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Aber sie schüttelte den Kopf und preßte ihr Gesicht in seine

Hand.

Allday wartete am Fuß der Treppe.»Sie kann es nicht fassen, Captain. «Er winkte einen Marinesoldaten herbei.»Bring sie in Sicherheit, aber rühr' sie nicht an.»

Bolitho stand in der grellen Sonne, die Augen schmerzten ihn in dem Glast. Flüchtig fiel ihm auf, daß Allday ein blankes Entermesser in der Hand hielt. Er mußte es aus der Scheide gezogen haben, als das Mädchen sich aus dem Schatten auf ihn warf. Um ihn zu verteidigen. Bedrückt fragte er:»Und wer wird für sie sorgen?«»Ich weiß nicht, Captain. «Er fiel in Gleichschritt mit Bolitho.»Es sollte für jeden Menschen einen Platz geben. «Er blickte zur Seite, seine Stimme klang plötzlich belegt.»Diese verdammte Welt ist doch wirklich groß genug.«Ärgerlich schob er sein Entermesser in die Scheide.»Ich bitte um Entschuldigung, Captain. Ich habe mich vergessen.»

Bolitho sagte nichts. Anders wollte ich es gar nicht haben, dachte er.

Dann griff er nach seiner Uhr, zog sie heraus und fand, daß er es ohne Hemmung tun konnte. Ihre Kraft war noch bei ihm.

«Kommen Sie«, sagte er.»Wir wollen uns den Zustand der

Verteidigungsanlagen selbst ansehen.»

Allday grinste erleichtert und war seltsam bewegt.»Aye,

Captain.»

Sie gingen auf das Tor zu. Der dort postierte Marinesoldat salutierte zackig.

«Ach du lieber Himmel!«entfuhr es Prideaux unwillkürlich.»Man könnte meinen, wir wären hier in Plymouth, Mr. Swift. Was sagen Sie dazu?»

Der junge Mann nickte. Ihm war bewußt, daß er etwas Eindrucksvolles sah, wenn er es auch nicht benennen konnte.

Prideaux starrte ihn fassungslos an.»Sie etwa auch? Gehen Sie an Ihre Arbeit, oder — ob diensttuender Leutnant oder Midshipman —, ich mache Ihnen Beine!«Den Rest des Tages und während des ganzen folgenden fuhren geschäftig Boote zwischen der Tempest und dem Ufer hin und her. Bolitho schien überall zu sein, hörte sich Ideen an, die zuerst nur zögernd kamen, dann wuchsen und bei der geringsten Ermutigung immer abenteuerlicher wurden.

Allday blieb die ganze Zeit an seiner Seite, wachte und sorgte sich, sah, wie Anspannung und Entschlossenheit von seinem Kapitän Besitz ergriffen. Es war ihm gleichgültig, daß selbst die beschämten Angehörigen des Corps ihren Dienst wieder aufnahmen und Prideauxs Befehlen widerspruchslos gehorchten. Es tröstete ihn auch nicht, daß selbst die faulsten und unzuverlässigsten Matrosen jede Wache ohne Pause durcharbeiteten und kaum darüber murrten. Er wußte besser als die meisten, daß ohne Bolitho kaum einer ihrer Pläne mehr wert gewesen wäre als eine nasse Zündschnur.

Während Bolitho auf dem Abhang stand und beobachtete, wie Matrosen dürres Gras und verdorrte Palmwedel sammelten und bündelten, wartete Allday ab. Er sah, daß sein Kommandant mit jeder neuen Aufgabe, die sich stellte, zufriedener wurde. Es war, als ob er jemandem gefallen wollte, den niemand sehen konnte. Und Allday wußte sehr gut, wer das war.

Unmittelbar, ehe die Dunkelheit Schatten über die Bucht legte, meldeten die Ausgucks ein Segel im Osten. Bolitho kehrte auf sein Schiff zurück, merkwürdig ruhig und ohne jede Müdigkeit.

Die Zeit war abgelaufen, und darüber war er froh. Auf die eine oder andere Weise würde es jetzt hier enden.

XVII Ein eigensinniger Mann

Herrick zögerte unter der Tür und beobachtete Bolitho ein paar Sekunden lang. Er mußte an seinem Schreibtisch eingeschlafen sein. Er hatte das Gesicht auf die Arme gelegt, und sein Schatten schwankte hin und her, als ob er und nicht das Schiff sich bewege.»Es ist Zeit, Sir.»

Herrick legte die Hand auf Bolithos Schulter. Durch das Hemd fühlte sich die Haut heiß an. Brennend. Es widerstrebte ihm, Bolitho zu stören, aber an diesem Morgen konnte es nicht einmal Herrick wagen, sein Mißfallen herauszufordern.

Bolitho blickte langsam auf und rieb sich die Augen.

«Danke. «Er sah sich in der Kajüte um und wandte sich dann den Fenstern zu. Auch sie waren schwarz und zeigten nur das Spiegelbild der Kajüte.

«In einer halben Stunde beginnt die Dämmerung, Sir. Ich habe die Besatzung frühstücken geschickt, wie Sie befahlen. Eine warme Mahlzeit und einen guten Schluck, um sie hinunterzuspülen. Der Koch wird das Feuer in der Kombüse löschen, sobald ich den Befehl gebe. «Er unterbrach sich, ungehalten über die Störung, als Allday mit einem Topf dampfendem Kaffee in die Kajüte kam. Bolitho reckte sich und wartete, bis der Kaffee ihm den Magen wärmte. Stark und bitter. Er stellte sich seine Leute vor, die ihre Sonderration an gepökeltem Schweine- oder Rindfleisch aßen und über den unerwartet ausgegebenen Rum ihre Scherze machten. Und er hatte wie ein Toter geschlafen und nichts davon gehört, als das Schiff zu einem neuen Tag erwachte. Für manche, wenn nicht für alle, konnte es gut ihr letzter sein.»Soll ich Hugoe holen, Captain?»

Allday schenkte Kaffee nach. Er war schon lange aus seiner Hängematte heraus und nach unten zur Kombüse gegangen, um heißes Rasierwasser für Bolitho zu holen, zeigte aber kaum Anzeichen von Müdigkeit.

«Nein. «Bolitho rieb sich kräftig die Arme. Ihm war kalt, aber sein Verstand war so kristallklar, als ob er die ganze Nacht über in seinem Bett in Falmouth geschlafen hätte.»Er wird sicher dringend in der Offiziersmesse gebraucht. «Allday zeigte die Zähne. Er wußte, daß das keineswegs der Grund war.»Gut, gut. Ich hole also Frühstück für Sie. «Bolitho stand auf und ging zu den Fenstern.»Ich könnte nichts essen. Heute nicht.»

«Sie müssen, Sir. «Herrick winkte Allday, der die Kajüte verließ.»Es kann eine Weile dauern, bis Sie wieder die Möglichkeit dazu bekommen.«»Das ist wahr.»

Bolitho sah zum Wasser hinunter. Doch da war nur ein ganz schwacher Schimmer, der die Richtung der Strömung anzeigte. Und wieder überraschte ihn, mit welcher Schnelligkeit die Dämmerung heraufzog. Viele im Schiff mochten wünschen, daß sie nie käme. Er begann ruhig:»Wenn wir heute versagen, Thomas…«Er brach ab, unsicher, wie er fortfahren sollte. Er wollte nicht, daß Herrick sich mit der Möglichkeit einer Niederlage abfand, aber er mußte ihn wissen lassen, wieviel seine Freundschaft ihm bedeutete, wie sehr sie ihn stützte. Herrick protestierte:»Lieber Himmel, Sir, so sollten Sie nicht reden.»

Bolitho wandte sich ihm zu.»In der Kassette befindet sich ein Brief für Sie. «Er hob die Hand.»Wenn ich falle, sollen Sie wissen, daß ich einige Vorsorge für Sie getroffen habe. «Herrick trat auf ihn zu und rief aus:»Ich will nichts davon hören, Sir! Ich — ich will nichts haben!«Bolitho lächelte.»Sei's drum. «Er ging in der Kajüte auf und ab.»Ich wollte, es wäre den ganzen Tag über so kalt wie jetzt. Eine Seeschlacht ist auch ohne die sengende Sonne heiß genug.»

Herrick senkte den Blick. Bolitho zitterte stark. Mangel an Schlaf, völlige Erschöpfung nach der Fahrt im offenen Boot, das alles fing an, sich zu zeigen. Er sagte:»Ich gehe jetzt,

Sir.»

«Ja. Wir gehen auf Gefechtsstation, sobald die Leute gegessen haben.»

Herrick schien zufrieden zu sein, und Bolitho wartete, bis er gegangen war. Dann setzte er sich und ging noch einmal seine Pläne durch, suchte nach Mängeln oder Möglichkeiten zur Verbesserung.

Er schenkte sich noch einen Becher Kaffee ein, hielt sich sein Schiff vor Augen, das noch im Dunkeln lag. Zwei Wachboote umkreisten es ständig, und an Land hatte Prideaux Streifen eingesetzt, die am Strand entlang und auf der Halbinsel patrouillierten. Sie mußten zurückgezogen werden, sobald es hell war. Die Tempest war so schwach bemannt, während der Feind… Ihn schauderte, und er trank den Rest seines Kaffees. Feind… Wie leicht kam dieses Wort. Er erinnerte sich der französischen Matrosen, die er bei seinem Besuch auf der Narval gesehen hatte. Bei dieser grausamen Behandlung hätten sie vermutlich ohnehin gemeutert, sich gegen de Barras und seinen Sadismus erhoben. Der Aufstand in Frankreich bot ihnen für ihre Rache einen noch weiteren Spielraum. Eine Schlacht mußte ihnen als ein kleiner Preis für ihre Erlösung erscheinen. Bolitho versuchte, sich ein Bild von Tuke zu machen, aber die Erinnerung an das Brandmal auf Violas Schulter zwang ihn, Tuke aus seinen Gedanken zu verdrängen. Statt dessen dachte er an Viola, klammerte sich an jedes Detail, fürchtete, etwas könne in seiner Erinnerung verlorengehen. Allday brachte ihm sein Frühstück, sagte aber nichts, als Bolitho es achtlos beiseite schob. Schweigend rasierte er ihn und holte ein frisches Hemd aus der Truhe, wie er es so oft von Noddall gesehen hatte.