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«Riemen hoch!«Die fahlen Ruder hoben sich triefend, die Blätter perfekt ausgerichtet. Allday hatte seine Leute gut gedrillt. Dann das Fallreep hinauf zum durchdringenden Gezwitscher der Bootsmannspfeifen, zum Rhythmus der Trommeln und Querpfeifen. Tonwolken schwebten wie weißer Staub über den Marinesoldaten, als sie ihm zu Ehren die Waffen präsentierten. Und da kam auch schon Thomas Herrick mit strahlendem Gesicht herbeigeeilt und ließ die Förmlichkeit verwehen wie Pfeifenton.

«Kommen Sie nach achtern, Sir Richard«, rief Herrick. Er lächelte schüchtern.»An den Titel habe ich mich noch nicht ganz gewöhnt.»

Ich auch nicht, dachte Bolitho, als sie unter die vertraute Poop schritten. Hier hatten Männer die Waffen gegeneinander erhoben und waren gefallen. Dort oben hatten Kugeln Matrosen und Seesoldaten umgemäht, und wo nun zwei kleine Kadetten aufmerksam dem Sailing Master lauschten, war er selbst getroffen worden.

In der Achterkajüte war es warm, obwohl Fenster und Skylight weit offenstanden. Herrick eilte geschäftig umher.»Hier stinkt es nach Farbe und Teer wie auf der Werft von Chatham!»

Ein Kabinensteward stellte Pokale auf ein Tablett, und Bolitho, dem das Hemd bereits am Leib klebte, setzte sich unters Skylight. Er sah Herrick voller Zuneigung an. Sein Haar war nun graumeliert, und er wirkte fülliger, was vermutlich am Eheleben und den Kochkünsten seiner Dulcie lag. Doch sonst sah er so aus wie früher: die gleichen klaren blauen Augen und die forschende Neugier, wenn er seinen Freund ansah, der früher einmal sein Kommandant gewesen war in einem Krieg, in dem Meuterei eine ärgere Bedrohung darstellte als der Feind.

«Ich habe den jungen Adam gesehen, als er hier war, Richard.»

Bolitho nahm einen Pokal vom Tablett. Roter Bordeaux. Mit Herricks Beförderung war auch sein Geschmack besser geworden.

«Eine schöne Brigg«, fuhr Herrick fort.»Als nächstes bekommt er eine Fregatte, wie er es sich immer erträumt hat. Falls er keine Schwierigkeiten kriegt. «Er machte eine Pause und blickte jäh besorgt drein.»Na, dann trinken wir mal auf dich, mein Freund, und bleibe Fortuna dir treu.»

Bolitho griff nach seinem Pokal, verfehlte ihn aber und streifte ihn mit der Stulpe. Der Wein floß über den Tisch wie Blut, und als Herrick und der Steward ihm zu Hilfe eilen wollten, sagte Bolitho:»Schon gut, ich komme allein zurecht!«Das klang schärfer als beabsichtigt, deshalb setzte er rasch hinzu:»Entschuldige, Thomas.»

Herrick nickte langsam und schenkte ihm neu ein.

«Ich habe natürlich von deiner Verwundung gehört, Richard, und war schockiert. «Er beugte sich vor und schaute Bolitho zum ersten Mal direkt an.»Aber ich kann keinen Schaden erkennen, außer vielleicht.»

Bolitho senkte den Blick.»Aye, Thomas, außer vielleicht — das sagt alles. «Er leerte den Pokal, ohne es überhaupt zu merken.»So, und nun zu dieser Untersuchung, Thomas.»

Herrick lehnte sich zurück und musterte ihn ernst.»Die Verhandlung findet morgen hier statt.»

«Das ist doch alles Mumpitz, Thomas. «Bolitho wäre am liebsten aufgestanden und auf- und abgegangen, wie er es in dieser Kajüte so oft getan hatte.»Mein Gott, du kennst Valentine Keen doch. Er ist ein vorzüglicher Charakter und inzwischen ein hervorragender Kommandant.»

«Natürlich habe ich ihn nicht vergessen. Schließlich sind wir oft genug miteinander zur See gefahren. «Herrick wurde ernst.»Über die Verhandlung kann ich nicht sprechen, Richard, aber du hast dieses schmutzige Geschäft ja schon selbst erledigen müssen und verstehst das bestimmt.»

«Nur zu gut. Mein Flaggleutnant hat mir gleich von diesem Besuch abgeraten.»

Herrick beobachtete ihn besorgt.»Da hatte er recht. Jeder Kontakt zwischen uns könnte als Absprache gedeutet werden. Schließlich sind wir alle Freunde.»

Bolitho starrte zornig aus den Fenstern.»Wirklich? Ich frage mich langsam. «Herricks verletzter Blick entging ihm.»Als meine Flagge auf der Benbow wehte und du das Kommando hattest, war der junge Keen Kommandant der Nicator.«Hastig fuhr er fort:»Als wir dann nach Westindien fuhren und um diese verdammte Insel kämpften, gab Val ein größeres Schiff auf, um die Achates, einen kleinen Vierundsechziger, zu übernehmen, weil ich ihn gebeten hatte, mein Flaggkapitän zu sein.»

Herrick packte die Tischkante.»Ich weiß, Richard, ich weiß. Doch das ändert nichts an der Tatsache, daß wir hier eine Verhandlung zu führen haben. Ohne den entsprechenden Befehl würde ich kein Wort mehr darüber verlieren.»

Bolitho war bemüht, sich zu entspannen. Seit seiner Verwundung schien ihm jeder Zwischenfall, jedes Problem direkt unter die Haut zu gehen. Er griff nach seinem Pokal und merkte, daß Herrick mit Absicht nicht hinsah, nur für den Fall, daß er ihn wieder umstieß.

«Ich werde persönlich erscheinen«, sagte er.»Ich habe nicht die Absicht, eine schriftliche Aussage einzureichen, als wäre das nur eine zweitrangige Angelegenheit. Die Zukunft meines Flaggkapitäns ist in Gefahr, und ich denke nicht daran, tatenlos zuzusehen, wie er von Feinden, über deren Namen ich nur Vermutungen anstellen kann, verleumdet wird!»

Herrick winkte seinen Steward hinaus. Dann sagte er beherrscht:»Es war nicht recht von Keen, eine verurteilte Strafgefangene von einem Schiff zu entfernen. Die Tatsache, daß es sich um eine junge Frau handelt, erschwert noch den Fall.»

Bolitho stellte sich das schmutzige Sträflingsschiff und die junge Zenoria an der Gräting vor. Das Mädchen würde für den Rest seines Lebens die Narbe auf dem Rücken tragen. Es hätte sterben müssen, wenn Keen nicht gewesen wäre. Niemand hatte damals voraussehen können, welche Folgen dieser Zwischenfall haben würde.

«Wenn es sich um einen gewöhnlichen männlichen Gefangenen gehandelt hätte. «meinte Herrick.

«Aber das war eben nicht der Fall, Thomas. Sie wurde fälschlich beschuldigt und zu Unrecht verbannt. Mein Gott, Mann, man wollte sie wegen ihres Vaters aus dem Weg schaffen!»

Herrick rutschte unter Bolithos zornigem Blick unbehaglich auf seinem Stuhl herum.»Andere sagen aber…»

Bolitho stand auf.»Wenn du wieder mal an Dulcie schreibst, richte ihr bitte meine besten Grüße aus.»

Auch Herrick war jetzt auf den Beinen.»Bitte geh nicht im Zorn, Richard!»

Bolitho atmete tief, um sich wieder zu fassen, ehe er vor die Ehrenwache trat.

«Wer wird sonst noch zugegen sein? Kannst du mir wenigstens das verraten?«Er verbarg seine Verbitterung nicht.

Herrick erwiderte:»Admiral Sir Marcus Laforey und sein Flaggkapitän. «Abrupt fügte er hinzu:»Ist diese Frau noch auf der Argonaute?».

Bolitho griff nach seinem Hut.»Darauf kann ich dir keine Antwort geben, Thomas. «Er ging durch die Tür.»Das könnte als Absprache ausgelegt werden.»

Bolitho wußte, diese Bemerkung war unfair, aber im Augenblick stand mehr auf dem Spiel als nur Worte. Seine und Keens Karriere waren auch dann gefährdet, wenn kein negatives Urteil erging, denn das Gerücht würde sich rasch verbreiten. Dem mußte Einhalt geboten werden.

Die beiden Admirale gingen zwar gemeinsam zur Pforte, aber Bolitho hatte sich noch nie von seinem Freund ferner gefühlt. Dabei kannte er Herrick länger als Allday, der auf eben dieses Schiff zwangsverpflichtet worden war.

Er zögerte, als die erste Reihe Seesoldaten in sein Blickfeld kam. Der Oberfeldwebel am Ende, dessen Blick starr aufs Land gerichtet war, wirkte seltsam steif. Bolitho blieb stehen und konnte dann das Gesicht unterbringen. Der Mann, damals nur ein gemeiner Seesoldat, hatte ihm an jenem gräßlichen Tag geholfen.

«McCall, ich habe Sie in guter Erinnerung«, sagte er leise.

Der Oberfeldwebel, dessen Hauptmann hinter Bolitho stand und zuschaute, blieb steif stehen. Doch seine Augen wurden lebhaft, als er sagte:»Vielen Dank, Sir. «Er zögerte, als fürchte er, zu weit zu gehen.»War ein heißer Kampf, Sir.»

Bolitho lächelte.»Aye. Freut mich, daß Sie beim Marinekorps vorangekommen sind. «Vielsagend fügte er hinzu:»Aber passen Sie auf, daß andere Ihre Anstrengungen nicht zunichte machen.»