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»Habt ihr herausgefunden, was es für Vögel sind?«

Innocenti zuckte die Achseln. »Tauben, Raben, Enten, wer kennt sich denn mit Vögeln aus? Ich bin kein Ornithologe.«

»Vielleicht haben sie eine besondere Eigenart?«

»Aber sicher: Sie sind so stinkfaul, dass sie nicht einmal fortfliegen.«

»Nein, aber vielleicht sind sie eine besondere Vogelgattung.«

Innocenti blieb unbeeindruckt. »Hören Sie, Mr. Hyatt, von mir aus können sie sein, was sie wollen, verdammt. Ich weiß nur, dass ich sie irgendwie vom Dach kriegen muss, denn solange ich sie hier nicht herunterhabe, muss ich hierbleiben und versäume deshalb das Abendessen. Wissen Sie, was es heute zu Abend gibt?«

Ich winkte ihm freundlich zu und ging zum Eingang des Krankenhauses hinüber.

»Osso bucco!«,brüllte er mir nach. »Das gibt es heute Abend!«

Ich betrat das Krankenhaus und ging durch das mit italienischen Hölzern ausgelegte Foyer direkt auf die Aufzüge zu. Die stilvolle Metalluhr an der Wand zeigte 19 Uhr an. Es war inzwischen vier Stunden her, seitdem ich Dr. Jarvis aus einer Telefonzelle angerufen und endlich erreicht hatte. Vier Stunden, seitdem der Krankenwagen eingetroffen war und man Seymour Wallis’ entstellten Körper auf einer Bahre aus dem Haus getragen hatte – abgedeckt von einem grünen Tuch, damit kein Passant diesen für einen normalen Menschen viel zu großen Körper sah. Vier Stunden, seitdem Dr. Jarvis und Dr. Crane mit der Leichenöffnung begonnen hatten.

Ich fuhr rauf bis zum fünften Stock und lief dann durch den Flur zu James Jarvis’ Büro. Ich ging hinein, nahm die Ginflasche aus seinem Schreibtisch und ein Tonicwasser aus dem Kühlschrank. Dann setzte ich mich, lehnte mich zurück und trank etwas von dem starken, erfrischenden Getränk, und beim heiligen Antonius und der heiligen Theresa, ich brauchte das.

Den ganzen Nachmittag hatte ich versucht, Jane zu finden. Ich hatte jeden gemeinsamen Freund oder Bekannten angerufen, der mir eingefallen war, bis ich schließlich kein Kleingeld und keine Energie mehr besaß. Währenddessen hatte ich mich bei McDonald’s mit einem Cheeseburger und einer Tasse schwarzem Kaffee gestärkt und dann aufgemacht in Richtung Elmwood. Ich fühlte mich hilflos, verloren, frustriert und verängstigt.

Ich füllte gerade mein Glas mit einem zweiten Gin Tonic, als Dr. Jarvis eintrat und seinen Mantel über den Stuhl warf.

»Hi«, sagte er, etwas kurz angebunden.

Ich hob mein Glas. »Ich habe mich hier häuslich niedergelassen. Ich hoffe, du bist nicht böse.«

»Ach, wieso denn? Mach mir auch einen fertig, wenn du schon dabei bist.«

Ich ließ zwei Eiswürfel in ein weiteres Glas fallen und fragte: »Seid ihr mit Wallis’ Obduktion fertig?«

Er nahm schwerfällig Platz und rieb sich über das Gesicht. »Ja, sind wir. Wir haben die Leichenöffnung abgeschlossen.«

»Und?«

Er sah mich durch seine gespreizten Finger an. Seine Augen waren rot vor Müdigkeit und Konzentration. »Willst du es wirklich wissen? Willst du wirklich in die Sache hineingezogen werden? Du brauchst es nicht, das weißt du. Du bist ja nur Beamter beim Gesundheitsamt.«

»Sicher, es ist wohl so, aber ich stecke doch schon mittendrin. Nun erzähl schon, Jim. Dan Machin und Bryan Corder waren meine Freunde. Und jetzt Seymour Wallis. Ich fühle mich verantwortlich.«

Dr. Jarvis nahm sein Päckchen Zigaretten aus der Tasche. Zitternd zündete er sich eine an und schob die Schachtel zu mir herüber. Ich ließ sie dort liegen. Bevor ich mich entspannte, wollte ich wissen, was vor sich ging.

Er seufzte und schaute hoch zur Zimmerdecke, als befände sich dort oben ein Teleprompter, auf dem der Text steht, den er sagen musste. »Wir haben jede Möglichkeit in Erwägung gezogen. Ich meine, jede. Aber die körperliche Ausdehnung wurde durch einen Faktor hervorgerufen, allein einen Faktor, und was wir auch immer als Erklärungsversuch ansetzten, wir kamen immer zu demselben Schluss.«

Ich nippte an meinem Gin Tonic. Ich unterbrach ihn nicht. Er würde es mir jetzt sagen, was auch immer.

»Ich schätze, dass die Todesursache offiziell Blutkrankheit lauten wird. Das ist wohl eher eine fromme Lüge, andererseits aber auch die volle Wahrheit. Seymour Wallis littan einer schweren Blutkrankheit. Er hatte keinen Mangel an roten Blutkörperchen und es gab auch keine Anzeichen für irgendeine Krankheit oder Anämie. Es ist ganz einfach Tatsache, dass er zu viel davon hatte.«

» Zu vieldavon?«

Er nickte. »Ein normaler Mensch hat etwa sechs Liter Blut, die durch seinen Kreislauf zirkulieren. Wir haben das Blut aus Seymour Wallis’ Körper geleert und es nachgemessen. Seine Arterien und Venen sowie Kapillaren waren so angeschwollen, weil er 15 Liter Blut darin hatte.«

Ich konnte es kaum glauben . »15 Liter?«

Dr. Jarvis blies den Zigarettenrauch aus. »Ich weiß, dass es verrückt klingt, aber so ist es nun mal. Glaube mir, wenn ich könnte, würde ich diese ganze Sache unter den Teppich kehren und das überschüssige Blut einfach in den Ausguss schütten.«

Er saß eine Weile still da und starrte auf seinen unordentlichen Schreibtisch. Ich vermutete, dass ihm bei all den Schwierigkeiten mit Seymour Wallis und dessen vermaledeitem Haus keine Zeit mehr für den Papierkram geblieben war.

»War die Polizei schon hier?«, fragte ich.

»Man hat sie informiert.«

»Und was sagt sie dazu?«

»Sie wartet auf das Ergebnis der Leichenöffnung. Das Problem ist nur, dass ich nicht weiß, was ich den Beamten erzählen soll.«

Ich trank mein Glas aus. »Wieso? Erzähl ihnen einfach, dass er eines natürlichen Todes gestorben sei.«

Dr. Jarvis brummte grimmig: »Natürlicher Tod? Mit 15 Litern Blut in sich? Und außerdem ist da ja noch was.«

»Noch was?«

Er schaute mich nicht an, aber ich merkte, wie verwirrt und besorgt er war. »Wir haben das Blut natürlich analysiert, es in die Zentrifuge gesteckt. Dr. Crane ist einer der besten Pathologen. Zumindest wird er danach bezahlt. Er sagt, und das ohne den geringsten Zweifel, dass das Blut, das wir in Seymour Wallis’ Körper fanden, kein menschliches Blut ist.«

Wir schwiegen. Dr. Jarvis zündete sich die nächste Zigarette an der ersten an.

»Es besteht absolut kein Zweifel, dass die gesamten 15 Liter von einer Hundespezies stammen. Was auch immer Seymour Wallis zugestoßen ist, das Blut, mit dem er starb, war nicht sein eigenes.«

4

Jane rief an. Sie bedauerte, dass sie zur Mittagszeit nicht im Laden gewesen sei, und hoffte, dass ich mir keine Sorgen gemacht hätte.

Ich sah Dr. Jarvis an und fragte: »Sorgen gemacht? Weißt du, was passiert ist?«

»Ich habe es im Fernsehen gehört. Seymour Wallis ist tot.«

»Ja, aber es ist noch viel schlimmer. Er starb mit mehr Blut in seinen Adern, als Sam Peckinpah in einem ganzen Film verspritzt. 15 Liter. Und dann erzählt mir Jim hier noch, dass dieses Blut noch nicht einmal sein eigenes war. Sie haben es analysiert und es stellte sich heraus, dass es Hundeblut war.«

»Du machst Witze.«

»Jane, wenn du glaubst, dass ich in der Stimmung für Witze bin …«

»Ich habe das nicht so gemeint«, unterbrach sie mich hastig. »Ich meinte nur, es passt alles zusammen.«

»Passt zusammen? Passt wozu?«

»Zu dem, was ich dir zu sagen versucht habe. Ich bin heute Mittag nach Sausalito gefahren. Ich habe dir doch so einiges über diese indianischen Geschichten erzählt. Na ja, ich habe Freunde in Sausalito, die einige Indianer gut kennen und auch in der indianischen Kultur ziemlich bewandert sind. Sie haben von diesem Dämon, dem Ersten, der Worte zur Gewalt benutzte,gehört, und sie meinen, dass ich nach Round Valley fahren sollte, um mit einem der Medizinmänner zu sprechen.«

Ich seufzte und sagte nichts.

»John? Hast du gehört?«

»Ja, ich habe es gehört.«

»Aber du hältst es für keine gute Idee?«