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Ozzard kam übers Deck gesprungen und flüsterte verzweifelt:»Das Kleid, Sir! Sie hat Ihr Kleid vergessen!»

Keen wartete, bis die Gig zwischen den Schatten der verankerten Schiffe verschwunden war, und erwiderte dann:»Macht nichts. Das bringe ich ihr selbst nach England.»

XII Loyalitätskonflikt

Die Residenz des britischen Marinebefehlshabers auf Malta, dem Schiffe, Lagerhäuser und Werften unterstanden, war ein imposantes Gebäude.

Nach den staubigen Straßen und der grellen Sonne fand Bolitho den Raum, in den er geführt wurde, angenehm und kühl. Ein hohes Fenster öffnete sich zum Hafen und bot Aussicht auf die dicht an dicht liegenden Schiffe und die kreuz und quer verlaufenden Kielwasser der Beiboote am Beginn eines neuen Arbeitstages.

Bolitho dachte an die Brigg Lord Egmont, die jetzt unter vollen Segeln schon auf dem Weg nach Gibraltar sein mußte. Das aber würde sie wegen des Fiebers ohne Aufenthalt passieren und erst auf der Carrick-Reede in Sichtweite des Bolithoschen Hauses Anker werfen. Er entsann sich auch der kleinen Achterkajüte der Brigg und ihres Kapitäns Isaac Tregidgo, der ihm am Tisch gegenübergesessen hatte.

Tregidgo hatte ein Gesicht wie ein verwitterter Holzklotz, faltig und narbig nach Jahren auf See. Er war selbst unter den Handelskapitänen von Falmouth eine Legende. Stürme, Fieber, Piraten und Krieg, der Alte hatte alles überlebt. Er muß über siebzig sein, dachte Bolitho, der ihn schon sein Leben lang kannte.

Selbst seine Begrüßung war typisch gewesen.»Dann setz dich mal, Dick. «Er hatte breit gegrinst, als Bolitho seinen Bootsmantel fallen ließ.»Wie ich höre, bist du sogar geadelt worden. Für mich bleibst du aber der junge Dick!»

Bolitho hatte Zenorias Bewegungen nebenan gehört. Ihr stand kaum mehr als ein Kabinett zur Verfügung, aber dort war sie sicher.

Der Kapitän hatte ihn neugierig gemustert.»Hätte mir doch denken sollen, daß du was im Schilde führst, Admiral hin oder her. Aber keine Sorge, Dick. Meine Mannschaft ist zwar ein rauher Verein, aber auf so kurzen Überfahrten nehme ich oft meine Enkel mit. Und die Männer hüten sich vor denen!«Er hatte grimmig die Faust geschüttelt.»Wenn ich einen dabei erwische, daß er sie belästigt, kriegt er Streifen aufs Hemd!»

Eine Bewegung der Brigg ließ Tregidgo zur Decke blinzeln.»Der Wind steht günstig. Aber nicht für dich, was, Dick?«Dann hatte er den Kopf abgewandt, um sich sein Mitleid nicht anmerken zu lassen.»Aber der Herr wird's schon richten.»

Zenoria hatte verlegen mit dem Rock der Fähnrichsuniform und der Seitenwaffe in der Hand die Kajüte betreten.

«Behalten Sie wenigstens die Schuhe. «Bolitho ergriff ihre Hände.»Mr. Hickling wird sie nicht vermissen. Denken Sie daran, Sie müssen ein Junge bleiben, bis Sie nach Fal-mouth kommen.»

Sie beobachtete ihn mit jenem verschleierten Blick, der ihm als erstes an ihr aufgefallen war. Er wirkte wie eine unausgesprochene Frage. Noch immer wußte er nicht genau, wie er sie beantworten sollte.

«Ich schicke Sie zu meiner Schwester Nancy. Sie wird wissen, was zu tun ist. Ihr Mann ist der Gutsherr und Amtsrichter.»

«Aber, Sir, er wird mich.»

«Nein. Ich habe zwar nicht besonders viel für ihn übrig, aber in diesem Fall wird er mich nicht im Stich lassen.»

Er legte ihr seinen Mantel um und wandte sich zur Tür.

«Danke. Ich werde Sie nie vergessen, Sir Richard.»

Er sah Tränen in ihren Augen. Trotz ihres kurzgeschorenen Haares und des zerknitterten Hemdes schien sie ihm schöner als je.»Ich Sie auch nicht, tapfere Zenoria.»

An Deck hatte ihn der verwirrte Hickling erwartet. In Begleitung eines Kameraden war Hickling an Bord gekommen, doch allein würde er das Schiff wieder verlassen. Bo-litho hatte ihm Rock und Seitenwaffe gereicht. Hickling drohte keine Gefahr, was auch geschehen mochte. Niemand konnte einem schlichten Midshipman blinden Gehorsam gegenüber seinem Vizeadmiral vorwerfen.

Am Schanzkleid sagte der alte Tregidgo:»Wie ich höre, dient einer der jungen Stayts unter dir, Dick.»

Bolitho lächelte.»Ja. «In Cornwall blieb nichts lange geheim. Nur die Steuereinnehmer fanden sich vom Nachrichtenstrom abgeschnitten.

In der Dunkelheit hatte Tregidgo zum Skylight gewiesen.

«Na, dann ist sie bei mir auf jeden Fall besser dran.»

«Wieso?»

«Tja, ihr Vater war doch in den Aufstand bei Zennor verwickelt, bei dem ein Mann umkam. Stayt war der Amtsrichter und hat ihren Vater aufhängen lassen. Komisch, daß sein Sohn nichts davon erwähnt hat.»

Darüber hatte Bolitho nachgedacht, als er ins Boot gestiegen war und Allday befohlen hatte, zunächst den Kai anzusteuern. Keen würde ihn sofort nach seiner Rückkehr sprechen wollen, und er brauchte Zeit zum Überlegen.

Wachtposten hatten ihm den Zugang zur Werft versperrt, bis er den Mantel abwarf und sie seine Epauletten erkannten. Allday hatte besorgt auf jeden seiner Schritte geachtet, nur für den Fall, daß er das Gleichgewicht verlor und fiel.

Bei dem Dock, in dem Supreme lag, brannten einige Laternen, in deren schwachem Schein sie fast wie früher aussah.

«Gehen Sie an Bord?«fragte Allday.

«Nein. «Ob er es wegen seines Zustands oder der bösen Erinnerungen halber unterließ, konnte er nicht sagen. Doch er schritt weiter über das holprige Pflaster, bis er das Heck sehen konnte und die Stelle, wo die Kugel eingeschlagen und ihn niedergerissen hatte.

Nun, da er in der Sonne am Fenster stand, schien die Supreme Teil eines nächtlichen Albtraumes zu sein, schrek-kenerregend, aber nicht mehr von Belang. Wieder fiel ihm ein, was Tregidgo über Stayt gesagt hatte. Auf dem Weg zum Oberbefehlshaber war Bolitho mehrere Male versucht gewesen, Stayt direkt darauf anzusprechen. Seinem Flaggleutnant mußte klar sein, daß das Mädchen nicht mehr an Bord war, obwohl Bolitho ihn während der fraglichen Zeit mit der Barkasse an Land geschickt hatte, um seinen guten Ruf zu schützen und zu verhindern, daß er in die Affäre mit hineingezogen wurde. Oder war es schon zu spät? War der Argwohn bereits gesät?

Zwei Lakaien rissen die hohe Doppeltür auf, und Bolitho wandte sich dem Mann zu, der die Öffnung fast ausfüllte: Sir Marcus Laforey, Admiral der Blauen Flotte, war von einer Leibesfülle, die selbst seine makellose Uniform nicht verbergen konnte. Er hatte geschwollene Augenlider und einen breiten Mund, und als er sich mit Mühe zu einem Sessel begab, stellte Bolitho fest, daß eines seiner Beine verbunden war: Gicht, die Plage mancher Admirale.

Admiral Laforey ließ sich behutsam in den Sessel sinken und verzog schmerzlich das Gesicht, als ihm ein Lakai sachte ein Kissen unter den Fuß schob. Im Sitzen sieht er aus wie eine übellaunige alte Kröte, dachte Bolitho.

Der Admiral wedelte mit seinem Taschentuch.»Nehmen Sie Platz, Bolitho. «Seine schweren Lider hoben sich, als er ihn kurz abschätzte.»Unangenehme Sache, was?»

Bolitho setzte sich und gewann den Eindruck, daß sein Sessel bewußt in einiger Distanz aufgestellt worden war.

Laforey hatte einen Landposten nach dem anderen bekommen und seit der Vorkriegszeit kein Schiff mehr kommandiert. Er sah verbraucht und obszön aus, und Malta war vermutlich sein letzter Posten. Den nächsten würde er im Himmel antreten.

«Habe Ihren Bericht gelesen, Bolitho. Prächtig, Ihre Versenkung des französischen Zweideckers. Wird Jobert zu denken geben, was?»

Bolitho packte den Griff seines Degens fester. Da sein Sessel zum Fenster gekehrt stand, konnte er sein Gegenüber nur undeutlich sehen. Er starrte über die fette Schulter des Admirals hinweg und sagte:»Ich glaube, daß die Franzosen bald auslaufen werden, Sir. Jobert plant wahrscheinlich ein Ablenkungsmanöver, damit sich die Hauptflotte aus Toulon wegstehlen kann. Das Ziel wäre dann Ägypten oder die Meerenge von Gibraltar.»

Laforey grunzte.»Reden Sie mir bloß nicht von Gibraltar! Wegen dieses verdammten Fiebers darf nichts und niemand dort an Land. Der Felsen ist wie ein gestrandetes Schiff, dauernd geht bei den Einwohnern oder beim Militär irgendeine Seuche um. «Er fuhr sich mit dem Taschentuch über die Stirn.»Und guter Wein wird knapp. Hier gibt's kaum noch was anderes als den spanischen Dreck, verdammt!»