert Meilen denken, die noch vor ihnen lagen, ehe sie unter den Kanonen von Gibraltar vor Anker gehen konnten. Dort bekamen sie wenigstens eine Atempause und vielleicht eine weitere Eskorte.»Unser Dick schafft es bestimmt«, fügte er hinzu.

Dewar musterte ihn neugierig, schwieg aber. Anscheinend vertrugen sich die beiden wieder.

Gerade als Herrick erwog, sich in seine Kajüte zurückzuziehen, wo Laforey seine Gicht mit Alkohol betäubte, rief der Ausguck:»Geschützfeuer im Westen!»

Der Schall mußte ihn auf seinem hohen Sitz rascher erreicht haben, denn Herrick hörte erst jetzt das ferne Krachen von Kanonen und den vereinzelten Knall leichterer Waffen. Plötzlich wurde sein Kopf so klar, als habe er ihn in Eis wasser getaucht.

«Klar zum Gefecht, Kapitän Dewar. Und Signal an Geleitzug: aufschließen. «Als die Pfeifen schrillten und die sechshundert Matrosen und Seesoldaten der Benbow alles stehen und liegen ließen, um hastig dem Signal der Trommeln zu folgen, fluchte Herrick lautlos in sich hinein: Sonne und Wind — alles war gegen sie. Trotzdem zwang er sich, eine Zuversicht zu zeigen, die er nicht empfand. Auf wen wurde da geschossen? Die Detonationen waren noch weit entfernt, aber der Wind trug ihre düstere Botschaft zu ihnen.

«Philomel soll erkunden, was dort vorgeht. «Nervös verschränkte Herrick die Finger auf dem Rücken. Die kleine Fregatte konnte kehrtmachen und rechtzeitig mit dem Wind fliehen, wenn sie in Gefahr geriet. Schade nur, daß er ihren Kommandant nicht näher kannte. Er hatte lediglich herausgefunden, daß er Saunders hieß. Herrick schritt zur anderen Seite und sah das ihnen fernerstehende Handelsschiff die Bramsegel setzten, um näher aufzuschließen. Mein Gott, sie sehen aus wie schlachtreifes Mastvieh, dachte Herrick deprimiert. Dann hörte er, wie der Erste Offizier die Mannschaft zu besonderer Anstrengung anspornte. Jedem Mann war bewußt, daß sie zwei Admirale an Bord hatten.