Denn das mußt' ich erwarten, die stillen Wünsche verbergend,

Daß er sich brächte zunächst die Braut zum Hause geführet;

Und wie hätt' ich alsdann die heimlichen Schmerzen ertragen?

Glücklich bin ich gewarnt, und glücklich löst das Geheimnis

Von dem Busen sich los, jetzt, da noch das Übel ist heilbar.

Aber das sei nun gesagt! Und nun soll im Hause mich länger

Hier nichts halten, wo ich beschämt und ängstlich nur stehe,

Frei die Neigung bekennend und jene törichte Hoffnung.

Nicht die Nacht, die breit sich bedeckt mit sinkenden Wolken,

Nicht der rollende Donner (ich hör ihn) soll mich verhindern,

Nicht des Regens Guß, der draußen gewaltsam herabschlägt,

Noch der sausende Sturm. Das hab ich alles ertragen

Auf der traurigen Flucht und nah am verfolgenden Feinde.

Und ich gehe nun wieder hinaus, wie ich lange gewohnt bin,

Von dem Strudel der Zeit ergriffen, von allem zu scheiden.

Lebet wohl! ich bleibe nicht länger; es ist nun geschehen.»

Also sprach sie, sich rasch zurück nach der Türe bewegend,

Unter dem Arm das Bündelchen noch, das sie brachte, bewahrend.

Aber die Mutter ergriff mit beiden Armen das Mädchen,

Um den Leib sie fassend, und rief verwundert und staunend:

«Sag, was bedeutet mir dies? und diese vergeblichen Tränen?

Nein, ich lasse dich nicht; du bist mir des Sohnes Verlobte.»

Aber der Vater stand mit Widerwillen dagegen,

Auf die Weinende schauend, und sprach die verdrießlichen Worte:

«Also das ist mir zuletzt für die höchste Nachsicht geworden,

Daß mir das Unangenehmste geschieht noch zum Schlusse des Tages!

Denn mir ist unleidlicher nichts, als Tränen der Weiber,

Leidenschaftlich Geschrei, das heftig verworren beginnet,

Was mit ein wenig Vernunft sich ließe gemächlicher schlichten.

Mir ist lästig, noch länger dies wunderliche Beginnen

Anzuschauen. Vollendet es selbst! ich gehe zu Bette.»

Und er wandte sich schnell und eilte zur Kammer zu gehen,

Wo ihm das Ehbett stand und wo er zu ruhen gewohnt war.

Aber ihn hielt der Sohn und sagte die flehenden Worte:

«Vater, eilet nur nicht und zürnt nicht über das Mädchen!

Ich nur habe die Schuld von aller Verwirrung zu tragen,

Die unerwartet der Freund noch durch Verstellung vermehrt hat.

Redet, würdiger Herr! denn Euch vertraut' ich die Sache.

Häufet nicht Angst und Verdruß; vollendet lieber das Ganze!

Denn ich möchte so hoch Euch nicht in Zukunft verehren,

Wenn Ihr Schadenfreude nur übt statt herrlicher Weisheit.»

Lächelnd versetzte darauf der würdige Pfarrer und sagte:

«Welche Klugheit hätte denn wohl das schöne Bekenntnis

Dieser Guten entlockt und uns enthüllt ihr Gemüte?

Ist nicht die Sorge sogleich dir zur Wonn' und Freude geworden?

Rede darum nur selbst! was bedarf es fremder Erklärung?»

Nun trat Hermann hervor und sprach die freundlichen Worte:

«Laß dich die Tränen nicht reun, noch diese flüchtigen Schmerzen;

Denn sie vollenden mein Glück und, wie ich wünsche, das deine.

Nicht das treffliche Mädchen als Magd, die Fremde, zu dingen,

Kam ich zum Brunnen; ich kam, um deine Liebe zu werben.

Aber, ach! mein schüchterner Blick, er konnte die Neigung

Deines Herzens nicht sehn; nur Freundlichkeit sah er im Auge,

Als aus dem Spiegel du ihn des ruhigen Brunnens begrüßtest.

Dich ins Haus nur zu führen, es war schon die Hälfte des Glückes.

Aber nun vollendest du mir's! Oh, sei mir gesegnet!»

Und es schaute das Mädchen mit tiefer Rührung zum Jüngling

Und vermied nicht Umarmung und Kuß, den Gipfel der Freude,

Wenn sie den Liebenden sind die lang ersehnte Versichrung

Künftigen Glücks im Leben, das nun ein unendliches scheinet.

Und den übrigen hatte der Pfarrherr alles erkläret.

Aber das Mädchen kam, vor dem Vater sich herzlich mit Anmut

Neigend und so ihm die Hand, die zurückgezogene, küssend,

Sprach:»Ihr werdet gerecht der Überraschten verzeihen,

Erst die Tränen des Schmerzes und nun die Tränen der Freude.

Oh, vergebt mir jenes Gefühl! vergebt mir auch dieses

Und laßt nur mich ins Glück, das neu mir gegönnte, mich finden!

Ja, der erste Verdruß, an dem ich Verworrene schuld war,

Sei der letzte zugleich! Wozu die Magd sich verpflichtet,

Treu, zu liebendem Dienst, den soll die Tochter Euch leisten!»

Und der Vater umarmte sie gleich, die Tränen verbergend.

Traulich kam die Mutter herbei und küßte sie herzlich,

Schüttelte Hand in Hand; es schwiegen die weinenden Frauen.

Eilig faßte darauf der gute verständige Pfarrherr

Erst des Vaters Hand und zog ihm vom Finger den Trauring

(Nicht so leicht; er war vom rundlichen Gliede gehalten),

Nahm den Ring der Mutter darauf und verlobte die Kinder,

Sprach:»Noch einmal sei der goldenen Reifen Bestimmung,

Fest ein Band zu knüpfen, das völlig gleiche dem alten.

Dieser Jüngling ist tief von der Liebe zum Mädchen durchdrungen

Und das Mädchen gesteht, daß auch ihr der Jüngling erwünscht ist.

Also verlob' ich euch hier und segn' euch künftigen Zeiten,

Mit dem Willen der Eltern und mit dem Zeugnis des Freundes.»

Und es neigte sich gleich mit Segenswünschen der Nachbar.

Aber als der geistliche Herr den goldenen Reif nun

Steckt' an die Hand des Mädchens, erblickt' er den anderen staunend,

Den schon Hermann zuvor am Brunnen sorglich betrachtet.

Und er sagte darauf mit freundlich scherzenden Worten:

«Wie! du verlobest dich schon zum zweitenmal? Daß nicht der erste

Bräutigam bei dem Altar sich zeige mit hinderndem Einspruch!»

Aber sie sagte darauf.»Oh, laßt mich dieser Erinnrung

Einen Augenblick weihen! Denn wohl verdient sie der Gute,

Der mir ihn scheidend gab und nicht zur Heimat zurückkam.

Alles sah er voraus, als rasch die Liebe der Freiheit,

Als ihn die Lust, im neuen veränderten Wesen zu wirken,

Trieb nach Paris zu gehn, dahin, wo er Kerker und Tod fand.

›Lebe glücklich‹, sagt' er. ›Ich gehe; denn alles bewegt sich

Jetzt auf Erden einmal, es scheint sich alles zu trennen.

Grundgesetze lösen sich auf der festesten Staaten,

Und es löst der Besitz sich los vom alten Besitzer,

Freund sich los von Freund: so löst sich Liebe von Liebe.

Ich verlasse dich hier; und wo ich jemals dich wieder

Finde — wer weiß es? Vielleicht sind diese Gespräche die letzten.

Nur ein Fremdling, sagt man mit Recht, ist der Mensch hier auf Erden;

Mehr ein Fremdling als jemals ist nun ein jeder geworden.

Uns gehört der Boden nicht mehr; es wandern die Schätze;

Gold und Silber schmilzt aus den alten heiligen Formen;

Alles regt sich, als wollte die Welt, die gestaltete, rückwärts

Lösen in Chaos und Nacht sich auf, und neu sich gestalten.

Du bewahrst mir dein Herz; und finden dereinst wir uns wieder

Über den Trümmern der Welt, so sind wir erneute Geschöpfe,

Umgebildet und frei und unabhängig vom Schicksal.

Denn was fesselte den, der solche Tage durchlebt hat!

Aber soll es nicht sein, daß je wir, aus diesen Gefahren

Glücklich entronnen, uns einst mit Freuden wieder umfangen,

Oh, so erhalte mein schwebendes Bild vor deinen Gedanken,

Daß du mit gleichem Mute zu Glück und Unglück bereit seist!

Locket neue Wohnung dich an und neue Verbindung,

So genieße mit Dank, was dann dir das Schicksal bereitet!

Liebe die Liebenden rein und halte dem Guten dich dankbar.

Aber dann auch setze nur leicht den beweglichen Fuß auf;

Denn es lauert der doppelte Schmerz des neuen Verlustes.

Heilig sei dir der Tag; doch schätze das Leben nicht höher

Als ein anderes Gut, und alle Güter sind trüglich.‹

Also sprach er: und nie erschien der Edle mir wieder.

Alles verlor ich indes, und tausendmal dacht' ich der Warnung.

Nun auch denk ich des Worts, da schön mir die Liebe das Glück hier

Neu bereitet und mir die herrlichsten Hoffnungen aufschließt.

Oh, verzeih, mein trefflicher Freund, daß ich, selbst an dem Arm dich

Haltend, bebe! So scheint dem endlich gelandeten Schiffer

Auch der sicherste Grund des festesten Bodens zu schwanken.»

Also sprach sie und steckte die Ringe nebeneinander.

Aber der Bräutigam sprach mit edler männlicher Rührung:

«Desto fester sei, bei der allgemeinen Erschüttrung,

Dorothea, der Bund! Wir wollen halten und dauern,

Fest uns halten und fest der schönen Güter Besitztum.

Denn der Mensch, der zur schwankenden Zeit auch schwankend gesinnt ist,

Der vermehret das Übel und breitet es weiter und weiter;

Aber wer fest auf dem Sinne beharrt, der bildet die Welt sich.

Nicht dem Deutschen geziemt es, die fürchterliche Bewegung

Fortzuleiten und auch zu wanken hierhin und dorthin.

›Dies ist unser!‹ so laß uns sagen und so es behaupten!

Denn es werden noch stets die entschlossenen Völker gepriesen,

Die für Gott und Gesetz, für Eltern, Weiber und Kinder

Stritten und gegen den Feind zusammenstehend erlagen.

Du bist mein; und nun ist das Meine meiner als jemals.

Nicht mit Kummer will ich's bewahren und sorgend genießen,

Sondern mit Mut und Kraft. Und drohen diesmal die Feinde

Oder künftig, so rüste mich selbst und reiche die Waffen.

Weiß ich durch dich nur versorgt das Haus und die liebenden Eltern,

Oh, so stellt sich die Brust dem Feinde sicher entgegen.

Und gedächte jeder wie ich, so stünde die Macht auf

Gegen die Macht, und wir erfreuten uns alle des Friedens.»