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Bolitho ging neben ihm zu der breiten Achterdecksleiter und fragte:»Wann sind Sie eingetroffen?»

«Heute vormittag«, grinste Dash.»Seitdem ist hier der Teufel los. «Er zeigte mit seinem verarbeiteten Daumen auf den Transporter.»Das ist die Weiland, ein ehemaliger Indienfahrer. Hat fünfhundert Mann vom 91. Infanterieregiment gebracht, und außerdem die Hälfte der großschnäuzigsten Sergeanten von ganz England — so hört sich's wenigstens an. «Dann wurde er unvermittelt ernst.

«Ich war in Gibraltar, als die Schaluppe von Lord Hood mit meiner neuen Segelorder kam. «Er zuckte die Schultern.»Deshalb führt mein Schiff jetzt eine Konteradmiralsflagge, und ich muß mich anständig benehmen.«»Wie ist er denn?»

«Schwer zu sagen. Seit er an Bord ist, muß ich springen wie'n Hündchen; aber meist bleibt er in seiner Kajüte. Er wartet jetzt auf Sie.»

Bolitho lächelte.»Ich habe noch gar nicht nach seinem Namen gefragt.»

Dash zog sich die Leiter hinauf.»Er ist erst vor kurzem Flaggoffizier geworden. «Und mit einem Blick zum Großmast:»Sie stehen jetzt unter Flagge von Sir Edmund Pomfret, Ritter des BathOrdens, Konteradmiral der Überseeflotte. «Er brach ab und sah Bolitho unsicher an.»Sie kennen ihn doch?»

Bolitho blickte zur Seite, denn der Kopf schwirrte ihm. Also Edmund Pomfret. Das konnte nicht wahr sein! Er versuchte, sich an sein erstes Zusammentreffen mit Pomfret zu erinnern. Das war im Gasthaus» König George «in Portsmouth gewesen. Er war in diese Stadt gerufen worden, um seine Bestallung als neuer Kommandant der Fregatte Phalarope entgegenzunehmen, vor nun fast zwölf Jahren. Auf dem Weg zu seinem neuen Schiff war er an einem anderen Kapitän vorbeigekommen, der darauf wartete, den ganzen Zorn des Admirals über sich ergehen zu lassen. Dieser war gerade als Kommandant der Phalarope abgelöst worden, und zwar wegen sinnloser Grausamkeit und totaler Gleichgültigkeit für das Wohlergehen, ja sogar für Leben und Tod seiner Mannschaft. Und dieser Mann, der den Keim der Meuterei auf der Phalarope gelegt hatte, war Edmund Pomfret gewesen!

Dash verhielt einen Moment vor der Tür der großen Kajüte. Zwei Marine-Infanteristen starrten ohne Lidschlag unter ihren schwarzen Tschakos hervor.»Fühlen Sie sich wohl, Bolitho? Ich höre, Sie hatten das Fieber, und.»

Bolitho tätschelte ihm beruhigend den Arm.

Er klopfte an die Tür und hörte eine scharfe Stimme:»Herein!»

Pomfret saß an einem mächtigen Tisch und unterschrieb ein Schriftstück, das ihm sein Flaggleutnant vorlegte. Ohne aufzusehen, winkte er Bolitho zu einem Stuhl.»Nehmen Sie Platz, Captain. Ich muß das hier noch durchlesen.»

Pomfret hatte sich ziemlich verändert; überraschenderweise sah er in der schweren, goldbestickten Admiralsuniform jünger aus, als es seinen vierzig Jahren entsprach; nur unter der glänzenden Seidenweste machte sich deutlich ein Bauch bemerkbar, und seine Stirn furchten tiefe Falten, die sich anscheinend nie glätteten. Aber der kleine, verdrießliche Mund war wie früher, auch die blassen, vorstehenden Augen, die nun über das Papier huschten. Er hatte volles, rötliches Haar, und seine Haut schien von der Art zu sein, die keine Sonne verträgt; sie war fleckig vor Hitze, trotz der schattig-kühlen Kajüte.

Jetzt sah Pomfret auf und schwenkte die Hand.»Weitermachen, Fanshawe. Aber seien Sie wenigstens nächstes Mal etwas fixer!«Der Leutnant verschwand eiligst, und Pomfret richtete jetzt zum erstenmal den Blick voll auf Bolitho.

«Ein Narr, dieser Mann!«Seine Stimme war ruhig, aber scharf; er schien sich zu ärgern.»Na, Bolitho — was haben Sie für sich selbst zu sagen?»

Bolitho griff nach seinem versiegelten Bericht.»Ich komme soeben von St. Clar, Sir.»

Pomfret trommelte mit den Fingern einer Hand auf die Tischplatte. Anscheinend hielt er sich absichtlich zurück.»Ihr Hauptmann hat mir das alles schon erzählt. Was ich wissen will: was, zum Teufel, haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, überhaupt nach St. Clar zu segeln?»

«Ich mußte Wasser für mein Schiff beschaffen, Sir. Von der Flotte kam kein Nachschub, überhaupt keine Nachricht. Ich mußte selbst einen Entschluß fassen.»

Pomfret schob die Unterlippe vor.»Außerdem haben Sie, glaube ich, mit dem Feind unterhandelt?»

«Jawohl, Sir. Einer der Gefangenen — «Mit seidenweicher Stimme unterbrach ihn Pomfret:»Der ehemaligen Gefangenen, meinen

Sie?»

«Er gab mir Grund zu der Hoffnung, daß St. Clar uns in Zukunft recht nützlich sein könnte, Sir. «Bolitho konnte sich atmen hören; in seinem Innern brannten Ärger und Unmut wie Feuer.

«Ich halte nicht viel von Siegen durch Nachgiebigkeit, Bolitho.

Die Franzosen sind und bleiben unsere Feinde. In Zukunft werden Sie ausschließlich Befehle ausführen, sonst nichts. Wir verhandeln nicht, sondern handeln, und das mit Nachdruck. «Er kräuselte verächtlich die Lippen.»Brüderlichkeit interessiert uns hier nicht.»

Gleichmütig sprach Bolitho weiter:»Ich habe den Tod meines Ersten Offiziers zu melden, Sir. Es steht alles im Bericht.»

Pomfret sah gar nicht nach dem Kuvert hin, sondern erwiderte kalt:»Sie scheinen große Anziehungskraft für Tod und Verderben zu besitzen, Bolitho. Ihr Erster Offizier, vorher das spanische Flaggschiff mit Admiral Anduaga, und natürlich Ihr eigener Kommandant, Sir William Moresby.»

Bolitho wurde rot vor Empörung.»Das ist unfair, Sir! Gerade bei Sir William habe ich mich befehlsgemäß verhalten!»

Pomfret winkte scheinbar freundschaftlich ab.»Sachte, Bolitho! Sie müssen lernen, sich zu beherrschen.»

Bolitho entspannte sich etwas. Jetzt wußte er, was ihm bevorstand. Ihm fiel ein, was er zu Quarme gesagt hatte:»Die Menschen ändern sich nicht. «Gelassen erwiderte er:»Bei der Einnahme von Cozar waren unsere Verluste sehr gering, Sir.»

«So hörte ich. «Pomfret lehnte sich zurück.»Nun — in Zukunft wird manches anders werden, denn Sie stehen jetzt unter meinem Kommando. Und dafür können Sie nur sich selbst die Schuld geben, denn Sir William ist schließlich auf Ihrem Schiff ums Leben gekommen. Ich bin lediglich in seine Schuhe getreten, Bolitho, genau wie Sie in die Captain Turners. «Ein flüchtiges Lächeln.»So, das wäre also das. Ich war unterwegs nach Neu-Holland und der Botany Bay,[6] als mich in Gibraltar die neuen Befehle erreichten. Ich sollte Gouverneur werden und aus diesem widerlichen Haufen von Sträflingen und Idioten, die dort für uns eine neue Kolonie gründen, etwas halbwegs Vernünftiges machen. «Seine Wangen röteten sich vor unterdrückter Wut.»Nun möge Gott ihnen helfen!»

Langsam sagte Bolitho:»Hätte ich gewußt, daß Sie kommen, Sir, dann hätte ich auf Cozar gewartet. Aber das Trinkwasser…»

Pomfret nickte finster.»Ah ja, das Trinkwasser! Sie sind immer noch derselbe, scheint mir. Zu weich!«Er nickte nochmals.»Oh, ich habe nichts vergessen, Bolitho, nur keine Angst!»

«Besten Dank, Sir.»

Pomfret sprang beinahe auf.»Seien Sie nicht so impertinent!«Wie erschöpft von der Hitze, sank er wieder in den Stuhl und fuhr etwas ruhiger fort:»Die Menschen respektieren Schwäche nicht, das sollten Sie inzwischen gelernt haben.»

Bolitho standen plötzlich die unglücklichen Sträflinge in der Bo-tany Bay vor Augen. Hunderte waren wegen aller möglichen Vergehen dorthin deportiert worden. Da die amerikanischen Kolonien nicht mehr zur Verfügung standen, hatte sich England entschlossen, seine unerwünschten Verbrecher auf die andere Seite der Welt zu schicken; dort mochten jene wenigen, die Not und unbekannte Krankheiten überlebten, für ihr Vaterland, das sie verstoßen hatte, neue Gebiete erschließen. Ob sie jemals erfahren würden, dachte er, was sie für ein Glück gehabt hatten, daß ihnen wenigstens Pomfret erspart geblieben war?

Wie im Selbstgespräch redete Pomfret weiter:»Ich habe es satt, bei solchem Geschmeiß von Ehre und Loyalität zu hören. Die lügen, betrügen und saufen doch nur und kümmern sich einen Dreck um anständige Seeoffiziere wie Sie und mich.»

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6

südlich von Sydney, heutiges New South Wales.