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Er hob die Stimme.»Ich will Sie nicht länger vom Dienst abhalten, denn es gibt viel zu tun. Die Trinkwasserboote werden gleich längsseits kommen, denn ich beabsichtige, diesen günstigen Wind zu nutzen und heute nachmittag Segel zu setzen. «Er sah die beiden Leutnants rasche Blicke tauschen und fuhr in härterem Ton fort:»Meine Segelorder besagt, daß ich mich mit diesem Schiff unverzüglich dem Geschwader Lord Hoods vor Toulon anzuschließen habe. Sobald wir dort sind, werden wir uns die größte Mühe geben, den Feind in seinen Häfen festzuhalten. Und wenn irgend möglich, werden wir ihn zu stellen und zu vernichten suchen.»

Ein leises Murmeln ging durch die dichtgedrängten Reihen, und Bolitho erriet, daß viele hoffnungsvolle Seelen bis zum letzten Moment, auch noch als das Schiff von der Brest-Blockade abgezogen und nach Gibraltar beordert worden war, geglaubt hatten, die Hyperion würde nach Hause segeln. Seine Worte, seine neue Bestallung hatten diese Hoffnung zerschlagen. Jetzt, mit dem ersten Stück windgefüllter Leinwand, würde jede Meile, die der algenbewachsene Kiel verschlang, sie noch weiter von England weg führen. Und für manchen wurde es bestimmt eine Reise ohne Wiederkehr.

Etwas ruhiger sprach er weiter:»England liegt im Kriege mit einem Tyrannen. Wir brauchen jedes Schiff und jeden loyalen Mann, um ihn zu stürzen. Jeder gebe sein Bestes. Ich für mein Teil will das ebenfalls tun.»

Mit einem kurzen Nicken drehte er sich auf dem Absatz um.»Machen Sie weiter, Mr. Quarme. Teilen Sie Leute zur Wasserübernahme ein, und sorgen Sie dafür, daß der Zahlmeister reichlich frisches Obst an Bord nimmt. «Er blickte über die nebeldurchzogene Bai nach Algeciras hinüber.»Da wir ja neuerdings mit Spanien verbündet sind, sollte das nicht allzu schwer fallen.»

Der Erste Offizier faßte an den Hut. Dann rief er aus:»Drei Hurras für König George!»

Langsam schritt Bolitho nach achtern. Er fühlte sich ausgelaugt und eisig kalt. Die Hurras waren zwar rasch genug gekommen, aber sie klangen mehr wie eine Pflichtübung, ohne echtes Gefühl.

Er stieg die Stufen hinauf und schritt über das geräumige Achterdeck. Als er unter der Kampanje den Kopf einzog, sagte Allday gemächlich grinsend:»Ist nicht nötig, daß Sie sich bücken, Captain. Hier haben Sie reichlich Platz.»

Richard Bolitho schob die Papiere auf seinem Tisch etwas beiseite und lehnte sich zurück, um die Augen auszuruhen. Er blickte auf seine Taschenuhr und merkte überrascht, daß er fast sechs Stunden lang pausenlos über den Schiffsbüchern und Berichten gebrütet hatte, wobei sich sein geschäftiger Geist die ganze Zeit der Geräusche draußen und oben an Deck bewußt gewesen war. Mehr als einmal war er versucht gewesen, seine konzentrierte Arbeit zu unterbrechen und in die Sonne hinauszugehen, sei es auch nur, um sich zu überzeugen, daß der Bordbetrieb normal ablief; aber jedesmal hatte er sich dazu gezwungen, sitzenzubleiben und mit dem Studium der Schiffsangelegenheiten fortzufahren.

Zeit und Erfahrung würden ihm zeigen, wo die wirklichen Stärken und Schwächen seines neuen Schiffes lagen; schon in diesen paar Arbeitsstunden in seinem Quartier hatte er sich im Geiste ein brauchbares Bild gemacht. Nach allem, was er gelesen und überprüft hatte, schien die Hyperion unter dem verstorbenen Kommandanten Turner das normalste Schiff gewesen zu sein, das man sich nur vorstellen konnte. Das Strafbuch, das sich Bolitho zuerst angesehen hatte — seiner Erfahrung nach der sicherste Maßstab für einen Kapitän und seine Schiffsführung —, wies die übliche Liste kleiner Vergehen auf; Auspeitschungen und Degradierungen gab es nicht mehr, als normalerweise zu erwarten waren. Während der Stationierung in Westindien hatte es mehrere Todesfälle durch Fieber und Unfälle gegeben (meist auf Unvorsichtigkeit zurückzuführen). Auch die Logbücher wiesen nichts Besonderes auf.

Stirnrunzelnd lehnte sich Bolitho noch weiter im Stuhl zurück. Das war alles so normal, sogar langweilig für ein Schiff mit der kriegerischen Vergangenheit der Hyperion, daß es den Eindruck einer gewissen Lässigkeit machte.

Wieder sah er sich in seinem neuen Quartier um, als wolle er sich ein schwaches Abbild des früheren Bewohners verschaffen. Es war, fand er, eine geräumige, sogar elegante Kajüte und im Vergleich zu der kargen Enge an Bord einer Fregatte der reine Palast. Der Salon, in dem er saß, nahm die ganze Breite des Hecks ein und maß über dreißig Fuß von einer Wand zur anderen; die hohen Heckfenster, unter denen der geschnitzte Schreibtisch stand, schimmerten im Abendlicht und umrahmten das farbenprächtige Panorama des weiträumigen Hafens mit seinen vielen vor Anker liegenden Schiffen.

Es gab noch einen ebenso großen Speiseraum, und an den beiden Schmalseiten je einen kleineren abgetrennten Verschlag: das Schlafkabinett und die Kartenkammer.

In plötzlichem Impuls stand Bolitho auf und ging zu dem Eßtisch aus Mahagoni hinüber. Er hatte sechs Ausziehplatten; Turner schien gern Gäste bei sich gesehen und sie großzügig bewirtet zu haben. Alle Stühle, auch die lange Sitzbank unter den Heckfenstern, waren mit feinem grünem Leder bezogen; und über dem üblichen Bodenbelag aus schwarz-weiß-gewürfelter Leinwand lag ein üppiger Teppich — mit dem Geld, das er gekostet hatte, konnte man mehrere Monate lang die Heuer einer Fregattenbesatzung bestreiten, schätzte Bolitho.

Er suchte sich einzureden, seine innere Spannung, die nicht weichen wollte, beruhe eher auf mangelndem Selbstvertrauen als auf realen Ursachen.

Er starrte sein Bild im Kajütspiegel an, sah die Falten auf der Stirn, die Schweißflecken auf dem Hemd. Automatisch strich er die schwarze Strähne aus der Stirn; dabei rührten seine Finger an die tiefe Narbe, die von der Braue schräg nach oben bis zum Haaransatz verlief. Ein seltsamer Gedanke, daß die Hyperion damals in nur wenigen Meilen Entfernung vorbeigesegelt war, als jenes Entermesser ihn niederstreckte und für den Rest seines Lebens zeichnete.

Ein nervöses Klopfen an der Tür, und ehe Bolitho antworten konnte, ging sie auf, und ein schmalschultriger Mann in einfachem blauem Rock kam mit einem Silbertablett herein.

Bolitho blickte ihm unwillig entgegen.»Was ist?«Der Mann schluckte mühsam.»Mein Name ist Gimlett, Sir. Ich bin Ihr Kajütsteward, Sir. «Er hatte eine piepsige Stimme, und bei jeder Silbe bleckte er große vorstehende Zähne wie ein verängstigtes Kaninchen.

Bolitho bemerkte, wie die Augen des Mannes zu einem Seitentischchen glitten, auf dem er sein zweites Frühstück angerichtet hatte. Es war noch unberührt. Bolitho hatte es, was der armselige Gimlett nicht wußte, überhaupt nicht bemerkt. Sein Ärger über die Störung legte sich etwas. Die Angst auf dem Gesicht des Mannes war durchaus echt. In der Flotte kursierte das Gerücht von einem jähzornigen Kapitän, der seinen Steward auspeitschen ließ, nur weil dieser einen Becher Kaffee verschüttet hatte.

Gimlett sagte:»Wenn das Frühstück nicht nach Ihrem Geschmack war, Sir, dann werde ich…»

«Ich hatte keinen Hunger. «Das stimmte zwar nicht, war jedoch ein brauchbarer Kompromiß.»Aber danke, Gimlett, daß Sie daran dachten. «Auf einmal interessierte ihn dieser Steward.»Haben Sie Captain Turner lange gedient?»

«Jawohl, Sir. «Gimlett trat nervös von einem Fuß auf den anderen.»Und er war ein guter Herr, Sir. Sehr rücksichtsvoll, wirklich.»

«Sie stammen wohl aus Devon?«fragte Bolitho mit flüchtigem Lächeln.

«Aye, Sir. Ich war Erster Pferdeknecht im >Goldenen Löwen< in Plymouth, habe aber bei Captain Turner angeheuert, um meinem Vaterland besser zu dienen. «Doch da fiel sein Blick auf den Stoß Papiere auf Bolithos Tisch, und er sprach hastig weiter:»Also — ich hatte ein bißchen Ärger mit einem Zimmermädchen, Sir. Da war's schon besser so.»

Bolithos Lächeln wurde breiter. Anscheinend fürchtete Gimlett, sein früherer Herr könnte irgendwo den wahren Grund seines An-heuerns schriftlich niedergelegt haben.»So waren Sie also mit Captain Turner nur in Westindien? Und nicht mit ihm an Land, bei ihm zu Hause?«Diese letzte Frage stellte er, weil Gimlett ihn so verständnislos ansah.